Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_515.001 p2c_515.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0039" n="515"/><lb n="p2c_515.001"/> aufmerksam. So wie die Geschichte der Erzväter, <lb n="p2c_515.002"/> wo Gott in der Natur dem Menschen noch näher war, eine <lb n="p2c_515.003"/> <hi rendition="#g">naiv</hi> schöne Poesie ist, so hat in der prophetischen Poesie <lb n="p2c_515.004"/> der alttestamentarische Styl die letzte Höhe der <hi rendition="#g">Heftigkeit</hi> <lb n="p2c_515.005"/> und des <hi rendition="#g">Grausenden</hi> erreicht. Denn Gott hat sich fast <lb n="p2c_515.006"/> ganz von seinem gesunkenen Volke getrennt, und diese Trennung <lb n="p2c_515.007"/> des gesetzlichen Wesens von der verderbten Menschenwelt <lb n="p2c_515.008"/> muß die Phantasie der letztern zu einer leidenschaftlichen <lb n="p2c_515.009"/> Düsternheit stimmen. Was die Propheten weissagten, geschieht. <lb n="p2c_515.010"/> Der Untergang des hebräischen Staats zieht auch <lb n="p2c_515.011"/> den Tod der hebräischen Poesie, zugleich mit ihr aller wahren <lb n="p2c_515.012"/> Religiosität nach sich. Wie bey den Römern die Jdee <lb n="p2c_515.013"/> der Vaterlandsliebe, so war auch in der jüdischen Provinz <lb n="p2c_515.014"/> Judäa die begeisternde Jdee der Gottheit kraftlos geworden. <lb n="p2c_515.015"/> Nach alten von den Sternen herabgekommnen, von allen <lb n="p2c_515.016"/> orientalischen Völkern anerkannten, von allen jüdischen Propheten <lb n="p2c_515.017"/> wiederholten Weissagungen soll mit dem Anfang des <lb n="p2c_515.018"/> fünften Jahrtausend ein errettender Gesalbter das göttliche <lb n="p2c_515.019"/> Leben, das mit dem Paradiese verlohren ging, in einem <lb n="p2c_515.020"/> höhern himmlischen Glanze herstellen, den <hi rendition="#g">Fürsten</hi> der <lb n="p2c_515.021"/> <hi rendition="#g">Welt</hi> überwinden, und als <hi rendition="#g">Menschensohn</hi> die Regierung <lb n="p2c_515.022"/> der Welt antreten. Die Juden erwarten den Geweissagten <lb n="p2c_515.023"/> mit Ungeduld. Sie hoffen von ihm Befreyung vom <lb n="p2c_515.024"/> ausländischen Joch, neuen weltlichen Glanz, sie hoffen, er <lb n="p2c_515.025"/> werde ein ausschließender Wohlthäter ihrer Nazion seyn. <lb n="p2c_515.026"/> Und dieser Messias, aber mehr als ein weltlicher Fürst der <lb n="p2c_515.027"/> Juden, das geistige Licht aller Völker, die im Dunkeln wandelten, <lb n="p2c_515.028"/> wird geboren. Alle Kennzeichen treffen zusammen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [515/0039]
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aufmerksam. So wie die Geschichte der Erzväter, p2c_515.002
wo Gott in der Natur dem Menschen noch näher war, eine p2c_515.003
naiv schöne Poesie ist, so hat in der prophetischen Poesie p2c_515.004
der alttestamentarische Styl die letzte Höhe der Heftigkeit p2c_515.005
und des Grausenden erreicht. Denn Gott hat sich fast p2c_515.006
ganz von seinem gesunkenen Volke getrennt, und diese Trennung p2c_515.007
des gesetzlichen Wesens von der verderbten Menschenwelt p2c_515.008
muß die Phantasie der letztern zu einer leidenschaftlichen p2c_515.009
Düsternheit stimmen. Was die Propheten weissagten, geschieht. p2c_515.010
Der Untergang des hebräischen Staats zieht auch p2c_515.011
den Tod der hebräischen Poesie, zugleich mit ihr aller wahren p2c_515.012
Religiosität nach sich. Wie bey den Römern die Jdee p2c_515.013
der Vaterlandsliebe, so war auch in der jüdischen Provinz p2c_515.014
Judäa die begeisternde Jdee der Gottheit kraftlos geworden. p2c_515.015
Nach alten von den Sternen herabgekommnen, von allen p2c_515.016
orientalischen Völkern anerkannten, von allen jüdischen Propheten p2c_515.017
wiederholten Weissagungen soll mit dem Anfang des p2c_515.018
fünften Jahrtausend ein errettender Gesalbter das göttliche p2c_515.019
Leben, das mit dem Paradiese verlohren ging, in einem p2c_515.020
höhern himmlischen Glanze herstellen, den Fürsten der p2c_515.021
Welt überwinden, und als Menschensohn die Regierung p2c_515.022
der Welt antreten. Die Juden erwarten den Geweissagten p2c_515.023
mit Ungeduld. Sie hoffen von ihm Befreyung vom p2c_515.024
ausländischen Joch, neuen weltlichen Glanz, sie hoffen, er p2c_515.025
werde ein ausschließender Wohlthäter ihrer Nazion seyn. p2c_515.026
Und dieser Messias, aber mehr als ein weltlicher Fürst der p2c_515.027
Juden, das geistige Licht aller Völker, die im Dunkeln wandelten, p2c_515.028
wird geboren. Alle Kennzeichen treffen zusammen,
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