Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_526.001 p2c_526.025 p2c_526.026 p2c_526.001 p2c_526.025 p2c_526.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0050" n="526"/><lb n="p2c_526.001"/> von seinem Volke verachtete Christus litt. Aber, was mehr <lb n="p2c_526.002"/> ist als dieses, noch nach langen Jahrhunderten erhob die <lb n="p2c_526.003"/> wohlthätige Jdee des Gottes und Menschen, des <hi rendition="#g">Einzigen,</hi> <lb n="p2c_526.004"/> in dem die Menschheit, nach dem Gesetze des <lb n="p2c_526.005"/> Schicksals, sich selbst anbeten, sich vor dem Richter <lb n="p2c_526.006"/> <hi rendition="#g">rein</hi> nennen <hi rendition="#g">darf,</hi> die vom niedern Leben gedemüthigten, <lb n="p2c_526.007"/> unter der Last des Staubes erliegenden Seelen. <lb n="p2c_526.008"/> Die vor dem Allerheiligen zitterten, lernten ihn lieben, <lb n="p2c_526.009"/> weil er ihres Gleichen war, weil er, wie sie, kämpfte <lb n="p2c_526.010"/> und ihre Schwächen hinwegnahm. So war das irdische <lb n="p2c_526.011"/> Leben des Helden der biblischen Geschichte, das man nur <lb n="p2c_526.012"/> allein in den Evangelien kurz und rein dargestellt findet. <lb n="p2c_526.013"/> Menschliche Dichter versuchen umsonst mit dem Schwunge <lb n="p2c_526.014"/> ihrer Einbildungskraft die Züge jener Wundergeschichte zu <lb n="p2c_526.015"/> verschönern. Andächtler versuchen umsonst durch weitschweifige <lb n="p2c_526.016"/> Betrachtungen die Menschen aufmerksamer darauf zu <lb n="p2c_526.017"/> machen. Nur Christus selbst hat Worte der Ewigkeit. Aufklärer <lb n="p2c_526.018"/> versuchen umsonst dieses Leben seiner wundervollen <lb n="p2c_526.019"/> Wirksamkeit zu berauben und es in die gemeine Sphäre profaner <lb n="p2c_526.020"/> Begebenheiten herabzuziehn, weil es <hi rendition="#g">zu innig</hi> mit <lb n="p2c_526.021"/> allen Bedürfnissen des menschlichen Gemüths verwebt ist. <lb n="p2c_526.022"/> Noch schallt der Name Christus in unsern Tempeln. Aber die <lb n="p2c_526.023"/> zwey allerwärmenden Jdeen seiner Lehre und seines Wandels, <lb n="p2c_526.024"/> <hi rendition="#g">Glauben</hi> und <hi rendition="#g">Liebe,</hi> sind nur noch in wenigen Seelen.</p> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_526.025"/> §. 3.</hi> </p> <p><lb n="p2c_526.026"/> So weit von der biblischen <hi rendition="#g">Poesie</hi> nach ihrem <lb n="p2c_526.027"/> <hi rendition="#g">Hauptinhalte.</hi> Die <hi rendition="#g">besondern</hi> Formen, welche </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [526/0050]
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von seinem Volke verachtete Christus litt. Aber, was mehr p2c_526.002
ist als dieses, noch nach langen Jahrhunderten erhob die p2c_526.003
wohlthätige Jdee des Gottes und Menschen, des Einzigen, p2c_526.004
in dem die Menschheit, nach dem Gesetze des p2c_526.005
Schicksals, sich selbst anbeten, sich vor dem Richter p2c_526.006
rein nennen darf, die vom niedern Leben gedemüthigten, p2c_526.007
unter der Last des Staubes erliegenden Seelen. p2c_526.008
Die vor dem Allerheiligen zitterten, lernten ihn lieben, p2c_526.009
weil er ihres Gleichen war, weil er, wie sie, kämpfte p2c_526.010
und ihre Schwächen hinwegnahm. So war das irdische p2c_526.011
Leben des Helden der biblischen Geschichte, das man nur p2c_526.012
allein in den Evangelien kurz und rein dargestellt findet. p2c_526.013
Menschliche Dichter versuchen umsonst mit dem Schwunge p2c_526.014
ihrer Einbildungskraft die Züge jener Wundergeschichte zu p2c_526.015
verschönern. Andächtler versuchen umsonst durch weitschweifige p2c_526.016
Betrachtungen die Menschen aufmerksamer darauf zu p2c_526.017
machen. Nur Christus selbst hat Worte der Ewigkeit. Aufklärer p2c_526.018
versuchen umsonst dieses Leben seiner wundervollen p2c_526.019
Wirksamkeit zu berauben und es in die gemeine Sphäre profaner p2c_526.020
Begebenheiten herabzuziehn, weil es zu innig mit p2c_526.021
allen Bedürfnissen des menschlichen Gemüths verwebt ist. p2c_526.022
Noch schallt der Name Christus in unsern Tempeln. Aber die p2c_526.023
zwey allerwärmenden Jdeen seiner Lehre und seines Wandels, p2c_526.024
Glauben und Liebe, sind nur noch in wenigen Seelen.
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§. 3.
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So weit von der biblischen Poesie nach ihrem p2c_526.027
Hauptinhalte. Die besondern Formen, welche
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