Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_559.001 p2c_559.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0083" n="559"/><lb n="p2c_559.001"/> Die Personen in der Heroide sind aus der Geschichte. Aber <lb n="p2c_559.002"/> ihre Briefe sind <hi rendition="#g">Monologen,</hi> die sich in der Seele entwickeln <lb n="p2c_559.003"/> ohne äußere verändernde Umstände. ─ Es giebt <lb n="p2c_559.004"/> auch Oden, wo historische Personen sprechen, z. B. Nereus <lb n="p2c_559.005"/> im Horaz, und man nennt das doch nicht dramatisches Gedicht. <lb n="p2c_559.006"/> ─ Da die <hi rendition="#g">Heroide</hi> zu den höhern lyrischen Dichtungsarten <lb n="p2c_559.007"/> gehört, und die schreibenden Personen in großen <lb n="p2c_559.008"/> Situationen sind, so ist das <hi rendition="#g">Heftige</hi> herrschend und eine <lb n="p2c_559.009"/> außerordentliche Sprache allerdings auf sie anzuwenden. <lb n="p2c_559.010"/> Weil aber die Natur des <hi rendition="#g">Briefes</hi> den lyrischen Ton wiederum <lb n="p2c_559.011"/> mildert, so ist deshalb der Styl etwas natürlicher, <lb n="p2c_559.012"/> die Uebergänge dürfen nicht ganz so rasch seyn, als in der <lb n="p2c_559.013"/> Ode. Aus diesem Grunde haben auch die Dichter oft dazu <lb n="p2c_559.014"/> das <hi rendition="#g">elegische</hi> Sylbenmaaß gewählt. Die Jtaliener gebrauchen <lb n="p2c_559.015"/> dabey die Terzinen. Bey keiner Nazion hat diese <lb n="p2c_559.016"/> Dichtungsart mehr Anhänger und auch Widerspruch gefunden, <lb n="p2c_559.017"/> als bey der französischen.</p> <lb n="p2c_559.018"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="3"> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [559/0083]
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Die Personen in der Heroide sind aus der Geschichte. Aber p2c_559.002
ihre Briefe sind Monologen, die sich in der Seele entwickeln p2c_559.003
ohne äußere verändernde Umstände. ─ Es giebt p2c_559.004
auch Oden, wo historische Personen sprechen, z. B. Nereus p2c_559.005
im Horaz, und man nennt das doch nicht dramatisches Gedicht. p2c_559.006
─ Da die Heroide zu den höhern lyrischen Dichtungsarten p2c_559.007
gehört, und die schreibenden Personen in großen p2c_559.008
Situationen sind, so ist das Heftige herrschend und eine p2c_559.009
außerordentliche Sprache allerdings auf sie anzuwenden. p2c_559.010
Weil aber die Natur des Briefes den lyrischen Ton wiederum p2c_559.011
mildert, so ist deshalb der Styl etwas natürlicher, p2c_559.012
die Uebergänge dürfen nicht ganz so rasch seyn, als in der p2c_559.013
Ode. Aus diesem Grunde haben auch die Dichter oft dazu p2c_559.014
das elegische Sylbenmaaß gewählt. Die Jtaliener gebrauchen p2c_559.015
dabey die Terzinen. Bey keiner Nazion hat diese p2c_559.016
Dichtungsart mehr Anhänger und auch Widerspruch gefunden, p2c_559.017
als bey der französischen.
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