Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_564.001 p2c_564.023 p2c_564.024 p2c_564.001 p2c_564.023 p2c_564.024 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0088" n="564"/><lb n="p2c_564.001"/> Elegie im ersten Buche an den Priap ist voll <hi rendition="#g">Grazie,</hi> <lb n="p2c_564.002"/> und man kann sie beynahe <hi rendition="#g">galant</hi> nennen, ungeachtet <lb n="p2c_564.003"/> sie einen an sich nicht delicaten Gegenstand berührt. ─ <lb n="p2c_564.004"/> Die Grazie, als die <hi rendition="#g">Bewegung</hi> beym niedern Schönen <lb n="p2c_564.005"/> findet also am besten in der Mitte der Elegie statt. Der <lb n="p2c_564.006"/> Schluß muß wieder sanft seyn, damit man nicht aus der <lb n="p2c_564.007"/> Tonart falle. Das <hi rendition="#g">niedliche</hi> paßt für die Elegie am <lb n="p2c_564.008"/> wenigsten. Es hat zu viel den Charakter der <hi rendition="#g">Vollendung.</hi> <lb n="p2c_564.009"/> Eher kann eine <hi rendition="#g">Ode</hi> sich dem niedlichen nähern, <lb n="p2c_564.010"/> als die eigentliche Elegie, z. B. Horaz <hi rendition="#aq">o fons Blandusiae</hi>. <lb n="p2c_564.011"/> ─ Die Dichter schildern die Elegie mit <lb n="p2c_564.012"/> langen Haaren und in weiten Kleidern. Sie kann also <lb n="p2c_564.013"/> nicht das knappe enge Gewand des Niedlichen vertragen. <lb n="p2c_564.014"/> Unter allen Gattungen des niedern Schönen haben die <lb n="p2c_564.015"/> Dichter das <hi rendition="#g">Sanfte</hi> als herrschend in ihren Selbstgesprächen <lb n="p2c_564.016"/> gewählt, weil dieses die Wärme des Enthusiasmus <lb n="p2c_564.017"/> am meisten nährt, am längsten erhält. Jede höhere Empfindung, <lb n="p2c_564.018"/> die sich mit dem <hi rendition="#g">Sanften</hi> gar nicht amalgamiren <lb n="p2c_564.019"/> läßt, ist eine Dissonanz für die Elegie. Ovid hat <lb n="p2c_564.020"/> <hi rendition="#aq">diras</hi> (Jnvectiven) gegen einen gewissen Jbis geschrieben im <lb n="p2c_564.021"/> Elegieenton. Allein er gesteht selbst <hi rendition="#aq">non soleant quamvis <lb n="p2c_564.022"/> hoc pede bella geri</hi>.</p> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_564.023"/> §. 3.</hi> </p> <p><lb n="p2c_564.024"/> 2) Wenn gleich die <hi rendition="#g">Elegie</hi> keine durch ein Objekt <lb n="p2c_564.025"/> bestimmte Gedankenreihe hat, so muß doch diese <lb n="p2c_564.026"/> durch zufällige Gemüthsstimmung entstandene Gedankenreihe </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [564/0088]
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Elegie im ersten Buche an den Priap ist voll Grazie, p2c_564.002
und man kann sie beynahe galant nennen, ungeachtet p2c_564.003
sie einen an sich nicht delicaten Gegenstand berührt. ─ p2c_564.004
Die Grazie, als die Bewegung beym niedern Schönen p2c_564.005
findet also am besten in der Mitte der Elegie statt. Der p2c_564.006
Schluß muß wieder sanft seyn, damit man nicht aus der p2c_564.007
Tonart falle. Das niedliche paßt für die Elegie am p2c_564.008
wenigsten. Es hat zu viel den Charakter der Vollendung. p2c_564.009
Eher kann eine Ode sich dem niedlichen nähern, p2c_564.010
als die eigentliche Elegie, z. B. Horaz o fons Blandusiae. p2c_564.011
─ Die Dichter schildern die Elegie mit p2c_564.012
langen Haaren und in weiten Kleidern. Sie kann also p2c_564.013
nicht das knappe enge Gewand des Niedlichen vertragen. p2c_564.014
Unter allen Gattungen des niedern Schönen haben die p2c_564.015
Dichter das Sanfte als herrschend in ihren Selbstgesprächen p2c_564.016
gewählt, weil dieses die Wärme des Enthusiasmus p2c_564.017
am meisten nährt, am längsten erhält. Jede höhere Empfindung, p2c_564.018
die sich mit dem Sanften gar nicht amalgamiren p2c_564.019
läßt, ist eine Dissonanz für die Elegie. Ovid hat p2c_564.020
diras (Jnvectiven) gegen einen gewissen Jbis geschrieben im p2c_564.021
Elegieenton. Allein er gesteht selbst non soleant quamvis p2c_564.022
hoc pede bella geri.
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§. 3.
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2) Wenn gleich die Elegie keine durch ein Objekt p2c_564.025
bestimmte Gedankenreihe hat, so muß doch diese p2c_564.026
durch zufällige Gemüthsstimmung entstandene Gedankenreihe
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