Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_565.001 p2c_565.009 p2c_565.001 p2c_565.009 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0089" n="565"/><lb n="p2c_565.001"/> als solche logisch vollkommen seyn. Nun ist <lb n="p2c_565.002"/> das <hi rendition="#g">niedere</hi> Schöne mit einer ruhigern Anordnung <lb n="p2c_565.003"/> des Verstandes verträglich, ja das <hi rendition="#g">Sanfte</hi> verlangt <lb n="p2c_565.004"/> sogar in seinen Jdeen eine leicht sich entwickelnde Begreiflichkeit. <lb n="p2c_565.005"/> Da nun der Charakter der <hi rendition="#g">Elegie</hi> <lb n="p2c_565.006"/> vorzüglich <hi rendition="#g">sanft</hi> ist, so wird ihr Plan regelmäßiger <lb n="p2c_565.007"/> und mehr in die Augen fallend seyn müssen, als <lb n="p2c_565.008"/> derjenige der Ode.</p> <p><lb n="p2c_565.009"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Wenn in der Ode oft die veranlassende <lb n="p2c_565.010"/> Hauptidee künstlich versteckt, weder gern zu Anfang <lb n="p2c_565.011"/> gesetzt, noch am Ende wiederholt wird, so ist in der Elegie <lb n="p2c_565.012"/> gerade das Gegentheil. Tibulls erste Elegie beginnt mit <lb n="p2c_565.013"/> dem Verse <hi rendition="#aq">Divitias alius fuluo tibi congerat auro</hi>, und <lb n="p2c_565.014"/> der letzte Vers ist <hi rendition="#aq">Despiciam dites, descipiamque <lb n="p2c_565.015"/> famem</hi>. Der Dichter kommt also am Schlusse auf dieselbe <lb n="p2c_565.016"/> Jdee zurück, und erleichtert so die Uebersicht. Die <lb n="p2c_565.017"/> <hi rendition="#g">lyrische</hi> Freyheit der Jdeenassoziation zeigt sich also mehr <lb n="p2c_565.018"/> in der Mitte des Gedichts, indem der Dichter seine Schilderungen <lb n="p2c_565.019"/> verfolgt, episodische Bilder einschiebt. Doch <lb n="p2c_565.020"/> kommt auch da Tibull immer auf seine Hauptidee zurück, <lb n="p2c_565.021"/> und das ist der Charakter der wahren tiefen Empfindung, <lb n="p2c_565.022"/> ohne welche, wie Boileau sagt, die Elegie uns kalt läßt. <lb n="p2c_565.023"/> <hi rendition="#aq">Semper eodem gyro includitur</hi>. Die Elegie ist nicht <lb n="p2c_565.024"/> ein witziges, ein kühnes Werk der Phantasie. Sie ist <lb n="p2c_565.025"/> weniger himmlisch, als die Ode, sie bleibt an der Erde <lb n="p2c_565.026"/> gefesselt, unterhält das Herz mit menschlichen Wünschen <lb n="p2c_565.027"/> und Klagen eines menschlichen Kummers. Hallers sogenannte </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [565/0089]
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als solche logisch vollkommen seyn. Nun ist p2c_565.002
das niedere Schöne mit einer ruhigern Anordnung p2c_565.003
des Verstandes verträglich, ja das Sanfte verlangt p2c_565.004
sogar in seinen Jdeen eine leicht sich entwickelnde Begreiflichkeit. p2c_565.005
Da nun der Charakter der Elegie p2c_565.006
vorzüglich sanft ist, so wird ihr Plan regelmäßiger p2c_565.007
und mehr in die Augen fallend seyn müssen, als p2c_565.008
derjenige der Ode.
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Anmerk. Wenn in der Ode oft die veranlassende p2c_565.010
Hauptidee künstlich versteckt, weder gern zu Anfang p2c_565.011
gesetzt, noch am Ende wiederholt wird, so ist in der Elegie p2c_565.012
gerade das Gegentheil. Tibulls erste Elegie beginnt mit p2c_565.013
dem Verse Divitias alius fuluo tibi congerat auro, und p2c_565.014
der letzte Vers ist Despiciam dites, descipiamque p2c_565.015
famem. Der Dichter kommt also am Schlusse auf dieselbe p2c_565.016
Jdee zurück, und erleichtert so die Uebersicht. Die p2c_565.017
lyrische Freyheit der Jdeenassoziation zeigt sich also mehr p2c_565.018
in der Mitte des Gedichts, indem der Dichter seine Schilderungen p2c_565.019
verfolgt, episodische Bilder einschiebt. Doch p2c_565.020
kommt auch da Tibull immer auf seine Hauptidee zurück, p2c_565.021
und das ist der Charakter der wahren tiefen Empfindung, p2c_565.022
ohne welche, wie Boileau sagt, die Elegie uns kalt läßt. p2c_565.023
Semper eodem gyro includitur. Die Elegie ist nicht p2c_565.024
ein witziges, ein kühnes Werk der Phantasie. Sie ist p2c_565.025
weniger himmlisch, als die Ode, sie bleibt an der Erde p2c_565.026
gefesselt, unterhält das Herz mit menschlichen Wünschen p2c_565.027
und Klagen eines menschlichen Kummers. Hallers sogenannte
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