Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804. p2c_568.001 p2c_568.002 p2c_568.009 p2c_568.001 p2c_568.002 p2c_568.009 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0092" n="568"/> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_568.001"/> §. 4.</hi> </p> <p><lb n="p2c_568.002"/> 3) Da die Elegie den Charakter des niedern Schönen, <lb n="p2c_568.003"/> insbesondere des <hi rendition="#g">Sanften</hi> hat, so kommt ihr <lb n="p2c_568.004"/> ein natürlicher Styl zu, ohne solche hervorstechende <lb n="p2c_568.005"/> Figuren, wie die Ode. Das Sanfte entwickelt sich <lb n="p2c_568.006"/> leicht. Daher müssen keine schweren Uebergänge, und <lb n="p2c_568.007"/> lyrische Sprünge statt finden. Jn sofern ist der Elegie <lb n="p2c_568.008"/> auch ein etwas gedehnter Ausdruck gestattet.</p> <p><lb n="p2c_568.009"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Ovids Ton ist zwar natürlich und leicht, <lb n="p2c_568.010"/> aber für die Elegie zu witzig. Er spielt mit Worten und <lb n="p2c_568.011"/> Antithesen. Das mag in dem galantern Theile seiner Gedichte <lb n="p2c_568.012"/> angehn. Aber er thut es auch, wo er die Sprache <lb n="p2c_568.013"/> der Empfindung reden will. Die dritte Elegie im ersten <lb n="p2c_568.014"/> Buche der Tristium ist voll Gefühl. Man sieht, daß eine <lb n="p2c_568.015"/> wahre Situation diese Klage ausgepreßt hat. Dennoch <lb n="p2c_568.016"/> läßt er seine Frau bey ihrer Trennung sagen <hi rendition="#aq">te iubet e <lb n="p2c_568.017"/> patria discedere Caesaris ira, me pietas, pietas haec <lb n="p2c_568.018"/> mihi Caesar erit</hi>. ─ Das ist nicht viel besser, als <lb n="p2c_568.019"/> <hi rendition="#g">Hofmannswaldau,</hi> der in seinen Heldenbriefen die <lb n="p2c_568.020"/> Emma an den Eginhard schreiben läßt, er habe mehr <lb n="p2c_568.021"/> Dinte als Blut für den Kayser vergossen ─ oder: dies <lb n="p2c_568.022"/> Brieflein schließ ich zu, und meine Kammer auf. ─ ─ <lb n="p2c_568.023"/> <hi rendition="#g">Tibull</hi> ist in der Sprache der Elegie allein <hi rendition="#g">classisch</hi> zu <lb n="p2c_568.024"/> nennen. Er ist natürlich und doch nie <hi rendition="#g">prosaisch,</hi> wie <lb n="p2c_568.025"/> öfters Ovid. ─ Properz hat mehr genialische Energie, <lb n="p2c_568.026"/> als Tibull. Sein Styl ist aber auch schwerer.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [568/0092]
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§. 4.
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3) Da die Elegie den Charakter des niedern Schönen, p2c_568.003
insbesondere des Sanften hat, so kommt ihr p2c_568.004
ein natürlicher Styl zu, ohne solche hervorstechende p2c_568.005
Figuren, wie die Ode. Das Sanfte entwickelt sich p2c_568.006
leicht. Daher müssen keine schweren Uebergänge, und p2c_568.007
lyrische Sprünge statt finden. Jn sofern ist der Elegie p2c_568.008
auch ein etwas gedehnter Ausdruck gestattet.
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Anmerk. Ovids Ton ist zwar natürlich und leicht, p2c_568.010
aber für die Elegie zu witzig. Er spielt mit Worten und p2c_568.011
Antithesen. Das mag in dem galantern Theile seiner Gedichte p2c_568.012
angehn. Aber er thut es auch, wo er die Sprache p2c_568.013
der Empfindung reden will. Die dritte Elegie im ersten p2c_568.014
Buche der Tristium ist voll Gefühl. Man sieht, daß eine p2c_568.015
wahre Situation diese Klage ausgepreßt hat. Dennoch p2c_568.016
läßt er seine Frau bey ihrer Trennung sagen te iubet e p2c_568.017
patria discedere Caesaris ira, me pietas, pietas haec p2c_568.018
mihi Caesar erit. ─ Das ist nicht viel besser, als p2c_568.019
Hofmannswaldau, der in seinen Heldenbriefen die p2c_568.020
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Dinte als Blut für den Kayser vergossen ─ oder: dies p2c_568.022
Brieflein schließ ich zu, und meine Kammer auf. ─ ─ p2c_568.023
Tibull ist in der Sprache der Elegie allein classisch zu p2c_568.024
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öfters Ovid. ─ Properz hat mehr genialische Energie, p2c_568.026
als Tibull. Sein Styl ist aber auch schwerer.
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