Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_567.001 p2c_567.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0091" n="567"/><lb n="p2c_567.001"/> mit diesen Freuden den kriegerischen Glanz. Er wendet <lb n="p2c_567.002"/> alle seine Gedanken auf Delien. Er will mit ihr leben, in <lb n="p2c_567.003"/> ihren Armen sterben. Sie soll ihn beweinen. Er sieht <lb n="p2c_567.004"/> schon im Geist seine Todtenfeyer. Er ermahnt seine Geliebte <lb n="p2c_567.005"/> mit ihm das Leben zu genießen, und schließt mit <lb n="p2c_567.006"/> derselben Verachtung des Reichthums, die er zu Anfang <lb n="p2c_567.007"/> des Gedichts zeigte. Die dritte <hi rendition="#g">Elegie</hi> ist in einer <lb n="p2c_567.008"/> Krankheit auf einer Reise gemacht. Gleich anfangs giebt <lb n="p2c_567.009"/> der Dichter seine Sehnsucht nach dem Vaterlande, nach Delien <lb n="p2c_567.010"/> zu erkennen. Dies erinnert ihn daran, wie ungern er sich <lb n="p2c_567.011"/> von ihr trennte. Er preist die goldne Zeit, wo man noch <lb n="p2c_567.012"/> nicht reiste, um Schätze sich zu erwerben. Er sieht seinen <lb n="p2c_567.013"/> Tod voraus. Er denkt sich schon hinab in die Unterwelt, <lb n="p2c_567.014"/> schildert die Elysischen Gefilde, die Gärten der Liebenden, <lb n="p2c_567.015"/> den Tartarus. Dann geht ein neues Licht der Hoffnung <lb n="p2c_567.016"/> in ihm auf. Der Uebergang ist äußerst fein. Er hofft <lb n="p2c_567.017"/> seine Delia wieder zu sehn. Er ermahnt sie zur Treue. <lb n="p2c_567.018"/> Er denkt sich den Tag seiner Rückkehr, wie ihm seine Geliebte <lb n="p2c_567.019"/> entgegenläuft, und schließt das Gedicht mit dem <lb n="p2c_567.020"/> Wunsch, daß ihm die Morgenröthe dieses Tages bald aufgehn <lb n="p2c_567.021"/> möge. So kann man alle Elegien Tibulls durchgehn. <lb n="p2c_567.022"/> Ueberall wird man finden, daß des Dichters Jdeen sich <lb n="p2c_567.023"/> nach einem leichtbegreiflichen Plane entwickeln, ohne harte <lb n="p2c_567.024"/> Uebergänge, daß er immer bey einem Lieblingsgedanken <lb n="p2c_567.025"/> verweilt, auf ihn nach jeder freyen lyrischen Digression zurückkommt. <lb n="p2c_567.026"/> Dieses thut ein Odendichter, wie Horaz, fast <lb n="p2c_567.027"/> nie. Uebrigens giebt es erzählende Elegien im Tibull und <lb n="p2c_567.028"/> Properz. Von diesen gilt eben das, was wir von den <lb n="p2c_567.029"/> erzählenden Oden bemerkt haben.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [567/0091]
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mit diesen Freuden den kriegerischen Glanz. Er wendet p2c_567.002
alle seine Gedanken auf Delien. Er will mit ihr leben, in p2c_567.003
ihren Armen sterben. Sie soll ihn beweinen. Er sieht p2c_567.004
schon im Geist seine Todtenfeyer. Er ermahnt seine Geliebte p2c_567.005
mit ihm das Leben zu genießen, und schließt mit p2c_567.006
derselben Verachtung des Reichthums, die er zu Anfang p2c_567.007
des Gedichts zeigte. Die dritte Elegie ist in einer p2c_567.008
Krankheit auf einer Reise gemacht. Gleich anfangs giebt p2c_567.009
der Dichter seine Sehnsucht nach dem Vaterlande, nach Delien p2c_567.010
zu erkennen. Dies erinnert ihn daran, wie ungern er sich p2c_567.011
von ihr trennte. Er preist die goldne Zeit, wo man noch p2c_567.012
nicht reiste, um Schätze sich zu erwerben. Er sieht seinen p2c_567.013
Tod voraus. Er denkt sich schon hinab in die Unterwelt, p2c_567.014
schildert die Elysischen Gefilde, die Gärten der Liebenden, p2c_567.015
den Tartarus. Dann geht ein neues Licht der Hoffnung p2c_567.016
in ihm auf. Der Uebergang ist äußerst fein. Er hofft p2c_567.017
seine Delia wieder zu sehn. Er ermahnt sie zur Treue. p2c_567.018
Er denkt sich den Tag seiner Rückkehr, wie ihm seine Geliebte p2c_567.019
entgegenläuft, und schließt das Gedicht mit dem p2c_567.020
Wunsch, daß ihm die Morgenröthe dieses Tages bald aufgehn p2c_567.021
möge. So kann man alle Elegien Tibulls durchgehn. p2c_567.022
Ueberall wird man finden, daß des Dichters Jdeen sich p2c_567.023
nach einem leichtbegreiflichen Plane entwickeln, ohne harte p2c_567.024
Uebergänge, daß er immer bey einem Lieblingsgedanken p2c_567.025
verweilt, auf ihn nach jeder freyen lyrischen Digression zurückkommt. p2c_567.026
Dieses thut ein Odendichter, wie Horaz, fast p2c_567.027
nie. Uebrigens giebt es erzählende Elegien im Tibull und p2c_567.028
Properz. Von diesen gilt eben das, was wir von den p2c_567.029
erzählenden Oden bemerkt haben.
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