Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_573.001 p2c_573.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0097" n="573"/><lb n="p2c_573.001"/> allerdings. Für einen scherzhaften oder mit Grazie gedachten <lb n="p2c_573.002"/> niedlichen Gedanken mag die Form auch bey uns gut seyn. <lb n="p2c_573.003"/> Aber daß sich der glühende himmlische Genius des Petrark <lb n="p2c_573.004"/> diese Fessel angelegt, und darinnen glücklich bewegt hat, <lb n="p2c_573.005"/> das ist wohl zufällig mehr seinen Zeiten und seiner Sprache <lb n="p2c_573.006"/> zuzuschreiben, als daß es bey andern Nachahmung erwecken <lb n="p2c_573.007"/> sollte. Jnsofern die Elegie auch zuweilen die Modification <lb n="p2c_573.008"/> des <hi rendition="#g">Scherzhaften</hi> und <hi rendition="#g">Galanten</hi> annimmt, kann <lb n="p2c_573.009"/> sie außer dem Sonnet noch andre Reimsysteme wählen, <lb n="p2c_573.010"/> dann erscheint sie unter den Nahmen 3) Rondeau, Madrigal <lb n="p2c_573.011"/> u. s. w. (s. oben). Das <hi rendition="#g">Triolett</hi> schwankt seiner <lb n="p2c_573.012"/> Natur nach zwischen der <hi rendition="#g">Elegie</hi> und dem <hi rendition="#g">Epigramm.</hi> <lb n="p2c_573.013"/> Daß die dreymalige Wiederholung eben desselben Verses und <lb n="p2c_573.014"/> Gedankens paßt, ist überraschend und sinnreich, und insofern <lb n="p2c_573.015"/> für den Verstand unterhaltend, wie das Epigramm. <lb n="p2c_573.016"/> Jnsofern aber der Ausdruck einer schönen <hi rendition="#g">Empfindung</hi> <lb n="p2c_573.017"/> damit genährt wird, insofern ist das Triolett elegisch. <hi rendition="#aq">Le <lb n="p2c_573.018"/> premier jour du mois de Mai fut le plus beau jour de <lb n="p2c_573.019"/> ma vie, je vous vis et je vous aimai le premier jour <lb n="p2c_573.020"/> du mois de Mai. Le beau conseil, que j'y formai! <lb n="p2c_573.021"/> S'il ne vous deplut, Silvie, le premier jour du moi <lb n="p2c_573.022"/> de Mai fut le plus beau jour de ma vie</hi>. Dieses auch <lb n="p2c_573.023"/> von Hagedorn nachgeahmte Triolett dient statt aller Regeln. <lb n="p2c_573.024"/> Man sieht, die Wiederholung ist nicht bloß sinnreich, sie hat <lb n="p2c_573.025"/> einen Grund in der elegischen Stimmung des Dichters.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [573/0097]
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allerdings. Für einen scherzhaften oder mit Grazie gedachten p2c_573.002
niedlichen Gedanken mag die Form auch bey uns gut seyn. p2c_573.003
Aber daß sich der glühende himmlische Genius des Petrark p2c_573.004
diese Fessel angelegt, und darinnen glücklich bewegt hat, p2c_573.005
das ist wohl zufällig mehr seinen Zeiten und seiner Sprache p2c_573.006
zuzuschreiben, als daß es bey andern Nachahmung erwecken p2c_573.007
sollte. Jnsofern die Elegie auch zuweilen die Modification p2c_573.008
des Scherzhaften und Galanten annimmt, kann p2c_573.009
sie außer dem Sonnet noch andre Reimsysteme wählen, p2c_573.010
dann erscheint sie unter den Nahmen 3) Rondeau, Madrigal p2c_573.011
u. s. w. (s. oben). Das Triolett schwankt seiner p2c_573.012
Natur nach zwischen der Elegie und dem Epigramm. p2c_573.013
Daß die dreymalige Wiederholung eben desselben Verses und p2c_573.014
Gedankens paßt, ist überraschend und sinnreich, und insofern p2c_573.015
für den Verstand unterhaltend, wie das Epigramm. p2c_573.016
Jnsofern aber der Ausdruck einer schönen Empfindung p2c_573.017
damit genährt wird, insofern ist das Triolett elegisch. Le p2c_573.018
premier jour du mois de Mai fut le plus beau jour de p2c_573.019
ma vie, je vous vis et je vous aimai le premier jour p2c_573.020
du mois de Mai. Le beau conseil, que j'y formai! p2c_573.021
S'il ne vous deplut, Silvie, le premier jour du moi p2c_573.022
de Mai fut le plus beau jour de ma vie. Dieses auch p2c_573.023
von Hagedorn nachgeahmte Triolett dient statt aller Regeln. p2c_573.024
Man sieht, die Wiederholung ist nicht bloß sinnreich, sie hat p2c_573.025
einen Grund in der elegischen Stimmung des Dichters.
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