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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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leute gestellt werden, in der Erziehung der Kinder wider.
Woher soll da eine einheitliche Auffassung, ein gemeinsames
Streben kommen? Und wie wenig erreicht der Einzelne, wie
schwach sind die Versuche auch der Tüchtigen, in althergebrachte
Vorurtheile und Gewohnheiten Bresche zu legen!"

Zugleich wird den deutschen Männern von der deutschen
Frau der Text gelesen.

"Thatsächlich," sagt sie, "beurtheilt jeder Mann jede ihm
begegnende Frau als ein tiefer stehendes Geschöpf, welches
keinen Anspruch darauf machen kann, die allgemeinen Jnter-
essen zu theilen oder zu begreifen. Er sieht auf sie herab,
nicht vermöge seiner wirklichen Ueberlegenheit, sondern einfach,
weil er ein Mann ist, weil die starken Fäuste seiner Vorfahren
es ermöglicht haben, die Frau so lange nach jenem Typus zu
modeln, der für seine Bequemlichkeit der vorteilhafteste ist.
Die Suggestion war eine mächtige, sie wirkte fort durch die
Jahrhunderte, verstärkt durch die Zuchtwahl, die jene fügsamen
Naturen, welche die Hand küssen, die sie schlägt, durch die Ehe
vererbt, durch die Vererbung zu Geschlechtscharakteren erhoben
hat. Nirgends ist jene Erscheinung so auffallend wie in Deutsch-
land, dem Lande, welches in zahllosen Wiederholungen Schiller's
"Ehret die Frauen" im Munde führt und weiter als irgend
ein Culturland davon entfernt ist, jenem Worte nachzuleben...
Nirgends liegt der Fluch der Lächerlichkeit und der Antipathie
so schwer auf der unterrichteten, auf der hervorragenden Frau
wie in Ländern deutscher Zunge. Nur hier konnte eine große
Dichterin das große, aber wahre Wort schreiben: "Jede gescheite
Frau hat eine Million geborener Feinde: die dummen Männer!"
Weil diese Männer seit Jahrhunderten den erfrischenden Quell
weiblicher Geisteseigenthümlichkeiten verstopft haben, fehlt ihnen
das nothwendige Gegengewicht für ihre trockene Lebensarbeit.

leute gestellt werden, in der Erziehung der Kinder wider.
Woher soll da eine einheitliche Auffassung, ein gemeinsames
Streben kommen? Und wie wenig erreicht der Einzelne, wie
schwach sind die Versuche auch der Tüchtigen, in althergebrachte
Vorurtheile und Gewohnheiten Bresche zu legen!“

Zugleich wird den deutschen Männern von der deutschen
Frau der Text gelesen.

„Thatsächlich,“ sagt sie, „beurtheilt jeder Mann jede ihm
begegnende Frau als ein tiefer stehendes Geschöpf, welches
keinen Anspruch darauf machen kann, die allgemeinen Jnter-
essen zu theilen oder zu begreifen. Er sieht auf sie herab,
nicht vermöge seiner wirklichen Ueberlegenheit, sondern einfach,
weil er ein Mann ist, weil die starken Fäuste seiner Vorfahren
es ermöglicht haben, die Frau so lange nach jenem Typus zu
modeln, der für seine Bequemlichkeit der vorteilhafteste ist.
Die Suggestion war eine mächtige, sie wirkte fort durch die
Jahrhunderte, verstärkt durch die Zuchtwahl, die jene fügsamen
Naturen, welche die Hand küssen, die sie schlägt, durch die Ehe
vererbt, durch die Vererbung zu Geschlechtscharakteren erhoben
hat. Nirgends ist jene Erscheinung so auffallend wie in Deutsch-
land, dem Lande, welches in zahllosen Wiederholungen Schiller's
„Ehret die Frauen“ im Munde führt und weiter als irgend
ein Culturland davon entfernt ist, jenem Worte nachzuleben…
Nirgends liegt der Fluch der Lächerlichkeit und der Antipathie
so schwer auf der unterrichteten, auf der hervorragenden Frau
wie in Ländern deutscher Zunge. Nur hier konnte eine große
Dichterin das große, aber wahre Wort schreiben: „Jede gescheite
Frau hat eine Million geborener Feinde: die dummen Männer!“
Weil diese Männer seit Jahrhunderten den erfrischenden Quell
weiblicher Geisteseigenthümlichkeiten verstopft haben, fehlt ihnen
das nothwendige Gegengewicht für ihre trockene Lebensarbeit.

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[124/0140] leute gestellt werden, in der Erziehung der Kinder wider. Woher soll da eine einheitliche Auffassung, ein gemeinsames Streben kommen? Und wie wenig erreicht der Einzelne, wie schwach sind die Versuche auch der Tüchtigen, in althergebrachte Vorurtheile und Gewohnheiten Bresche zu legen!“ Zugleich wird den deutschen Männern von der deutschen Frau der Text gelesen. „Thatsächlich,“ sagt sie, „beurtheilt jeder Mann jede ihm begegnende Frau als ein tiefer stehendes Geschöpf, welches keinen Anspruch darauf machen kann, die allgemeinen Jnter- essen zu theilen oder zu begreifen. Er sieht auf sie herab, nicht vermöge seiner wirklichen Ueberlegenheit, sondern einfach, weil er ein Mann ist, weil die starken Fäuste seiner Vorfahren es ermöglicht haben, die Frau so lange nach jenem Typus zu modeln, der für seine Bequemlichkeit der vorteilhafteste ist. Die Suggestion war eine mächtige, sie wirkte fort durch die Jahrhunderte, verstärkt durch die Zuchtwahl, die jene fügsamen Naturen, welche die Hand küssen, die sie schlägt, durch die Ehe vererbt, durch die Vererbung zu Geschlechtscharakteren erhoben hat. Nirgends ist jene Erscheinung so auffallend wie in Deutsch- land, dem Lande, welches in zahllosen Wiederholungen Schiller's „Ehret die Frauen“ im Munde führt und weiter als irgend ein Culturland davon entfernt ist, jenem Worte nachzuleben… Nirgends liegt der Fluch der Lächerlichkeit und der Antipathie so schwer auf der unterrichteten, auf der hervorragenden Frau wie in Ländern deutscher Zunge. Nur hier konnte eine große Dichterin das große, aber wahre Wort schreiben: „Jede gescheite Frau hat eine Million geborener Feinde: die dummen Männer!“ Weil diese Männer seit Jahrhunderten den erfrischenden Quell weiblicher Geisteseigenthümlichkeiten verstopft haben, fehlt ihnen das nothwendige Gegengewicht für ihre trockene Lebensarbeit.

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/140>, abgerufen am 04.12.2024.