zusammengewachsenen Brauen waren dicht an die Augenlider herangezogen.
"Verzeihung, mein gnädiges Fräulein, daß ich so kühn bin, mich zum zweiten Male auf offener Straße Ihnen zu nähern. Nehmen Sie, bitte, heute meine Begleitung an. Ich möchte Sie -- ich fühle das Bedürfniß -- Sie erinnern sich der kleinen ... der kleinen Scene, die sich neulich Abend zwischen uns abspielte -- -- vergeben Sie mir meine eigentlich unverzeihliche Dreistigkeit -- ja? .."
Die ersten Worte dieser Ansprache an das Opfer seiner neulich bei Herrn Traugott Quöck impro- visirten Liebeserklärung waren Adam sehr glatt und sicher abgeflossen. Dann hatte sich die Stimme doch ein Wenig eingeklemmt, war ein Wenig leiser, stockender geworden, war gleichsam gestolpert und hatte erst am Schluß wieder mühelose Beweglichkeit und die intime Färbung der Aufrichtigkeit ge- wonnen.
Hedwig schwieg. Die beiden gingen eine kleine Weile schweigend neben einander. Oefter sah Adam Hedwig von der Seite an, fragend, bittend, doch zugleich auch merkwürdig amüsirt -- und dadurch ganz tüchtig ironisch gestimmt.
"Fräulein Hedwig -- haben Sie kein Wort für mich --?"
"Mein Herr --!"
"Hedwig --!"
Das klang bestimmt, dringend, entrüstet, aber auch flehend, ein ehrliches Betrübtsein verrathend.
zuſammengewachſenen Brauen waren dicht an die Augenlider herangezogen.
„Verzeihung, mein gnädiges Fräulein, daß ich ſo kühn bin, mich zum zweiten Male auf offener Straße Ihnen zu nähern. Nehmen Sie, bitte, heute meine Begleitung an. Ich möchte Sie — ich fühle das Bedürfniß — Sie erinnern ſich der kleinen ... der kleinen Scene, die ſich neulich Abend zwiſchen uns abſpielte — — vergeben Sie mir meine eigentlich unverzeihliche Dreiſtigkeit — ja? ..“
Die erſten Worte dieſer Anſprache an das Opfer ſeiner neulich bei Herrn Traugott Quöck impro- viſirten Liebeserklärung waren Adam ſehr glatt und ſicher abgefloſſen. Dann hatte ſich die Stimme doch ein Wenig eingeklemmt, war ein Wenig leiſer, ſtockender geworden, war gleichſam geſtolpert und hatte erſt am Schluß wieder müheloſe Beweglichkeit und die intime Färbung der Aufrichtigkeit ge- wonnen.
Hedwig ſchwieg. Die beiden gingen eine kleine Weile ſchweigend neben einander. Oefter ſah Adam Hedwig von der Seite an, fragend, bittend, doch zugleich auch merkwürdig amüſirt — und dadurch ganz tüchtig ironiſch geſtimmt.
„Fräulein Hedwig — haben Sie kein Wort für mich —?“
„Mein Herr —!“
„Hedwig —!“
Das klang beſtimmt, dringend, entrüſtet, aber auch flehend, ein ehrliches Betrübtſein verrathend.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="92"/>
zuſammengewachſenen Brauen waren dicht an die<lb/>
Augenlider herangezogen.</p><lb/><p>„Verzeihung, mein gnädiges Fräulein, daß ich<lb/>ſo kühn bin, mich zum zweiten Male auf offener<lb/>
Straße Ihnen zu nähern. Nehmen Sie, bitte, heute<lb/>
meine Begleitung an. Ich möchte Sie — ich fühle<lb/>
das Bedürfniß — Sie erinnern ſich der kleinen ...<lb/>
der kleinen Scene, die ſich neulich Abend zwiſchen<lb/>
uns abſpielte —— vergeben Sie mir meine<lb/>
eigentlich unverzeihliche Dreiſtigkeit — ja? ..“</p><lb/><p>Die erſten Worte dieſer Anſprache an das Opfer<lb/>ſeiner neulich bei Herrn Traugott Quöck impro-<lb/>
viſirten Liebeserklärung waren Adam ſehr glatt<lb/>
und ſicher abgefloſſen. Dann hatte ſich die Stimme<lb/>
doch ein Wenig eingeklemmt, war ein Wenig leiſer,<lb/>ſtockender geworden, war gleichſam geſtolpert und<lb/>
hatte erſt am Schluß wieder müheloſe Beweglichkeit<lb/>
und die intime Färbung der Aufrichtigkeit ge-<lb/>
wonnen.</p><lb/><p>Hedwig ſchwieg. Die beiden gingen eine kleine<lb/>
Weile ſchweigend neben einander. Oefter ſah Adam<lb/>
Hedwig von der Seite an, fragend, bittend, doch<lb/>
zugleich auch merkwürdig amüſirt — und dadurch<lb/>
ganz tüchtig ironiſch geſtimmt.</p><lb/><p>„Fräulein Hedwig — haben Sie <hirendition="#g">kein</hi> Wort<lb/>
für mich —?“</p><lb/><p>„Mein Herr —!“</p><lb/><p>„Hedwig —!“</p><lb/><p>Das klang beſtimmt, dringend, entrüſtet, aber<lb/>
auch flehend, ein ehrliches Betrübtſein verrathend.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[92/0100]
zuſammengewachſenen Brauen waren dicht an die
Augenlider herangezogen.
„Verzeihung, mein gnädiges Fräulein, daß ich
ſo kühn bin, mich zum zweiten Male auf offener
Straße Ihnen zu nähern. Nehmen Sie, bitte, heute
meine Begleitung an. Ich möchte Sie — ich fühle
das Bedürfniß — Sie erinnern ſich der kleinen ...
der kleinen Scene, die ſich neulich Abend zwiſchen
uns abſpielte — — vergeben Sie mir meine
eigentlich unverzeihliche Dreiſtigkeit — ja? ..“
Die erſten Worte dieſer Anſprache an das Opfer
ſeiner neulich bei Herrn Traugott Quöck impro-
viſirten Liebeserklärung waren Adam ſehr glatt
und ſicher abgefloſſen. Dann hatte ſich die Stimme
doch ein Wenig eingeklemmt, war ein Wenig leiſer,
ſtockender geworden, war gleichſam geſtolpert und
hatte erſt am Schluß wieder müheloſe Beweglichkeit
und die intime Färbung der Aufrichtigkeit ge-
wonnen.
Hedwig ſchwieg. Die beiden gingen eine kleine
Weile ſchweigend neben einander. Oefter ſah Adam
Hedwig von der Seite an, fragend, bittend, doch
zugleich auch merkwürdig amüſirt — und dadurch
ganz tüchtig ironiſch geſtimmt.
„Fräulein Hedwig — haben Sie kein Wort
für mich —?“
„Mein Herr —!“
„Hedwig —!“
Das klang beſtimmt, dringend, entrüſtet, aber
auch flehend, ein ehrliches Betrübtſein verrathend.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/100>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.