Lydias Wohl! Es lebe der Leichtsinn und seine ehrenwerthe Amme --: die Allerweltsgleichgültig- keit! ..
Adam sah nach der Uhr. Es war kurz nach Eins. So hatte er sich doch fast eine Stunde in der Stadt herumgetrieben. Und was hatte er von der endlosen Conversation mit seinem höchsteigenen Ich profitirt? Er hatte sich eine Reihe tödtlich lang- weiliger Thatsachen vorerzählt und war schließlich zu keinem Resultate gekommen. Nun! das war ihm schon öfter passirt. Darüber brauchte er sich nicht mehr zu ärgern. Schließlich würde er ja schon handeln, wie er mußte -- wie er gezwungen sein würde. Und das ließ sich abwarten .. bequem abwarten.
Adam orientirte sich. Er bemerkte, daß er aus der stillen, vornehmen Gegend, in der Frau Lange wohnte, unwillkürlich in die Mitte der Stadt seinen Weg genommen. Da konnte es ja bis zum Wiener Cafe nicht mehr weit sein. Nach einigen Minuten hatte Adam sein Ziel erreicht. Er trat ein. Es war sehr schwül, dunstig in dem großen, hellerleuch- teten, vollbesetzten Raume. Die Gerüche von Kuchen, Kaffee, Cigaretten, Billardkreide, Menschenschweiß schwammen in der dicken, schweren, von schwarzblauen Rauchschwaden und Dunstpolstern durchlagerten Luft. Dazu ein wirres, gesetzloses, unregelmäßiges Gesumme und Gebrause von Menschenstimmen .. die Musik an- einandergeschlagener Tassen ... das schrille Klappern der Löffel .. das kalkige Rollen der Billardbälle ...
Lydias Wohl! Es lebe der Leichtſinn und ſeine ehrenwerthe Amme —: die Allerweltsgleichgültig- keit! ..
Adam ſah nach der Uhr. Es war kurz nach Eins. So hatte er ſich doch faſt eine Stunde in der Stadt herumgetrieben. Und was hatte er von der endloſen Converſation mit ſeinem höchſteigenen Ich profitirt? Er hatte ſich eine Reihe tödtlich lang- weiliger Thatſachen vorerzählt und war ſchließlich zu keinem Reſultate gekommen. Nun! das war ihm ſchon öfter paſſirt. Darüber brauchte er ſich nicht mehr zu ärgern. Schließlich würde er ja ſchon handeln, wie er mußte — wie er gezwungen ſein würde. Und das ließ ſich abwarten .. bequem abwarten.
Adam orientirte ſich. Er bemerkte, daß er aus der ſtillen, vornehmen Gegend, in der Frau Lange wohnte, unwillkürlich in die Mitte der Stadt ſeinen Weg genommen. Da konnte es ja bis zum Wiener Café nicht mehr weit ſein. Nach einigen Minuten hatte Adam ſein Ziel erreicht. Er trat ein. Es war ſehr ſchwül, dunſtig in dem großen, hellerleuch- teten, vollbeſetzten Raume. Die Gerüche von Kuchen, Kaffee, Cigaretten, Billardkreide, Menſchenſchweiß ſchwammen in der dicken, ſchweren, von ſchwarzblauen Rauchſchwaden und Dunſtpolſtern durchlagerten Luft. Dazu ein wirres, geſetzloſes, unregelmäßiges Geſumme und Gebrauſe von Menſchenſtimmen .. die Muſik an- einandergeſchlagener Taſſen ... das ſchrille Klappern der Löffel .. das kalkige Rollen der Billardbälle ...
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Lydias Wohl! Es lebe der Leichtſinn und ſeine
ehrenwerthe Amme —: die Allerweltsgleichgültig-
keit! ..
Adam ſah nach der Uhr. Es war kurz nach
Eins. So hatte er ſich doch faſt eine Stunde in
der Stadt herumgetrieben. Und was hatte er von
der endloſen Converſation mit ſeinem höchſteigenen
Ich profitirt? Er hatte ſich eine Reihe tödtlich lang-
weiliger Thatſachen vorerzählt und war ſchließlich
zu keinem Reſultate gekommen. Nun! das war
ihm ſchon öfter paſſirt. Darüber brauchte er ſich
nicht mehr zu ärgern. Schließlich würde er ja
ſchon handeln, wie er mußte — wie er gezwungen
ſein würde. Und das ließ ſich abwarten .. bequem
abwarten.
Adam orientirte ſich. Er bemerkte, daß er aus
der ſtillen, vornehmen Gegend, in der Frau Lange
wohnte, unwillkürlich in die Mitte der Stadt ſeinen
Weg genommen. Da konnte es ja bis zum Wiener
Café nicht mehr weit ſein. Nach einigen Minuten
hatte Adam ſein Ziel erreicht. Er trat ein. Es
war ſehr ſchwül, dunſtig in dem großen, hellerleuch-
teten, vollbeſetzten Raume. Die Gerüche von Kuchen,
Kaffee, Cigaretten, Billardkreide, Menſchenſchweiß
ſchwammen in der dicken, ſchweren, von ſchwarzblauen
Rauchſchwaden und Dunſtpolſtern durchlagerten Luft.
Dazu ein wirres, geſetzloſes, unregelmäßiges Geſumme
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/174>, abgerufen am 11.12.2024.
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