Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

fast gegen seinen Willen, weiterentwickelte und fort-
bildete ... Zugleich verstand er es aber auch, eben
als vorzüglich geschulter Gourmand, jene Scheu vor
dem klaren Wissen um seinen Besitz als ein neues,
pikantes Reizmoment in den Kreis seiner geistigen
Lust zu ziehen. --

Eines Tages war Adam wieder einmal von
Emmy um die Mittagsstunde abgeholt worden. Sie
pflegten dann zusammen zu speisen .. aus Pietät und
Anhänglichkeit in jenem Cafe, in dem sie sich kennen
gelernt, eine Tasse Melange zu trinken .. und
nachher eine Weile zu promeniren. Sie tändelten
und plauderten mit einander ... sie erzählten sich
Dies und Das .. sie langweilten sich fast ... und
waren doch eigenthümlich angeregt, wenn auch sanft
nur und verhalten. Ab und zu ließ Adam, mehr zu-
fällig denn absichtlich, ein ernsteres Wort fallen, das
Emmy mit drolliger Gewichtigkeit aufnahm und
manchmal zum selbständigen Gesprächsmotiv zu machen
versuchte. Adam verstand das kleine Weib und
mußte lächeln. O! Emmy wußte die Ehre zu
schätzen .. die Ehre, mit Herrn Doctor Mensch
verkehren zu dürfen. Sie war nicht unbeanlagt
und gewiß geistig nicht ganz bedürfnißlos. Oefter
schon hatte sie Adam, halb im Ernste, halb im
willkommenen Spaße, den Vorwurf gemacht, daß er
sie zu geringschätzig behandelte .. zu sehr die
Geliebte .. zu wenig den Menschen in ihr sähe.
Aber war sie denn im Stande, den Untergrund
seines Gedankenlebens aufzuwühlen? Wenn sie zu

12*

faſt gegen ſeinen Willen, weiterentwickelte und fort-
bildete ... Zugleich verſtand er es aber auch, eben
als vorzüglich geſchulter Gourmand, jene Scheu vor
dem klaren Wiſſen um ſeinen Beſitz als ein neues,
pikantes Reizmoment in den Kreis ſeiner geiſtigen
Luſt zu ziehen. —

Eines Tages war Adam wieder einmal von
Emmy um die Mittagsſtunde abgeholt worden. Sie
pflegten dann zuſammen zu ſpeiſen .. aus Pietät und
Anhänglichkeit in jenem Café, in dem ſie ſich kennen
gelernt, eine Taſſe Melange zu trinken .. und
nachher eine Weile zu promeniren. Sie tändelten
und plauderten mit einander ... ſie erzählten ſich
Dies und Das .. ſie langweilten ſich faſt ... und
waren doch eigenthümlich angeregt, wenn auch ſanft
nur und verhalten. Ab und zu ließ Adam, mehr zu-
fällig denn abſichtlich, ein ernſteres Wort fallen, das
Emmy mit drolliger Gewichtigkeit aufnahm und
manchmal zum ſelbſtändigen Geſprächsmotiv zu machen
verſuchte. Adam verſtand das kleine Weib und
mußte lächeln. O! Emmy wußte die Ehre zu
ſchätzen .. die Ehre, mit Herrn Doctor Menſch
verkehren zu dürfen. Sie war nicht unbeanlagt
und gewiß geiſtig nicht ganz bedürfnißlos. Oefter
ſchon hatte ſie Adam, halb im Ernſte, halb im
willkommenen Spaße, den Vorwurf gemacht, daß er
ſie zu geringſchätzig behandelte .. zu ſehr die
Geliebte .. zu wenig den Menſchen in ihr ſähe.
Aber war ſie denn im Stande, den Untergrund
ſeines Gedankenlebens aufzuwühlen? Wenn ſie zu

12*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="179"/>
fa&#x017F;t gegen &#x017F;einen Willen, weiterentwickelte und fort-<lb/>
bildete ... Zugleich ver&#x017F;tand er es aber auch, eben<lb/>
als vorzüglich ge&#x017F;chulter Gourmand, jene Scheu vor<lb/>
dem <hi rendition="#g">klaren</hi> Wi&#x017F;&#x017F;en um &#x017F;einen Be&#x017F;itz als ein neues,<lb/>
pikantes Reizmoment in den Kreis &#x017F;einer gei&#x017F;tigen<lb/>
Lu&#x017F;t zu ziehen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Eines Tages war Adam wieder einmal von<lb/>
Emmy um die Mittags&#x017F;tunde abgeholt worden. Sie<lb/>
pflegten dann zu&#x017F;ammen zu &#x017F;pei&#x017F;en .. aus Pietät und<lb/>
Anhänglichkeit in jenem Café, in dem &#x017F;ie &#x017F;ich kennen<lb/>
gelernt, eine Ta&#x017F;&#x017F;e Melange zu trinken .. und<lb/>
nachher eine Weile zu promeniren. Sie tändelten<lb/>
und plauderten mit einander ... &#x017F;ie erzählten &#x017F;ich<lb/>
Dies und Das .. &#x017F;ie langweilten &#x017F;ich fa&#x017F;t ... und<lb/>
waren doch eigenthümlich angeregt, wenn auch &#x017F;anft<lb/>
nur und verhalten. Ab und zu ließ Adam, mehr zu-<lb/>
fällig denn ab&#x017F;ichtlich, ein ern&#x017F;teres Wort fallen, das<lb/>
Emmy mit drolliger Gewichtigkeit aufnahm und<lb/>
manchmal zum &#x017F;elb&#x017F;tändigen Ge&#x017F;prächsmotiv zu machen<lb/>
ver&#x017F;uchte. Adam ver&#x017F;tand das kleine Weib und<lb/>
mußte lächeln. O! Emmy wußte die Ehre zu<lb/>
&#x017F;chätzen .. die Ehre, mit Herrn Doctor Men&#x017F;ch<lb/>
verkehren zu dürfen. Sie war nicht unbeanlagt<lb/>
und gewiß gei&#x017F;tig nicht ganz bedürfnißlos. Oefter<lb/>
&#x017F;chon hatte &#x017F;ie Adam, halb im Ern&#x017F;te, halb im<lb/>
willkommenen Spaße, den Vorwurf gemacht, daß er<lb/>
&#x017F;ie zu gering&#x017F;chätzig behandelte .. zu &#x017F;ehr die<lb/>
Geliebte .. zu wenig den Men&#x017F;chen in ihr &#x017F;ähe.<lb/>
Aber war &#x017F;ie denn im Stande, den Untergrund<lb/>
&#x017F;eines Gedankenlebens aufzuwühlen? Wenn &#x017F;ie zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0187] faſt gegen ſeinen Willen, weiterentwickelte und fort- bildete ... Zugleich verſtand er es aber auch, eben als vorzüglich geſchulter Gourmand, jene Scheu vor dem klaren Wiſſen um ſeinen Beſitz als ein neues, pikantes Reizmoment in den Kreis ſeiner geiſtigen Luſt zu ziehen. — Eines Tages war Adam wieder einmal von Emmy um die Mittagsſtunde abgeholt worden. Sie pflegten dann zuſammen zu ſpeiſen .. aus Pietät und Anhänglichkeit in jenem Café, in dem ſie ſich kennen gelernt, eine Taſſe Melange zu trinken .. und nachher eine Weile zu promeniren. Sie tändelten und plauderten mit einander ... ſie erzählten ſich Dies und Das .. ſie langweilten ſich faſt ... und waren doch eigenthümlich angeregt, wenn auch ſanft nur und verhalten. Ab und zu ließ Adam, mehr zu- fällig denn abſichtlich, ein ernſteres Wort fallen, das Emmy mit drolliger Gewichtigkeit aufnahm und manchmal zum ſelbſtändigen Geſprächsmotiv zu machen verſuchte. Adam verſtand das kleine Weib und mußte lächeln. O! Emmy wußte die Ehre zu ſchätzen .. die Ehre, mit Herrn Doctor Menſch verkehren zu dürfen. Sie war nicht unbeanlagt und gewiß geiſtig nicht ganz bedürfnißlos. Oefter ſchon hatte ſie Adam, halb im Ernſte, halb im willkommenen Spaße, den Vorwurf gemacht, daß er ſie zu geringſchätzig behandelte .. zu ſehr die Geliebte .. zu wenig den Menſchen in ihr ſähe. Aber war ſie denn im Stande, den Untergrund ſeines Gedankenlebens aufzuwühlen? Wenn ſie zu 12*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/187
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/187>, abgerufen am 04.12.2024.