besiegen. Denn ich habe Dich nicht minder liebge- wonnen, Adam. Zuerst -- ja! -- da hast Du mich abgestoßen ... Du hast doch öfter mein Fein- gefühl sehr beleidigt. Trotzdem habe ich mich seit jenem Abend bei Quöck stärker und tiefer für Dich interessiren müssen. Ich ahnte zuerst ... und nachher wurde es mir immer klarer, daß wir manches Gemeinsame besäßen. Eine unglückliche Natur bist Du ... wie ich es bin. Ich kann Dir in Vielem sehr gut und sehr fein nachfühlen, Adam. Ich verstehe Dich vielleicht besser, als Du Dich selbst verstehst -- jedenfalls ebenso gut. Nur hätte ich tapferer Dir gegenüber sein sollen. Ich hätte Dich um jeden Preis abweisen müssen, Dein Werben und Betheuern nur für das nehmen sollen, was es in Wirk- lichkeit allein ist: ein Produkt Deiner Stimmung, die morgen wieder eine ganz andere sein kann -- ja! -- sicher eine ganz andere ist, als sie es heute gewesen. Nein! Bitte, lieber Adam! unter- brich mich jetzt nicht -- laß mich einmal ausreden. Aber ich habe doch nicht widerstehen können. Das Jahrelang verleugnete Weib in mir konnte sich nicht länger verleugnen. Ich fühlte noch zu heftige Jugendbedürfnisse in mir ... und fühle sie noch. Du kannst jetzt mit mir machen, was Du willst, Adam. Ich sage Dir das ganz offen. Und nicht etwa, um Dich um Schonung zu bitten. Mein Schicksal liegt in Deiner Hand. Ach! Das un- natürlich Niedergezwungene sprengt ja mit einem Rucke seine Ketten, wenn man sie ihm nur ein
beſiegen. Denn ich habe Dich nicht minder liebge- wonnen, Adam. Zuerſt — ja! — da haſt Du mich abgeſtoßen ... Du haſt doch öfter mein Fein- gefühl ſehr beleidigt. Trotzdem habe ich mich ſeit jenem Abend bei Quöck ſtärker und tiefer für Dich intereſſiren müſſen. Ich ahnte zuerſt ... und nachher wurde es mir immer klarer, daß wir manches Gemeinſame beſäßen. Eine unglückliche Natur biſt Du ... wie ich es bin. Ich kann Dir in Vielem ſehr gut und ſehr fein nachfühlen, Adam. Ich verſtehe Dich vielleicht beſſer, als Du Dich ſelbſt verſtehſt — jedenfalls ebenſo gut. Nur hätte ich tapferer Dir gegenüber ſein ſollen. Ich hätte Dich um jeden Preis abweiſen müſſen, Dein Werben und Betheuern nur für das nehmen ſollen, was es in Wirk- lichkeit allein iſt: ein Produkt Deiner Stimmung, die morgen wieder eine ganz andere ſein kann — ja! — ſicher eine ganz andere iſt, als ſie es heute geweſen. Nein! Bitte, lieber Adam! unter- brich mich jetzt nicht — laß mich einmal ausreden. Aber ich habe doch nicht widerſtehen können. Das Jahrelang verleugnete Weib in mir konnte ſich nicht länger verleugnen. Ich fühlte noch zu heftige Jugendbedürfniſſe in mir ... und fühle ſie noch. Du kannſt jetzt mit mir machen, was Du willſt, Adam. Ich ſage Dir das ganz offen. Und nicht etwa, um Dich um Schonung zu bitten. Mein Schickſal liegt in Deiner Hand. Ach! Das un- natürlich Niedergezwungene ſprengt ja mit einem Rucke ſeine Ketten, wenn man ſie ihm nur ein
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beſiegen. Denn ich habe Dich nicht minder liebge-
wonnen, Adam. Zuerſt — ja! — da haſt Du
mich abgeſtoßen ... Du haſt doch öfter mein Fein-
gefühl ſehr beleidigt. Trotzdem habe ich mich ſeit
jenem Abend bei Quöck ſtärker und tiefer für Dich
intereſſiren müſſen. Ich ahnte zuerſt ... und
nachher wurde es mir immer klarer, daß wir
manches Gemeinſame beſäßen. Eine unglückliche
Natur biſt Du ... wie ich es bin. Ich kann Dir
in Vielem ſehr gut und ſehr fein nachfühlen, Adam.
Ich verſtehe Dich vielleicht beſſer, als Du Dich ſelbſt
verſtehſt — jedenfalls ebenſo gut. Nur hätte ich
tapferer Dir gegenüber ſein ſollen. Ich hätte Dich
um jeden Preis abweiſen müſſen, Dein Werben und
Betheuern nur für das nehmen ſollen, was es in Wirk-
lichkeit allein iſt: ein Produkt Deiner Stimmung,
die morgen wieder eine ganz andere ſein kann —
ja! — ſicher eine ganz andere iſt, als ſie es
heute geweſen. Nein! Bitte, lieber Adam! unter-
brich mich jetzt nicht — laß mich einmal ausreden.
Aber ich habe doch nicht widerſtehen können. Das
Jahrelang verleugnete Weib in mir konnte ſich
nicht länger verleugnen. Ich fühlte noch zu heftige
Jugendbedürfniſſe in mir ... und fühle ſie noch.
Du kannſt jetzt mit mir machen, was Du willſt,
Adam. Ich ſage Dir das ganz offen. Und nicht
etwa, um Dich um Schonung zu bitten. Mein
Schickſal liegt in Deiner Hand. Ach! Das un-
natürlich Niedergezwungene ſprengt ja mit einem
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/250>, abgerufen am 27.11.2024.
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