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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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unter. Ohne diese stärkste Waffe im Leben ver-
blutest Du vor der Zeit. Nun sieh: wir beide --
Du und ich -- und ich mittellos, wie Du -- wir
beide mit unseren müden Herzen und müden Sinnen
.. mit unseren feineren, aristokratischen, differen-
zirten Naturen -- wir sollten uns nun ordinär
wie zwei gewöhnliche Arbeiter ums tägliche Brot
abplagen, damit wir überhaupt nur leben könnten?
Es ist zu viel Schatten um mich, Adam -- zu viel.
Gar keine Sonne -- gar keine. Der Kampf würde
uns aufreiben .. würde uns mit seinen Faustschlägen
und Nadelstichen zu Tode martern. Und dann: ich
kann meinen armen, hülflosen Vater auch nicht ver-
lassen. Ich bin gebunden. Verkehren -- ja! vielleicht
können wir in Zukunft öfter ... und intimer mit
einander verkehren -- und es ergiebt sich vielleicht
auch manches Gute aus diesem zeitweiligen Verkehr.
Und das Letzte, Adam -- der letzte und schwerste
und triftigste -- wenigstens vor der Welt triftigste
Grund, warum ich Dir nicht angehören kann: ich
bin nicht die mehr, für die Du mich wohl bisher
gehalten hast -- ich habe -- o Gott! -- ich habe
auch schon eine -- Vergangenheit ..."

Adam hatte die Auseinandersetzung Hedwigs
schweigend angehört. Er hatte sie einige Male
unterbrechen wollen, auf ihre Bitten aber immer
wieder an sich gehalten. Ja! Gewiß! Sie hatte
in Vielem .. wohl schließlich in Allem Recht -- er
mußte ihr beistimmen, wenn er ehrlich gegen sie und
gegen sich selber sein wollte. Nur -- nur mit der

unter. Ohne dieſe ſtärkſte Waffe im Leben ver-
bluteſt Du vor der Zeit. Nun ſieh: wir beide —
Du und ich — und ich mittellos, wie Du — wir
beide mit unſeren müden Herzen und müden Sinnen
.. mit unſeren feineren, ariſtokratiſchen, differen-
zirten Naturen — wir ſollten uns nun ordinär
wie zwei gewöhnliche Arbeiter ums tägliche Brot
abplagen, damit wir überhaupt nur leben könnten?
Es iſt zu viel Schatten um mich, Adam — zu viel.
Gar keine Sonne — gar keine. Der Kampf würde
uns aufreiben .. würde uns mit ſeinen Fauſtſchlägen
und Nadelſtichen zu Tode martern. Und dann: ich
kann meinen armen, hülfloſen Vater auch nicht ver-
laſſen. Ich bin gebunden. Verkehren — ja! vielleicht
können wir in Zukunft öfter ... und intimer mit
einander verkehren — und es ergiebt ſich vielleicht
auch manches Gute aus dieſem zeitweiligen Verkehr.
Und das Letzte, Adam — der letzte und ſchwerſte
und triftigſte — wenigſtens vor der Welt triftigſte
Grund, warum ich Dir nicht angehören kann: ich
bin nicht die mehr, für die Du mich wohl bisher
gehalten haſt — ich habe — o Gott! — ich habe
auch ſchon eine — Vergangenheit ...“

Adam hatte die Auseinanderſetzung Hedwigs
ſchweigend angehört. Er hatte ſie einige Male
unterbrechen wollen, auf ihre Bitten aber immer
wieder an ſich gehalten. Ja! Gewiß! Sie hatte
in Vielem .. wohl ſchließlich in Allem Recht — er
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[245/0253] unter. Ohne dieſe ſtärkſte Waffe im Leben ver- bluteſt Du vor der Zeit. Nun ſieh: wir beide — Du und ich — und ich mittellos, wie Du — wir beide mit unſeren müden Herzen und müden Sinnen .. mit unſeren feineren, ariſtokratiſchen, differen- zirten Naturen — wir ſollten uns nun ordinär wie zwei gewöhnliche Arbeiter ums tägliche Brot abplagen, damit wir überhaupt nur leben könnten? Es iſt zu viel Schatten um mich, Adam — zu viel. Gar keine Sonne — gar keine. Der Kampf würde uns aufreiben .. würde uns mit ſeinen Fauſtſchlägen und Nadelſtichen zu Tode martern. Und dann: ich kann meinen armen, hülfloſen Vater auch nicht ver- laſſen. Ich bin gebunden. Verkehren — ja! vielleicht können wir in Zukunft öfter ... und intimer mit einander verkehren — und es ergiebt ſich vielleicht auch manches Gute aus dieſem zeitweiligen Verkehr. Und das Letzte, Adam — der letzte und ſchwerſte und triftigſte — wenigſtens vor der Welt triftigſte Grund, warum ich Dir nicht angehören kann: ich bin nicht die mehr, für die Du mich wohl bisher gehalten haſt — ich habe — o Gott! — ich habe auch ſchon eine — Vergangenheit ...“ Adam hatte die Auseinanderſetzung Hedwigs ſchweigend angehört. Er hatte ſie einige Male unterbrechen wollen, auf ihre Bitten aber immer wieder an ſich gehalten. Ja! Gewiß! Sie hatte in Vielem .. wohl ſchließlich in Allem Recht — er mußte ihr beiſtimmen, wenn er ehrlich gegen ſie und gegen ſich ſelber ſein wollte. Nur — nur mit der

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/253>, abgerufen am 27.11.2024.