Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

der seine sublim vibrende Natur bis dahin nur gespielt;
über die sie nur gespöttelt; die sie nur sehr aus der Ent-
fernung herausgefordert hatte. Das war recht fatal.
Aber andrerseits war es doch unmöglich, daß er jetzt
plötzlich zurückhakte, andere Saiten aufzog und seinem
liebenswürdigen, willfährigen Schwiegerpapa in aus-
führlicher Rede zu Gemüthe führte, daß es für beide
Parteien wahrlich am Besten wäre, wenn er auf die
Ehre, eben sein Schwiegerpapa zu werden, verzich-
tete -- nicht? das war doch ganz unmöglich! Adam
wurde dem alten, hülflosen, gebrochenen Manne ernst-
lich gram. Er schalt ihn den ärgsten Egoisten von
der Welt. Denn wenn er nicht immer nur an sich und
seine eigenen Schmerzen dachte, mußte er doch einsehen,
daß eine Ehe .. und selbst nur eine auf längere Dauer
gemünzte "wilde Ehe" .. zwischen seiner Tochter
und diesem unzuverlässigen Weltkinde nach Allem,
was dieses Weltkind mit naiver Offenheit über sich
ausgeplaudert und verrathen hatte -- wenn nicht eine
direkte Unmöglichkeit, so doch mindestens eine Ver-
rücktheit erster Güte sein würde ... ein Stückchen
unglaublich geschickt inscenirter Unnatur! Aber das
begriff der Mann nicht .. und Adam besaß nicht
den Muth, es ihm klarzumachen. So blieb ihm
vorläufig nichts weiter übrig, als in den sauern
Hering zu beißen, der ja eine ganz vortreffliche
Katerspeise abgeben soll. Aber vielleicht wollte und
wußte das "Schicksal" doch noch eine andere Lösung
dieses pikanten Problems. Es galt sich in Geduld
zu fassen .. und zunächst in der Maske des be-

der ſeine ſublim vibrende Natur bis dahin nur geſpielt;
über die ſie nur geſpöttelt; die ſie nur ſehr aus der Ent-
fernung herausgefordert hatte. Das war recht fatal.
Aber andrerſeits war es doch unmöglich, daß er jetzt
plötzlich zurückhakte, andere Saiten aufzog und ſeinem
liebenswürdigen, willfährigen Schwiegerpapa in aus-
führlicher Rede zu Gemüthe führte, daß es für beide
Parteien wahrlich am Beſten wäre, wenn er auf die
Ehre, eben ſein Schwiegerpapa zu werden, verzich-
tete — nicht? das war doch ganz unmöglich! Adam
wurde dem alten, hülfloſen, gebrochenen Manne ernſt-
lich gram. Er ſchalt ihn den ärgſten Egoiſten von
der Welt. Denn wenn er nicht immer nur an ſich und
ſeine eigenen Schmerzen dachte, mußte er doch einſehen,
daß eine Ehe .. und ſelbſt nur eine auf längere Dauer
gemünzte „wilde Ehe“ .. zwiſchen ſeiner Tochter
und dieſem unzuverläſſigen Weltkinde nach Allem,
was dieſes Weltkind mit naiver Offenheit über ſich
ausgeplaudert und verrathen hatte — wenn nicht eine
direkte Unmöglichkeit, ſo doch mindeſtens eine Ver-
rücktheit erſter Güte ſein würde ... ein Stückchen
unglaublich geſchickt inſcenirter Unnatur! Aber das
begriff der Mann nicht .. und Adam beſaß nicht
den Muth, es ihm klarzumachen. So blieb ihm
vorläufig nichts weiter übrig, als in den ſauern
Hering zu beißen, der ja eine ganz vortreffliche
Katerſpeiſe abgeben ſoll. Aber vielleicht wollte und
wußte das „Schickſal“ doch noch eine andere Löſung
dieſes pikanten Problems. Es galt ſich in Geduld
zu faſſen .. und zunächſt in der Maske des be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0344" n="336"/>
der &#x017F;eine &#x017F;ublim vibrende Natur bis dahin nur ge&#x017F;pielt;<lb/>
über die &#x017F;ie nur ge&#x017F;pöttelt; die &#x017F;ie nur &#x017F;ehr aus der Ent-<lb/>
fernung herausgefordert hatte. Das war recht fatal.<lb/>
Aber andrer&#x017F;eits war es doch unmöglich, daß er jetzt<lb/>
plötzlich zurückhakte, andere Saiten aufzog und &#x017F;einem<lb/>
liebenswürdigen, willfährigen Schwiegerpapa in aus-<lb/>
führlicher Rede zu Gemüthe führte, daß es für beide<lb/>
Parteien wahrlich am Be&#x017F;ten wäre, wenn er auf die<lb/>
Ehre, eben &#x017F;ein Schwiegerpapa zu werden, verzich-<lb/>
tete &#x2014; nicht? das war doch ganz unmöglich! Adam<lb/>
wurde dem alten, hülflo&#x017F;en, gebrochenen Manne ern&#x017F;t-<lb/>
lich gram. Er &#x017F;chalt ihn den ärg&#x017F;ten Egoi&#x017F;ten von<lb/>
der Welt. Denn wenn er nicht immer nur an &#x017F;ich und<lb/>
&#x017F;eine eigenen Schmerzen dachte, mußte er doch ein&#x017F;ehen,<lb/>
daß eine Ehe .. und &#x017F;elb&#x017F;t nur eine auf längere Dauer<lb/>
gemünzte &#x201E;wilde Ehe&#x201C; .. zwi&#x017F;chen &#x017F;einer Tochter<lb/>
und die&#x017F;em unzuverlä&#x017F;&#x017F;igen Weltkinde nach Allem,<lb/>
was die&#x017F;es Weltkind mit naiver Offenheit über &#x017F;ich<lb/>
ausgeplaudert und verrathen hatte &#x2014; wenn nicht eine<lb/>
direkte Unmöglichkeit, &#x017F;o doch minde&#x017F;tens eine Ver-<lb/>
rücktheit er&#x017F;ter Güte &#x017F;ein würde ... ein Stückchen<lb/>
unglaublich ge&#x017F;chickt in&#x017F;cenirter Unnatur! Aber das<lb/>
begriff der Mann nicht .. und Adam be&#x017F;aß nicht<lb/>
den Muth, es ihm klarzumachen. So blieb ihm<lb/>
vorläufig nichts weiter übrig, als in den &#x017F;auern<lb/>
Hering zu beißen, der ja eine ganz vortreffliche<lb/>
Kater&#x017F;pei&#x017F;e abgeben &#x017F;oll. Aber vielleicht wollte und<lb/>
wußte das &#x201E;Schick&#x017F;al&#x201C; doch noch eine andere Lö&#x017F;ung<lb/>
die&#x017F;es pikanten Problems. Es galt &#x017F;ich in Geduld<lb/>
zu fa&#x017F;&#x017F;en .. und zunäch&#x017F;t in der Maske des be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0344] der ſeine ſublim vibrende Natur bis dahin nur geſpielt; über die ſie nur geſpöttelt; die ſie nur ſehr aus der Ent- fernung herausgefordert hatte. Das war recht fatal. Aber andrerſeits war es doch unmöglich, daß er jetzt plötzlich zurückhakte, andere Saiten aufzog und ſeinem liebenswürdigen, willfährigen Schwiegerpapa in aus- führlicher Rede zu Gemüthe führte, daß es für beide Parteien wahrlich am Beſten wäre, wenn er auf die Ehre, eben ſein Schwiegerpapa zu werden, verzich- tete — nicht? das war doch ganz unmöglich! Adam wurde dem alten, hülfloſen, gebrochenen Manne ernſt- lich gram. Er ſchalt ihn den ärgſten Egoiſten von der Welt. Denn wenn er nicht immer nur an ſich und ſeine eigenen Schmerzen dachte, mußte er doch einſehen, daß eine Ehe .. und ſelbſt nur eine auf längere Dauer gemünzte „wilde Ehe“ .. zwiſchen ſeiner Tochter und dieſem unzuverläſſigen Weltkinde nach Allem, was dieſes Weltkind mit naiver Offenheit über ſich ausgeplaudert und verrathen hatte — wenn nicht eine direkte Unmöglichkeit, ſo doch mindeſtens eine Ver- rücktheit erſter Güte ſein würde ... ein Stückchen unglaublich geſchickt inſcenirter Unnatur! Aber das begriff der Mann nicht .. und Adam beſaß nicht den Muth, es ihm klarzumachen. So blieb ihm vorläufig nichts weiter übrig, als in den ſauern Hering zu beißen, der ja eine ganz vortreffliche Katerſpeiſe abgeben ſoll. Aber vielleicht wollte und wußte das „Schickſal“ doch noch eine andere Löſung dieſes pikanten Problems. Es galt ſich in Geduld zu faſſen .. und zunächſt in der Maske des be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/344
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/344>, abgerufen am 22.11.2024.