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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Aelter werden und mit den Jahren an Kraft
und Ruhe und Maß wachsen, heißt weiter nichts, als
verzichten, sich beschränken, halb bewußt -- halb ge-
wohnheitsmäßig, physiologisch-bedingt unbewußt.
Prahle Keiner mit seiner Ruhe und Sicherheit. Ob
nicht in den Tagen einer ungestümen Gährung der
Blick doch weiter trägt? Im Spiegel der Ewigkeit
schrumpfen die Bilder der Zeitlichkeit bedenklich zu-
sammen. Das Genie der Jugend bedeutet ein
längeres Senkblei, denn das Talent des Alters.

In dem psycho-physiologischen Gesetze von
Wirkung und Gegenwirkung und in dem fortdauern-
den Einflusse unausrottbarer Wesenswurzeln, von
denen Jeder ein Rudel besitzt, liegen die Grenzen
und Hemmnisse, vor denen alles Größere und
Bedeutendere des Lebens zerbröckelt. Zu den un-
ausrottbaren Wesenswurzeln aber zähle ich den Zug
zum Leichtsinn, von dem sich auch in das
schwerste Gemüth eine Unze hineingemischt hat. --

Es ist nicht allzuschwer, alle Aeußerungen des
Lebens auf bestimmte einfache Formeln zurückzu-
führen. Aber es gehört ein leichter, glücklicher Sinn
dazu, sich von der Fülle der Erscheinungen nicht
immer wieder verblüffen, nicht immer wieder ent-
muthigen und entwaffnen zu lassen.

Ich besiege ein Objekt, indem ich es fein säuber-
lich durchschaue, erkenne. Erkennen ist nur Anerkennen
-- und umgekehrt. Es besiegt mich, dieses Objekt,
indem es auch auf mich weiter wirkt, nachdem ich
es mir geistig unterworfen habe. So bin ich Herr

Aelter werden und mit den Jahren an Kraft
und Ruhe und Maß wachſen, heißt weiter nichts, als
verzichten, ſich beſchränken, halb bewußt — halb ge-
wohnheitsmäßig, phyſiologiſch-bedingt unbewußt.
Prahle Keiner mit ſeiner Ruhe und Sicherheit. Ob
nicht in den Tagen einer ungeſtümen Gährung der
Blick doch weiter trägt? Im Spiegel der Ewigkeit
ſchrumpfen die Bilder der Zeitlichkeit bedenklich zu-
ſammen. Das Genie der Jugend bedeutet ein
längeres Senkblei, denn das Talent des Alters.

In dem pſycho-phyſiologiſchen Geſetze von
Wirkung und Gegenwirkung und in dem fortdauern-
den Einfluſſe unausrottbarer Weſenswurzeln, von
denen Jeder ein Rudel beſitzt, liegen die Grenzen
und Hemmniſſe, vor denen alles Größere und
Bedeutendere des Lebens zerbröckelt. Zu den un-
ausrottbaren Weſenswurzeln aber zähle ich den Zug
zum Leichtſinn, von dem ſich auch in das
ſchwerſte Gemüth eine Unze hineingemiſcht hat. —

Es iſt nicht allzuſchwer, alle Aeußerungen des
Lebens auf beſtimmte einfache Formeln zurückzu-
führen. Aber es gehört ein leichter, glücklicher Sinn
dazu, ſich von der Fülle der Erſcheinungen nicht
immer wieder verblüffen, nicht immer wieder ent-
muthigen und entwaffnen zu laſſen.

Ich beſiege ein Objekt, indem ich es fein ſäuber-
lich durchſchaue, erkenne. Erkennen iſt nur Anerkennen
— und umgekehrt. Es beſiegt mich, dieſes Objekt,
indem es auch auf mich weiter wirkt, nachdem ich
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[347/0355] Aelter werden und mit den Jahren an Kraft und Ruhe und Maß wachſen, heißt weiter nichts, als verzichten, ſich beſchränken, halb bewußt — halb ge- wohnheitsmäßig, phyſiologiſch-bedingt unbewußt. Prahle Keiner mit ſeiner Ruhe und Sicherheit. Ob nicht in den Tagen einer ungeſtümen Gährung der Blick doch weiter trägt? Im Spiegel der Ewigkeit ſchrumpfen die Bilder der Zeitlichkeit bedenklich zu- ſammen. Das Genie der Jugend bedeutet ein längeres Senkblei, denn das Talent des Alters. In dem pſycho-phyſiologiſchen Geſetze von Wirkung und Gegenwirkung und in dem fortdauern- den Einfluſſe unausrottbarer Weſenswurzeln, von denen Jeder ein Rudel beſitzt, liegen die Grenzen und Hemmniſſe, vor denen alles Größere und Bedeutendere des Lebens zerbröckelt. Zu den un- ausrottbaren Weſenswurzeln aber zähle ich den Zug zum Leichtſinn, von dem ſich auch in das ſchwerſte Gemüth eine Unze hineingemiſcht hat. — Es iſt nicht allzuſchwer, alle Aeußerungen des Lebens auf beſtimmte einfache Formeln zurückzu- führen. Aber es gehört ein leichter, glücklicher Sinn dazu, ſich von der Fülle der Erſcheinungen nicht immer wieder verblüffen, nicht immer wieder ent- muthigen und entwaffnen zu laſſen. Ich beſiege ein Objekt, indem ich es fein ſäuber- lich durchſchaue, erkenne. Erkennen iſt nur Anerkennen — und umgekehrt. Es beſiegt mich, dieſes Objekt, indem es auch auf mich weiter wirkt, nachdem ich es mir geiſtig unterworfen habe. So bin ich Herr

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/355>, abgerufen am 22.11.2024.