-- vergessen konnte -- und Weibesschönheit dünkt mich nun so unwerth, so niedrig, so reizlos. Noch einmal lockt mich des Lebens ganzer Wirrwarr -- aber ich erinnere mich, daß mir das Auf und Nieder als solches niemals genügt hat -- daß ich je und je nach dem Endsinn gesucht -- und da ich ihn nimmer gefunden, fortsuchen würde -- ein armer räthselgepeinigter Frager und Rufer und Taster. Nein! Nein! Das Schwimmen hat keinen Sinn, wenn Einer sein Ziel, seine Landungsschwelle nicht weiß, nicht kennt. Ich überlasse es lieber den Klüg- lingen, dieses Schwimmen -- den Klüglingen, die das Denken verlernt, und den Dümmlingen, die keines Zieles bedürfen in ihrer geistigen Armuth. Und nun reden sie noch vom Stolze und dem Freimuth und der Heiterkeit der "Weisen", die Alles erkannt und durchschaut haben und dennoch leben, weiterleben und weiterschreiten, der Stunde heiter entgegenharrend, die sie von hinnen ruft. Ich frage Euch, ihr Weisen, was wartet ihr auf diese Stunde? Wollt ihr dem großen Enteignungsprocesse der Natur nicht zuvor- kommen? Ihr Kleingeister! Wer hat denn die Wahr- heit dieses Enteignungsprocesses gefunden? Eure Er- kenntniß, welche die Natur überwunden hat. Und Ihr habt den Zusammenhang erkannt -- und wollt Euch dennoch dem klaren Resultate ent- ziehen? Soll ich das Feigheit nennen oder Selbst- verblendung? Oh! Ihr habt nichts Großes erkannt, wenn Ihr behauptet: Nur im Werden erhelle sich das Sein. Ich habe eine satte Angst und Bang-
— vergeſſen konnte — und Weibesſchönheit dünkt mich nun ſo unwerth, ſo niedrig, ſo reizlos. Noch einmal lockt mich des Lebens ganzer Wirrwarr — aber ich erinnere mich, daß mir das Auf und Nieder als ſolches niemals genügt hat — daß ich je und je nach dem Endſinn geſucht — und da ich ihn nimmer gefunden, fortſuchen würde — ein armer räthſelgepeinigter Frager und Rufer und Taſter. Nein! Nein! Das Schwimmen hat keinen Sinn, wenn Einer ſein Ziel, ſeine Landungsſchwelle nicht weiß, nicht kennt. Ich überlaſſe es lieber den Klüg- lingen, dieſes Schwimmen — den Klüglingen, die das Denken verlernt, und den Dümmlingen, die keines Zieles bedürfen in ihrer geiſtigen Armuth. Und nun reden ſie noch vom Stolze und dem Freimuth und der Heiterkeit der „Weiſen“, die Alles erkannt und durchſchaut haben und dennoch leben, weiterleben und weiterſchreiten, der Stunde heiter entgegenharrend, die ſie von hinnen ruft. Ich frage Euch, ihr Weiſen, was wartet ihr auf dieſe Stunde? Wollt ihr dem großen Enteignungsproceſſe der Natur nicht zuvor- kommen? Ihr Kleingeiſter! Wer hat denn die Wahr- heit dieſes Enteignungsproceſſes gefunden? Eure Er- kenntniß, welche die Natur überwunden hat. Und Ihr habt den Zuſammenhang erkannt — und wollt Euch dennoch dem klaren Reſultate ent- ziehen? Soll ich das Feigheit nennen oder Selbſt- verblendung? Oh! Ihr habt nichts Großes erkannt, wenn Ihr behauptet: Nur im Werden erhelle ſich das Sein. Ich habe eine ſatte Angſt und Bang-
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— vergeſſen konnte — und Weibesſchönheit dünkt
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einmal lockt mich des Lebens ganzer Wirrwarr
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Nieder als ſolches niemals genügt hat — daß ich
je und je nach dem Endſinn geſucht — und da
ich ihn nimmer gefunden, fortſuchen würde — ein
armer räthſelgepeinigter Frager und Rufer und Taſter.
Nein! Nein! Das Schwimmen hat keinen Sinn,
wenn Einer ſein Ziel, ſeine Landungsſchwelle nicht
weiß, nicht kennt. Ich überlaſſe es lieber den Klüg-
lingen, dieſes Schwimmen — den Klüglingen, die
das Denken verlernt, und den Dümmlingen, die keines
Zieles bedürfen in ihrer geiſtigen Armuth. Und nun
reden ſie noch vom Stolze und dem Freimuth und
der Heiterkeit der „Weiſen“, die Alles erkannt und
durchſchaut haben und dennoch leben, weiterleben und
weiterſchreiten, der Stunde heiter entgegenharrend,
die ſie von hinnen ruft. Ich frage Euch, ihr Weiſen,
was wartet ihr auf dieſe Stunde? Wollt ihr dem
großen Enteignungsproceſſe der Natur nicht zuvor-
kommen? Ihr Kleingeiſter! Wer hat denn die Wahr-
heit dieſes Enteignungsproceſſes gefunden? Eure Er-
kenntniß, welche die Natur überwunden hat.
Und Ihr habt den Zuſammenhang erkannt — und
wollt Euch dennoch dem klaren Reſultate ent-
ziehen? Soll ich das Feigheit nennen oder Selbſt-
verblendung? Oh! Ihr habt nichts Großes erkannt,
wenn Ihr behauptet: Nur im Werden erhelle ſich
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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