jetzt unbegreiflich und über alle Begriffe abgeschmackt -- die gnädige Frau wollte ja auch abreisen -- er würde also vorläufig keine Gelegenheit wieder bekommen, diese Räume zu betreten .. und allen sentimentalen Erinnerungsanwandlungen wurde damit Gott sei Dank! jedwede neue Nahrung entzogen.
Endlich trat Lydia ein. Sie sah ein ganz klein Wenig derangirt aus, ihr Gesicht war ungleich geröthet, wie das eines Menschen, der sich öfter und andauernd gebückt hat. Ihre freundlichen Züge schienen Adam etwas gemacht und gezwungen.
"Verzeihen Sie, Herr Doctor, daß ich Sie so lange warten ließ -- aber ich bin eben dabei zu packen -- morgen früh will ich endlich auffliegen -- meine Abreise hat sich schon um einige Tage ver- zögert -- aber bitte, nehmen Sie wieder Platz -- ich freue mich doch, Sie noch einmal bei mir zu sehen .. Wie geht es Ihnen --?"
"Ich bitte um Verzeihung, gnädige Frau, daß ich zu so ungelegener Stunde -- aber ich wußte auch nicht, daß -- -- ich will mich auch nicht lange aufhalten -- nur -- --"
"Bitte, bitte, Herr Doctor! . Sie wissen ja, Sie sind mir immer willkommen .. Uebrigens, wenn Sie das tröstet: ich -- ich erwartete eigentlich Ihren Besuch -- ich nahm ihn als selbstverständlich an, nach- dem Sie mir das letzte Mal, wo wir uns sahen -- --"
"Ja! Ich versprach Ihnen zu kommen, gnädige Frau -- Sie sehen: ich habe mein Wort gehalten, wenn auch -- --"
jetzt unbegreiflich und über alle Begriffe abgeſchmackt — die gnädige Frau wollte ja auch abreiſen — er würde alſo vorläufig keine Gelegenheit wieder bekommen, dieſe Räume zu betreten .. und allen ſentimentalen Erinnerungsanwandlungen wurde damit Gott ſei Dank! jedwede neue Nahrung entzogen.
Endlich trat Lydia ein. Sie ſah ein ganz klein Wenig derangirt aus, ihr Geſicht war ungleich geröthet, wie das eines Menſchen, der ſich öfter und andauernd gebückt hat. Ihre freundlichen Züge ſchienen Adam etwas gemacht und gezwungen.
„Verzeihen Sie, Herr Doctor, daß ich Sie ſo lange warten ließ — aber ich bin eben dabei zu packen — morgen früh will ich endlich auffliegen — meine Abreiſe hat ſich ſchon um einige Tage ver- zögert — aber bitte, nehmen Sie wieder Platz — ich freue mich doch, Sie noch einmal bei mir zu ſehen .. Wie geht es Ihnen —?“
„Ich bitte um Verzeihung, gnädige Frau, daß ich zu ſo ungelegener Stunde — aber ich wußte auch nicht, daß — — ich will mich auch nicht lange aufhalten — nur — —“
„Bitte, bitte, Herr Doctor! . Sie wiſſen ja, Sie ſind mir immer willkommen .. Uebrigens, wenn Sie das tröſtet: ich — ich erwartete eigentlich Ihren Beſuch — ich nahm ihn als ſelbſtverſtändlich an, nach- dem Sie mir das letzte Mal, wo wir uns ſahen — —“
„Ja! Ich verſprach Ihnen zu kommen, gnädige Frau — Sie ſehen: ich habe mein Wort gehalten, wenn auch — —“
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jetzt unbegreiflich und über alle Begriffe abgeſchmackt —
die gnädige Frau wollte ja auch abreiſen — er würde
alſo vorläufig keine Gelegenheit wieder bekommen,
dieſe Räume zu betreten .. und allen ſentimentalen
Erinnerungsanwandlungen wurde damit Gott ſei
Dank! jedwede neue Nahrung entzogen.
Endlich trat Lydia ein. Sie ſah ein ganz
klein Wenig derangirt aus, ihr Geſicht war ungleich
geröthet, wie das eines Menſchen, der ſich öfter und
andauernd gebückt hat. Ihre freundlichen Züge
ſchienen Adam etwas gemacht und gezwungen.
„Verzeihen Sie, Herr Doctor, daß ich Sie ſo
lange warten ließ — aber ich bin eben dabei zu
packen — morgen früh will ich endlich auffliegen —
meine Abreiſe hat ſich ſchon um einige Tage ver-
zögert — aber bitte, nehmen Sie wieder Platz —
ich freue mich doch, Sie noch einmal bei mir zu
ſehen .. Wie geht es Ihnen —?“
„Ich bitte um Verzeihung, gnädige Frau, daß
ich zu ſo ungelegener Stunde — aber ich wußte
auch nicht, daß — — ich will mich auch nicht lange
aufhalten — nur — —“
„Bitte, bitte, Herr Doctor! . Sie wiſſen ja,
Sie ſind mir immer willkommen .. Uebrigens, wenn
Sie das tröſtet: ich — ich erwartete eigentlich Ihren
Beſuch — ich nahm ihn als ſelbſtverſtändlich an, nach-
dem Sie mir das letzte Mal, wo wir uns ſahen — —“
„Ja! Ich verſprach Ihnen zu kommen, gnädige
Frau — Sie ſehen: ich habe mein Wort gehalten,
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/384>, abgerufen am 22.11.2024.
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