Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Sie empörte sich gegen die Vergewaltigung, die ihr
widerfahren war, -- und doch schauerte sie wie in
brennender Wollust zusammen, denn sie hatte den,
den sie liebte, zum ersten Male hoch über sich ge-
fühlt, sie sah nun zu ihm auf -- nein --! sie
konnte ihn nicht gehen lassen -- und doch! Ach!
Es war eine zu große Zwiespältigkeit in ihr. Und
jetzt -- -- jetzt --

Adam hatte die Thür aufgerissen --

"Herr Doctor --!" schrie ihm Lydia nach, einige
Schritte vortretend --

Der Angerufene blieb doch unwillkürlich stehen
und drehte sich langsam in halber Wendung um.

"Gestatten Sie, bitte, noch einen Augenblick --
nur ein Wort noch --" begann Lydia tief aufath-
mend. Sie reckte sich in die Höhe, die ganze Figur
straffte sich, wohl war sie ein Wenig bleich, sie
wollte jetzt erst recht bewußte Weltdame sein.

"Was soll's?" polterte Adam erbost. "Ich dächte,
ich wäre fertig mit Ihnen --"

"Aber ich noch nicht mit Ihnen, Herr Doctor!
Ich habe Ihre -- nun! Ihre -- Declamation hinge-
nommen, ohne ein Wort der Erwiderung --"

"Declamation --? ohne Erwiderung? -- ich sage
Ihnen, gnädige Frau: das war auch das Gescheiteste,
was Sie thun konnten --" unterbrach Adam mit
grobem, ungeschlachtem Sarkasmus --

"Nun -- darüber ließe sich am Ende noch streiten --"

"Wäre verdammt überflüssig! Aber ich mag
nicht mehr --"

Sie empörte ſich gegen die Vergewaltigung, die ihr
widerfahren war, — und doch ſchauerte ſie wie in
brennender Wolluſt zuſammen, denn ſie hatte den,
den ſie liebte, zum erſten Male hoch über ſich ge-
fühlt, ſie ſah nun zu ihm auf — nein —! ſie
konnte ihn nicht gehen laſſen — und doch! Ach!
Es war eine zu große Zwieſpältigkeit in ihr. Und
jetzt — — jetzt —

Adam hatte die Thür aufgeriſſen —

„Herr Doctor —!“ ſchrie ihm Lydia nach, einige
Schritte vortretend —

Der Angerufene blieb doch unwillkürlich ſtehen
und drehte ſich langſam in halber Wendung um.

„Geſtatten Sie, bitte, noch einen Augenblick —
nur ein Wort noch —“ begann Lydia tief aufath-
mend. Sie reckte ſich in die Höhe, die ganze Figur
ſtraffte ſich, wohl war ſie ein Wenig bleich, ſie
wollte jetzt erſt recht bewußte Weltdame ſein.

„Was ſoll's?“ polterte Adam erboſt. „Ich dächte,
ich wäre fertig mit Ihnen —“

„Aber ich noch nicht mit Ihnen, Herr Doctor!
Ich habe Ihre — nun! Ihre — Declamation hinge-
nommen, ohne ein Wort der Erwiderung —“

„Declamation —? ohne Erwiderung? — ich ſage
Ihnen, gnädige Frau: das war auch das Geſcheiteſte,
was Sie thun konnten —“ unterbrach Adam mit
grobem, ungeſchlachtem Sarkasmus —

„Nun — darüber ließe ſich am Ende noch ſtreiten —“

„Wäre verdammt überflüſſig! Aber ich mag
nicht mehr —“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0394" n="386"/>
Sie empörte &#x017F;ich gegen die Vergewaltigung, die ihr<lb/>
widerfahren war, &#x2014; und doch &#x017F;chauerte &#x017F;ie wie in<lb/>
brennender Wollu&#x017F;t zu&#x017F;ammen, denn &#x017F;ie hatte den,<lb/>
den &#x017F;ie liebte, zum er&#x017F;ten Male hoch über &#x017F;ich ge-<lb/>
fühlt, &#x017F;ie &#x017F;ah nun zu ihm auf &#x2014; nein &#x2014;! &#x017F;ie<lb/>
konnte ihn nicht gehen la&#x017F;&#x017F;en &#x2014; und doch! Ach!<lb/>
Es war eine zu große Zwie&#x017F;pältigkeit in ihr. Und<lb/>
jetzt &#x2014; &#x2014; jetzt &#x2014;</p><lb/>
        <p>Adam hatte die Thür aufgeri&#x017F;&#x017F;en &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr Doctor &#x2014;!&#x201C; &#x017F;chrie ihm Lydia nach, einige<lb/>
Schritte vortretend &#x2014;</p><lb/>
        <p>Der Angerufene blieb doch unwillkürlich &#x017F;tehen<lb/>
und drehte &#x017F;ich lang&#x017F;am in halber Wendung um.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ge&#x017F;tatten Sie, bitte, noch einen Augenblick &#x2014;<lb/>
nur ein Wort noch &#x2014;&#x201C; begann Lydia tief aufath-<lb/>
mend. Sie reckte &#x017F;ich in die Höhe, die ganze Figur<lb/>
&#x017F;traffte &#x017F;ich, wohl war &#x017F;ie ein Wenig bleich, &#x017F;ie<lb/>
wollte jetzt er&#x017F;t recht bewußte Weltdame &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was &#x017F;oll's?&#x201C; polterte Adam erbo&#x017F;t. &#x201E;Ich dächte,<lb/>
ich wäre fertig mit Ihnen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber ich noch nicht mit Ihnen, Herr Doctor!<lb/>
Ich habe Ihre &#x2014; nun! Ihre &#x2014; Declamation hinge-<lb/>
nommen, ohne ein Wort der Erwiderung &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Declamation &#x2014;? ohne Erwiderung? &#x2014; ich &#x017F;age<lb/>
Ihnen, gnädige Frau: das war auch das Ge&#x017F;cheite&#x017F;te,<lb/>
was Sie thun konnten &#x2014;&#x201C; unterbrach Adam mit<lb/>
grobem, unge&#x017F;chlachtem Sarkasmus &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun &#x2014; darüber ließe &#x017F;ich am Ende noch &#x017F;treiten &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wäre verdammt überflü&#x017F;&#x017F;ig! Aber ich mag<lb/>
nicht mehr &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0394] Sie empörte ſich gegen die Vergewaltigung, die ihr widerfahren war, — und doch ſchauerte ſie wie in brennender Wolluſt zuſammen, denn ſie hatte den, den ſie liebte, zum erſten Male hoch über ſich ge- fühlt, ſie ſah nun zu ihm auf — nein —! ſie konnte ihn nicht gehen laſſen — und doch! Ach! Es war eine zu große Zwieſpältigkeit in ihr. Und jetzt — — jetzt — Adam hatte die Thür aufgeriſſen — „Herr Doctor —!“ ſchrie ihm Lydia nach, einige Schritte vortretend — Der Angerufene blieb doch unwillkürlich ſtehen und drehte ſich langſam in halber Wendung um. „Geſtatten Sie, bitte, noch einen Augenblick — nur ein Wort noch —“ begann Lydia tief aufath- mend. Sie reckte ſich in die Höhe, die ganze Figur ſtraffte ſich, wohl war ſie ein Wenig bleich, ſie wollte jetzt erſt recht bewußte Weltdame ſein. „Was ſoll's?“ polterte Adam erboſt. „Ich dächte, ich wäre fertig mit Ihnen —“ „Aber ich noch nicht mit Ihnen, Herr Doctor! Ich habe Ihre — nun! Ihre — Declamation hinge- nommen, ohne ein Wort der Erwiderung —“ „Declamation —? ohne Erwiderung? — ich ſage Ihnen, gnädige Frau: das war auch das Geſcheiteſte, was Sie thun konnten —“ unterbrach Adam mit grobem, ungeſchlachtem Sarkasmus — „Nun — darüber ließe ſich am Ende noch ſtreiten —“ „Wäre verdammt überflüſſig! Aber ich mag nicht mehr —“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/394
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/394>, abgerufen am 22.11.2024.