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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Nun war er mit einem Male in die Nähe des
bewußten Parkes gekommen. Es zog ihn hinein,
da drinnen mochte es noch mehr Leben geben, als
hier auf den schmalen Gassen der Vorstadt. Und
plötzlich sehnte er sich nach dem Leben, wie es sich
im zärtlichen Widerspiel zweier Menschen, die auf
einander gestimmt worden, erfüllt. Das war wohl
ein kleinliches, schwächliches Gefühl. Er warf es von
sich und suchte nach neuer Speise des Geistes. Er
dachte an Lydia, die ja seine Braut sein sollte. Er
blieb mitten auf dem Wege stehen, blinzelte zum
Monde hinauf, der eben die Finsterniß einer breit-
leibigen Wolke überwunden hatte und wieder in
seinen flimmernden, stahlblauen Aethersee schoß. Adam
gab sich alle Mühe, Lydias Gesicht im Geiste deut-
lich vor sich zu schauen. Es gelang ihm nicht, manch-
mal blitzte es vor ihm auf, jetzt glaubte er sie deut-
lich zu fassen, wie sie zu ihm sagte: "Ja! Du mußt
sehr unglücklich sein, Adam --", aber nur eine Se-
kunde war's, Alles verschwamm wieder, die Linien
der Züge wollten sich in der Erinnerung nicht zu-
rückgewinnen lassen, und auch der Ton ihrer Stimme,
auf den Adam horchte, ganz still, mit verhaltenem
Athem horchte, flirrte nur in undeutlichem Surren
an ihm vorüber. Wie weit war sie ihm, wie wenig
intim und unverlierbar gehörte sie ihm, wie nach-
lässig hatte er im Geiste ihren Besitz gehütet!

Hier und da, von den Bänken her in den Wald-
nischen, an den Wegen, an den breiten und schmalen
Pfaden, gab es leise flüsternde Stimmen. Menschen

Nun war er mit einem Male in die Nähe des
bewußten Parkes gekommen. Es zog ihn hinein,
da drinnen mochte es noch mehr Leben geben, als
hier auf den ſchmalen Gaſſen der Vorſtadt. Und
plötzlich ſehnte er ſich nach dem Leben, wie es ſich
im zärtlichen Widerſpiel zweier Menſchen, die auf
einander geſtimmt worden, erfüllt. Das war wohl
ein kleinliches, ſchwächliches Gefühl. Er warf es von
ſich und ſuchte nach neuer Speiſe des Geiſtes. Er
dachte an Lydia, die ja ſeine Braut ſein ſollte. Er
blieb mitten auf dem Wege ſtehen, blinzelte zum
Monde hinauf, der eben die Finſterniß einer breit-
leibigen Wolke überwunden hatte und wieder in
ſeinen flimmernden, ſtahlblauen Aetherſee ſchoß. Adam
gab ſich alle Mühe, Lydias Geſicht im Geiſte deut-
lich vor ſich zu ſchauen. Es gelang ihm nicht, manch-
mal blitzte es vor ihm auf, jetzt glaubte er ſie deut-
lich zu faſſen, wie ſie zu ihm ſagte: „Ja! Du mußt
ſehr unglücklich ſein, Adam —“, aber nur eine Se-
kunde war's, Alles verſchwamm wieder, die Linien
der Züge wollten ſich in der Erinnerung nicht zu-
rückgewinnen laſſen, und auch der Ton ihrer Stimme,
auf den Adam horchte, ganz ſtill, mit verhaltenem
Athem horchte, flirrte nur in undeutlichem Surren
an ihm vorüber. Wie weit war ſie ihm, wie wenig
intim und unverlierbar gehörte ſie ihm, wie nach-
läſſig hatte er im Geiſte ihren Beſitz gehütet!

Hier und da, von den Bänken her in den Wald-
niſchen, an den Wegen, an den breiten und ſchmalen
Pfaden, gab es leiſe flüſternde Stimmen. Menſchen

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[407/0415] Nun war er mit einem Male in die Nähe des bewußten Parkes gekommen. Es zog ihn hinein, da drinnen mochte es noch mehr Leben geben, als hier auf den ſchmalen Gaſſen der Vorſtadt. Und plötzlich ſehnte er ſich nach dem Leben, wie es ſich im zärtlichen Widerſpiel zweier Menſchen, die auf einander geſtimmt worden, erfüllt. Das war wohl ein kleinliches, ſchwächliches Gefühl. Er warf es von ſich und ſuchte nach neuer Speiſe des Geiſtes. Er dachte an Lydia, die ja ſeine Braut ſein ſollte. Er blieb mitten auf dem Wege ſtehen, blinzelte zum Monde hinauf, der eben die Finſterniß einer breit- leibigen Wolke überwunden hatte und wieder in ſeinen flimmernden, ſtahlblauen Aetherſee ſchoß. Adam gab ſich alle Mühe, Lydias Geſicht im Geiſte deut- lich vor ſich zu ſchauen. Es gelang ihm nicht, manch- mal blitzte es vor ihm auf, jetzt glaubte er ſie deut- lich zu faſſen, wie ſie zu ihm ſagte: „Ja! Du mußt ſehr unglücklich ſein, Adam —“, aber nur eine Se- kunde war's, Alles verſchwamm wieder, die Linien der Züge wollten ſich in der Erinnerung nicht zu- rückgewinnen laſſen, und auch der Ton ihrer Stimme, auf den Adam horchte, ganz ſtill, mit verhaltenem Athem horchte, flirrte nur in undeutlichem Surren an ihm vorüber. Wie weit war ſie ihm, wie wenig intim und unverlierbar gehörte ſie ihm, wie nach- läſſig hatte er im Geiſte ihren Beſitz gehütet! Hier und da, von den Bänken her in den Wald- niſchen, an den Wegen, an den breiten und ſchmalen Pfaden, gab es leiſe flüſternde Stimmen. Menſchen

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/415>, abgerufen am 24.11.2024.