"Beruhigen Sie sich doch, liebes Fräulein --" bat Emmy leise, zaghaft -- "mein armer Vater --" stöhnte Hedwig --
Adam stand daneben, es war ihm sehr unbe- haglich zu Muthe, er mußte es wohl doch glauben, daß Irmer nicht mehr lebte, aber er konnte das hülflose Wesen da doch jetzt unmöglich ersuchen, ihm nähere Auskunft zu geben -- und er schrak auch davor zurück, jetzt Einzelheiten zu erfahren, er fühlte, daß sie ihn quälen, aufregen würden ... und er hatte nicht den Muth, er war zu feige, um sich die Kraft zuzutrauen, die engeren Umstände von Irmers Tode einigermaßen ruhig hinzunehmen. Aber Etwas mußte doch geschehen, die Situation stockte peinlich, er mußte doch auch ein Wort zu fin- den wissen, auszusprechen wissen, er mußte doch Hedwig zeigen, daß er mit ihr litte, daß ihr Schmerz auch der seine wäre, daß sie auf sein vollstes Ver- ständniß zu rechnen hätte ... Und da erinnerte er sich, daß er ihr gestern die tausend Mark geschickt, sie hatte sie wohl noch nicht erhalten, aber es mußte doch beruhigend auf sie wirken, wenn sie die That- sache erführe, damit war doch wenigstens eine Sorge ihr von der Seele genommen. Und doch zögerte er, es nahm sich so auffällig aus, jetzt mit dem Gelde zu kommen, aber die Frage glitt ihm schon wider Willen über die Lippen: "Hast Du das Geld bekommen, Hedwig --?"
Die Gefragte schlug langsam die Augen zu ihm auf, starrte ihn erst eine Weile verständnißlos an,
„Beruhigen Sie ſich doch, liebes Fräulein —“ bat Emmy leiſe, zaghaft — „mein armer Vater —“ ſtöhnte Hedwig —
Adam ſtand daneben, es war ihm ſehr unbe- haglich zu Muthe, er mußte es wohl doch glauben, daß Irmer nicht mehr lebte, aber er konnte das hülfloſe Weſen da doch jetzt unmöglich erſuchen, ihm nähere Auskunft zu geben — und er ſchrak auch davor zurück, jetzt Einzelheiten zu erfahren, er fühlte, daß ſie ihn quälen, aufregen würden ... und er hatte nicht den Muth, er war zu feige, um ſich die Kraft zuzutrauen, die engeren Umſtände von Irmers Tode einigermaßen ruhig hinzunehmen. Aber Etwas mußte doch geſchehen, die Situation ſtockte peinlich, er mußte doch auch ein Wort zu fin- den wiſſen, auszuſprechen wiſſen, er mußte doch Hedwig zeigen, daß er mit ihr litte, daß ihr Schmerz auch der ſeine wäre, daß ſie auf ſein vollſtes Ver- ſtändniß zu rechnen hätte ... Und da erinnerte er ſich, daß er ihr geſtern die tauſend Mark geſchickt, ſie hatte ſie wohl noch nicht erhalten, aber es mußte doch beruhigend auf ſie wirken, wenn ſie die That- ſache erführe, damit war doch wenigſtens eine Sorge ihr von der Seele genommen. Und doch zögerte er, es nahm ſich ſo auffällig aus, jetzt mit dem Gelde zu kommen, aber die Frage glitt ihm ſchon wider Willen über die Lippen: „Haſt Du das Geld bekommen, Hedwig —?“
Die Gefragte ſchlug langſam die Augen zu ihm auf, ſtarrte ihn erſt eine Weile verſtändnißlos an,
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„Beruhigen Sie ſich doch, liebes Fräulein —“
bat Emmy leiſe, zaghaft — „mein armer Vater —“
ſtöhnte Hedwig —
Adam ſtand daneben, es war ihm ſehr unbe-
haglich zu Muthe, er mußte es wohl doch glauben,
daß Irmer nicht mehr lebte, aber er konnte das
hülfloſe Weſen da doch jetzt unmöglich erſuchen,
ihm nähere Auskunft zu geben — und er ſchrak
auch davor zurück, jetzt Einzelheiten zu erfahren, er
fühlte, daß ſie ihn quälen, aufregen würden ...
und er hatte nicht den Muth, er war zu feige, um
ſich die Kraft zuzutrauen, die engeren Umſtände von
Irmers Tode einigermaßen ruhig hinzunehmen.
Aber Etwas mußte doch geſchehen, die Situation
ſtockte peinlich, er mußte doch auch ein Wort zu fin-
den wiſſen, auszuſprechen wiſſen, er mußte doch
Hedwig zeigen, daß er mit ihr litte, daß ihr Schmerz
auch der ſeine wäre, daß ſie auf ſein vollſtes Ver-
ſtändniß zu rechnen hätte ... Und da erinnerte er
ſich, daß er ihr geſtern die tauſend Mark geſchickt,
ſie hatte ſie wohl noch nicht erhalten, aber es mußte
doch beruhigend auf ſie wirken, wenn ſie die That-
ſache erführe, damit war doch wenigſtens eine Sorge
ihr von der Seele genommen. Und doch zögerte
er, es nahm ſich ſo auffällig aus, jetzt mit dem
Gelde zu kommen, aber die Frage glitt ihm ſchon
wider Willen über die Lippen: „Haſt Du das Geld
bekommen, Hedwig —?“
Die Gefragte ſchlug langſam die Augen zu ihm
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/440>, abgerufen am 23.11.2024.
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