"Ach, bitte, bitte! .. " wehrte Frau Möbius bescheiden ab.
"Uebrigens," wandte sich Lydia an Adam -- "sagen Sie, Herr Doctor: -- sind Sie denn immer so .. so steif .. so ceremoniell --? Ich hörte zufällig vorhin, als Sie zu Fräulein Irmer -- Sie geben ja in der That keinen einzigen ... wie soll ich sagen --? keinen .. keinen einzigen Naturlaut von sich --."
Adam war ein Wenig verblüfft. Er reichte gerade die Schüssel mit Bratkartoffeln seiner Nach- barin hin.
"Immer so --?" wiederholte er befangen-mecha- nisch. Er wußte nicht sogleich, was er antworten sollte.
Lydia lachte hell auf: "-- Aber, Herr Doctor --"
"Aber, Lydia --!" monirte verlegen-unwillig ihr Vetter.
Herr Oettinger schmunzelte. Um diese süße Freude über Adams kleine Abfuhr ein Wenig zu verhüllen, griff er schnell nach seiner compote melee ..
Adam hatte sich gefaßt. Er schlug die Augen groß auf und sah scharf zu Lydia hinüber. Dann kniff er den Blick etwas zusammen -- und während ihm ein wegwerfendes Lächeln Mund und Nase umkräuselte, fragte er seine schöne Gegnerin: "Wollen Sie es dem Schornsteinfeger verdenken, gnädige Frau, daß er sich zuweilen .. wäscht --?"
Fräulein Irmer blickte ihren Nachbar erstaunt- erwartungsvoll von der Seite an. Was meinte er damit --?
4*
„Ach, bitte, bitte! .. “ wehrte Frau Möbius beſcheiden ab.
„Uebrigens,“ wandte ſich Lydia an Adam — „ſagen Sie, Herr Doctor: — ſind Sie denn immer ſo .. ſo ſteif .. ſo ceremoniell —? Ich hörte zufällig vorhin, als Sie zu Fräulein Irmer — Sie geben ja in der That keinen einzigen ... wie ſoll ich ſagen —? keinen .. keinen einzigen Naturlaut von ſich —.“
Adam war ein Wenig verblüfft. Er reichte gerade die Schüſſel mit Bratkartoffeln ſeiner Nach- barin hin.
„Immer ſo —?“ wiederholte er befangen-mecha- niſch. Er wußte nicht ſogleich, was er antworten ſollte.
Lydia lachte hell auf: „— Aber, Herr Doctor —“
„Aber, Lydia —!“ monirte verlegen-unwillig ihr Vetter.
Herr Oettinger ſchmunzelte. Um dieſe ſüße Freude über Adams kleine Abfuhr ein Wenig zu verhüllen, griff er ſchnell nach ſeiner compote mêlée ..
Adam hatte ſich gefaßt. Er ſchlug die Augen groß auf und ſah ſcharf zu Lydia hinüber. Dann kniff er den Blick etwas zuſammen — und während ihm ein wegwerfendes Lächeln Mund und Naſe umkräuſelte, fragte er ſeine ſchöne Gegnerin: „Wollen Sie es dem Schornſteinfeger verdenken, gnädige Frau, daß er ſich zuweilen .. wäſcht —?“
Fräulein Irmer blickte ihren Nachbar erſtaunt- erwartungsvoll von der Seite an. Was meinte er damit —?
4*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0059"n="51"/><p>„Ach, bitte, bitte! .. “ wehrte Frau Möbius<lb/>
beſcheiden ab.</p><lb/><p>„Uebrigens,“ wandte ſich Lydia an Adam —<lb/>„ſagen Sie, Herr Doctor: —ſind Sie denn immer<lb/>ſo .. ſo ſteif .. ſo ceremoniell —? Ich hörte zufällig<lb/>
vorhin, als Sie zu Fräulein Irmer — Sie geben<lb/>
ja in der That keinen einzigen ... wie ſoll ich<lb/>ſagen —? keinen .. keinen einzigen Naturlaut von<lb/>ſich —.“</p><lb/><p>Adam war ein Wenig verblüfft. Er reichte<lb/>
gerade die Schüſſel mit Bratkartoffeln ſeiner Nach-<lb/>
barin hin.</p><lb/><p>„Immer ſo —?“ wiederholte er befangen-mecha-<lb/>
niſch. Er wußte nicht ſogleich, was er antworten ſollte.</p><lb/><p>Lydia lachte hell auf: „— Aber, Herr Doctor —“</p><lb/><p>„Aber, Lydia —!“ monirte verlegen-unwillig<lb/>
ihr Vetter.</p><lb/><p>Herr Oettinger ſchmunzelte. Um dieſe ſüße<lb/>
Freude über Adams kleine Abfuhr ein Wenig zu<lb/>
verhüllen, griff er ſchnell nach ſeiner <hirendition="#aq">compote mêlée</hi> ..</p><lb/><p>Adam hatte ſich gefaßt. Er ſchlug die Augen<lb/>
groß auf und ſah ſcharf zu Lydia hinüber. Dann<lb/>
kniff er den Blick etwas zuſammen — und während<lb/>
ihm ein wegwerfendes Lächeln Mund und Naſe<lb/>
umkräuſelte, fragte er ſeine ſchöne Gegnerin:<lb/>„Wollen Sie es dem Schornſteinfeger verdenken,<lb/>
gnädige Frau, daß er ſich zuweilen .. wäſcht —?“</p><lb/><p>Fräulein Irmer blickte ihren Nachbar erſtaunt-<lb/>
erwartungsvoll von der Seite an. Was meinte er<lb/>
damit —?</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">4*</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[51/0059]
„Ach, bitte, bitte! .. “ wehrte Frau Möbius
beſcheiden ab.
„Uebrigens,“ wandte ſich Lydia an Adam —
„ſagen Sie, Herr Doctor: — ſind Sie denn immer
ſo .. ſo ſteif .. ſo ceremoniell —? Ich hörte zufällig
vorhin, als Sie zu Fräulein Irmer — Sie geben
ja in der That keinen einzigen ... wie ſoll ich
ſagen —? keinen .. keinen einzigen Naturlaut von
ſich —.“
Adam war ein Wenig verblüfft. Er reichte
gerade die Schüſſel mit Bratkartoffeln ſeiner Nach-
barin hin.
„Immer ſo —?“ wiederholte er befangen-mecha-
niſch. Er wußte nicht ſogleich, was er antworten ſollte.
Lydia lachte hell auf: „— Aber, Herr Doctor —“
„Aber, Lydia —!“ monirte verlegen-unwillig
ihr Vetter.
Herr Oettinger ſchmunzelte. Um dieſe ſüße
Freude über Adams kleine Abfuhr ein Wenig zu
verhüllen, griff er ſchnell nach ſeiner compote mêlée ..
Adam hatte ſich gefaßt. Er ſchlug die Augen
groß auf und ſah ſcharf zu Lydia hinüber. Dann
kniff er den Blick etwas zuſammen — und während
ihm ein wegwerfendes Lächeln Mund und Naſe
umkräuſelte, fragte er ſeine ſchöne Gegnerin:
„Wollen Sie es dem Schornſteinfeger verdenken,
gnädige Frau, daß er ſich zuweilen .. wäſcht —?“
Fräulein Irmer blickte ihren Nachbar erſtaunt-
erwartungsvoll von der Seite an. Was meinte er
damit —?
4*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/59>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.