derte? Und wenn ich unedel genug seyn könnte, mir alles dieses zu erlauben, würde ich nicht wi- der meine eigne Wohlfarth wüten? Würde nicht Feindschaft, Haß, Härte, Grausamkeit und Grimm erzeugen und mich in unzählbare Gefah- ren stürzen? Würde ich mich nicht immer mit Feinden und Betrügern umringt sehen, die, wenn ich besondrer glücklicher Umstände wegen mächtiger, als sie wäre, nur auf die Gelegen- heit lauerten, mir Gleiches mit Gleichem zu ver- gelten, und alle ihre Kräfte und Bemühungen zu meinem Verderben anzuwenden? Die natür- lichen und gewöhnlichen Folgen aller Laster wider die Rechte und Befugnisse meiner Nebenmenschen sind Verdruß, Misvergnügen und gemeinschaft- liches Elend. Welch eine Wohnung der Zufrie- denheit und Freude wäre der Erdkreis, wenn alle Menschen gütig und liebreich gegen einander ge- sinnet wären, und jeder sein Geschäffte daraus machte, das Beste des andern zu befördern! Werde ich nicht dadurch überzeugt, daß ich von dem Urheber meiner Natur bestimmt sey, seine Ehre und meine Glückseeligkeit durch die Hand- lungen einer wahren Menschenliebe, der Gerech- tigkeit, Billigkeit und Güte zu befördern; daß er an denen, welche wider die besondre und gemein- schaftliche Wohlfarth der Menschen streiten, ein
seinen
derte? Und wenn ich unedel genug ſeyn könnte, mir alles dieſes zu erlauben, würde ich nicht wi- der meine eigne Wohlfarth wüten? Würde nicht Feindſchaft, Haß, Härte, Grauſamkeit und Grimm erzeugen und mich in unzählbare Gefah- ren ſtürzen? Würde ich mich nicht immer mit Feinden und Betrügern umringt ſehen, die, wenn ich beſondrer glücklicher Umſtände wegen mächtiger, als ſie wäre, nur auf die Gelegen- heit lauerten, mir Gleiches mit Gleichem zu ver- gelten, und alle ihre Kräfte und Bemühungen zu meinem Verderben anzuwenden? Die natür- lichen und gewöhnlichen Folgen aller Laſter wider die Rechte und Befugniſſe meiner Nebenmenſchen ſind Verdruß, Misvergnügen und gemeinſchaft- liches Elend. Welch eine Wohnung der Zufrie- denheit und Freude wäre der Erdkreis, wenn alle Menſchen gütig und liebreich gegen einander ge- ſinnet wären, und jeder ſein Geſchäffte daraus machte, das Beſte des andern zu befördern! Werde ich nicht dadurch überzeugt, daß ich von dem Urheber meiner Natur beſtimmt ſey, ſeine Ehre und meine Glückſeeligkeit durch die Hand- lungen einer wahren Menſchenliebe, der Gerech- tigkeit, Billigkeit und Güte zu befördern; daß er an denen, welche wider die beſondre und gemein- ſchaftliche Wohlfarth der Menſchen ſtreiten, ein
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derte? Und wenn ich unedel genug ſeyn könnte,
mir alles dieſes zu erlauben, würde ich nicht wi-
der meine eigne Wohlfarth wüten? Würde nicht
Feindſchaft, Haß, Härte, Grauſamkeit und
Grimm erzeugen und mich in unzählbare Gefah-
ren ſtürzen? Würde ich mich nicht immer mit
Feinden und Betrügern umringt ſehen, die,
wenn ich beſondrer glücklicher Umſtände wegen
mächtiger, als ſie wäre, nur auf die Gelegen-
heit lauerten, mir Gleiches mit Gleichem zu ver-
gelten, und alle ihre Kräfte und Bemühungen
zu meinem Verderben anzuwenden? Die natür-
lichen und gewöhnlichen Folgen aller Laſter wider
die Rechte und Befugniſſe meiner Nebenmenſchen
ſind Verdruß, Misvergnügen und gemeinſchaft-
liches Elend. Welch eine Wohnung der Zufrie-
denheit und Freude wäre der Erdkreis, wenn alle
Menſchen gütig und liebreich gegen einander ge-
ſinnet wären, und jeder ſein Geſchäffte daraus
machte, das Beſte des andern zu befördern!
Werde ich nicht dadurch überzeugt, daß ich von
dem Urheber meiner Natur beſtimmt ſey, ſeine
Ehre und meine Glückſeeligkeit durch die Hand-
lungen einer wahren Menſchenliebe, der Gerech-
tigkeit, Billigkeit und Güte zu befördern; daß er
an denen, welche wider die beſondre und gemein-
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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