Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.einem bewaffneten Blicke sichtbaren Gliedmaßen, Häute, Adern, Muskeln und Nerven, woraus diese kleine Spinne zusammengefügt ist, ihre mannichfaltigen Verhältnisse gegen einander; die verschiednen Bestimmungen eines jeden zu be- sondern sehr künstlichen Verrichtungen, die ganze Summe von Wirkungen und Veränderungen, die dadurch möglich sind, und zwar in einem so kur- zen Punkte der Zeit, als der kleinste schon fast un- merkliche Theil eines Augenblickes ist, die wun- dervolle Bildung der Blume, die Schönheit ihrer Farbe, ihr Glanz, die süßen Gerüche, welche der Staub ausduftet, der die ganze Pflanze zu vielen neuen ähnlichen Blumen be- fruchten soll, eine unglaubliche Mannichfaltigkeit von Theilen, die ich mit dem bloßen Auge daran entdecken kann, und von denen jedes eine beson- dre Absicht erfüllt, die erstaunliche Menge der stärkern und feinern Fäden, aus denen bloß ein einziges Blatt zusammengewebt ist, der Entwurf und die Regeln, die ich dabey beobachtet sehe, das ist eine neue Unendlichkeit für mich. Dieß alles, was ich denke, ist groß, erhaben, ist fast unermeßlich. Jch freue mich, eine Seele zu haben, welche so edler und großer Vorstellungen fähig ist, und muß ich nicht mit mir selbst zür- nen, wenn ich daran denke, daß so manche köst- liche
einem bewaffneten Blicke ſichtbaren Gliedmaßen, Häute, Adern, Muskeln und Nerven, woraus dieſe kleine Spinne zuſammengefügt iſt, ihre mannichfaltigen Verhältniſſe gegen einander; die verſchiednen Beſtimmungen eines jeden zu be- ſondern ſehr künſtlichen Verrichtungen, die ganze Summe von Wirkungen und Veränderungen, die dadurch möglich ſind, und zwar in einem ſo kur- zen Punkte der Zeit, als der kleinſte ſchon faſt un- merkliche Theil eines Augenblickes iſt, die wun- dervolle Bildung der Blume, die Schönheit ihrer Farbe, ihr Glanz, die ſüßen Gerüche, welche der Staub ausduftet, der die ganze Pflanze zu vielen neuen ähnlichen Blumen be- fruchten ſoll, eine unglaubliche Mannichfaltigkeit von Theilen, die ich mit dem bloßen Auge daran entdecken kann, und von denen jedes eine beſon- dre Abſicht erfüllt, die erſtaunliche Menge der ſtärkern und feinern Fäden, aus denen bloß ein einziges Blatt zuſammengewebt iſt, der Entwurf und die Regeln, die ich dabey beobachtet ſehe, das iſt eine neue Unendlichkeit für mich. Dieß alles, was ich denke, iſt groß, erhaben, iſt faſt unermeßlich. Jch freue mich, eine Seele zu haben, welche ſo edler und großer Vorſtellungen fähig iſt, und muß ich nicht mit mir ſelbſt zür- nen, wenn ich daran denke, daß ſo manche köſt- liche
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einem bewaffneten Blicke ſichtbaren Gliedmaßen,
Häute, Adern, Muskeln und Nerven, woraus
dieſe kleine Spinne zuſammengefügt iſt, ihre
mannichfaltigen Verhältniſſe gegen einander;
die verſchiednen Beſtimmungen eines jeden zu be-
ſondern ſehr künſtlichen Verrichtungen, die ganze
Summe von Wirkungen und Veränderungen, die
dadurch möglich ſind, und zwar in einem ſo kur-
zen Punkte der Zeit, als der kleinſte ſchon faſt un-
merkliche Theil eines Augenblickes iſt, die wun-
dervolle Bildung der Blume, die Schönheit
ihrer Farbe, ihr Glanz, die ſüßen Gerüche,
welche der Staub ausduftet, der die ganze
Pflanze zu vielen neuen ähnlichen Blumen be-
fruchten ſoll, eine unglaubliche Mannichfaltigkeit
von Theilen, die ich mit dem bloßen Auge daran
entdecken kann, und von denen jedes eine beſon-
dre Abſicht erfüllt, die erſtaunliche Menge der
ſtärkern und feinern Fäden, aus denen bloß ein
einziges Blatt zuſammengewebt iſt, der Entwurf
und die Regeln, die ich dabey beobachtet ſehe,
das iſt eine neue Unendlichkeit für mich. Dieß
alles, was ich denke, iſt groß, erhaben, iſt faſt
unermeßlich. Jch freue mich, eine Seele zu
haben, welche ſo edler und großer Vorſtellungen
fähig iſt, und muß ich nicht mit mir ſelbſt zür-
nen, wenn ich daran denke, daß ſo manche köſt-
liche
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