Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.es, noch so viel gesehen, beobachtet, gehört und gelesen zu haben, wenn es mit Nachläßigkeit ge- schehen ist? Tausend falsche und unrichtige Vor- stellungen von viel geringern Gegenständen, als Gott ist, entspringen bloß von der Trägheit des Verstandes, der sich weigert, dasjenige, was er untersuchen soll, von allen Seiten zu betrachten, von der Oberfläche, die er sieht, bis zu dem Grunde durchzudringen, der sich dem unruhigen, immer umherschweifenden Auge entzieht; bloß von der sorglosen Beruhigung in den ersten Ge- danken, die in der Seele entstehen. Wie kann ich denn hoffen, ohne Aufmerksamkeit, Eifer und Ernst, Gott kennen zu lernen, wenn sich die gemeinsten Wahrheiten, dem sorglosen An- blicke derjenigen entziehen, der sie nicht der Mü- he würdig achtet, sich die gehörige Zeit bey ihrem Anschauen zu verweilen? Je wichtiger, schwerer und erhabner die Wahrheiten der Religion sind, desto nothwendiger ist es, daß der Verstand alle seine Kräfte anstrenge, zur Erkenntniß derselben zu gelangen. Es sind Reichthümer, die im Verborgnen liegen. Man muß tief graben, wenn man Gold finden will; also muß man su- chen und nachforschen, wenn man gründliche Ein- sichten in die Religion erhalten will. Es muß Lehrbegierde und nicht Neubegierde seyn, welche die F 3
es, noch ſo viel geſehen, beobachtet, gehört und geleſen zu haben, wenn es mit Nachläßigkeit ge- ſchehen iſt? Tauſend falſche und unrichtige Vor- ſtellungen von viel geringern Gegenſtänden, als Gott iſt, entſpringen bloß von der Trägheit des Verſtandes, der ſich weigert, dasjenige, was er unterſuchen ſoll, von allen Seiten zu betrachten, von der Oberfläche, die er ſieht, bis zu dem Grunde durchzudringen, der ſich dem unruhigen, immer umherſchweifenden Auge entzieht; bloß von der ſorgloſen Beruhigung in den erſten Ge- danken, die in der Seele entſtehen. Wie kann ich denn hoffen, ohne Aufmerkſamkeit, Eifer und Ernſt, Gott kennen zu lernen, wenn ſich die gemeinſten Wahrheiten, dem ſorgloſen An- blicke derjenigen entziehen, der ſie nicht der Mü- he würdig achtet, ſich die gehörige Zeit bey ihrem Anſchauen zu verweilen? Je wichtiger, ſchwerer und erhabner die Wahrheiten der Religion ſind, deſto nothwendiger iſt es, daß der Verſtand alle ſeine Kräfte anſtrenge, zur Erkenntniß derſelben zu gelangen. Es ſind Reichthümer, die im Verborgnen liegen. Man muß tief graben, wenn man Gold finden will; alſo muß man ſu- chen und nachforſchen, wenn man gründliche Ein- ſichten in die Religion erhalten will. Es muß Lehrbegierde und nicht Neubegierde ſeyn, welche die F 3
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es, noch ſo viel geſehen, beobachtet, gehört und
geleſen zu haben, wenn es mit Nachläßigkeit ge-
ſchehen iſt? Tauſend falſche und unrichtige Vor-
ſtellungen von viel geringern Gegenſtänden, als
Gott iſt, entſpringen bloß von der Trägheit des
Verſtandes, der ſich weigert, dasjenige, was er
unterſuchen ſoll, von allen Seiten zu betrachten,
von der Oberfläche, die er ſieht, bis zu dem
Grunde durchzudringen, der ſich dem unruhigen,
immer umherſchweifenden Auge entzieht; bloß
von der ſorgloſen Beruhigung in den erſten Ge-
danken, die in der Seele entſtehen. Wie kann
ich denn hoffen, ohne Aufmerkſamkeit, Eifer
und Ernſt, Gott kennen zu lernen, wenn ſich
die gemeinſten Wahrheiten, dem ſorgloſen An-
blicke derjenigen entziehen, der ſie nicht der Mü-
he würdig achtet, ſich die gehörige Zeit bey ihrem
Anſchauen zu verweilen? Je wichtiger, ſchwerer
und erhabner die Wahrheiten der Religion ſind,
deſto nothwendiger iſt es, daß der Verſtand alle
ſeine Kräfte anſtrenge, zur Erkenntniß derſelben
zu gelangen. Es ſind Reichthümer, die im
Verborgnen liegen. Man muß tief graben,
wenn man Gold finden will; alſo muß man ſu-
chen und nachforſchen, wenn man gründliche Ein-
ſichten in die Religion erhalten will. Es muß
Lehrbegierde und nicht Neubegierde ſeyn, welche
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