an sich hätte, davon befreiet werde. So Blanka, die gottselige Mutter des heiligen Königs Ludwig: Als derselbe nach seiner Taufe ihr wieder zuge- tragen wurde, nahm sie ihn in ihre Arme, drückte einen Kuß auf seine Brust und sprach: "Kind, du bist jetzt eine Wohnung des h. Geistes; o möge diese Wohnung nie durch eine Sünde entweihet werden!" Als er heranwuchs, suchte sie ihm einen großen Haß gegen die Sünde einzuprägen und sprach gar oft wiederholentlich zu ihm: "Mein Sohn, lieber wollte ich dich des Thrones, ja des Lebens beraubt, als mit einer Todsünde befleckt sehen." Wir kennen die Frucht dieser heiligen Mutterliebe: Der Sohn wurde ein Heiliger.
Kein Leid, kein Schmerz, kein Uebel, - das ist die Ueberzeugung der christlichen Mutterliebe - kann auch nur von fern sich messen mit dem Leid, dem Schmerze, dem Uebel, welche Sünde und Verkehrtheit über das Kind bringen würde. Daher liegt dieser wahren Mutterliebe nichts so fern, als unzeitige Zärtlichkeit und Schonung, da, wo es sich um die Verhütung oder Forträumung der Sünde handelt. Daher nimmt die christliche Mutter nicht Anstand, an ihrem Kinde eine strenge Zucht zu üben, ihm Manches vorzuenthalten, es zu strafen, ja selbst körperliche Züchtigung an ihm zu voll- führen, so oft sie darin das einzige Mittel erkennt, das Kind vor Sünde zu bewahren oder es zu bessern. Ist ja ihre Liebe zum Kinde ein Aus- fluß jener Liebe, die im Herzen Gottes gegen die Menschen waltet. Hält dieselbe den Herrn ab, uns, wo es Noth thut, zu züchtigen und zu stra-
an sich hätte, davon befreiet werde. So Blanka, die gottselige Mutter des heiligen Königs Ludwig: Als derselbe nach seiner Taufe ihr wieder zuge- tragen wurde, nahm sie ihn in ihre Arme, drückte einen Kuß auf seine Brust und sprach: „Kind, du bist jetzt eine Wohnung des h. Geistes; o möge diese Wohnung nie durch eine Sünde entweihet werden!“ Als er heranwuchs, suchte sie ihm einen großen Haß gegen die Sünde einzuprägen und sprach gar oft wiederholentlich zu ihm: „Mein Sohn, lieber wollte ich dich des Thrones, ja des Lebens beraubt, als mit einer Todsünde befleckt sehen.“ Wir kennen die Frucht dieser heiligen Mutterliebe: Der Sohn wurde ein Heiliger.
Kein Leid, kein Schmerz, kein Uebel, – das ist die Ueberzeugung der christlichen Mutterliebe - kann auch nur von fern sich messen mit dem Leid, dem Schmerze, dem Uebel, welche Sünde und Verkehrtheit über das Kind bringen würde. Daher liegt dieser wahren Mutterliebe nichts so fern, als unzeitige Zärtlichkeit und Schonung, da, wo es sich um die Verhütung oder Forträumung der Sünde handelt. Daher nimmt die christliche Mutter nicht Anstand, an ihrem Kinde eine strenge Zucht zu üben, ihm Manches vorzuenthalten, es zu strafen, ja selbst körperliche Züchtigung an ihm zu voll- führen, so oft sie darin das einzige Mittel erkennt, das Kind vor Sünde zu bewahren oder es zu bessern. Ist ja ihre Liebe zum Kinde ein Aus- fluß jener Liebe, die im Herzen Gottes gegen die Menschen waltet. Hält dieselbe den Herrn ab, uns, wo es Noth thut, zu züchtigen und zu stra-
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an sich hätte, davon befreiet werde. So Blanka,
die gottselige Mutter des heiligen Königs Ludwig:
Als derselbe nach seiner Taufe ihr wieder zuge-
tragen wurde, nahm sie ihn in ihre Arme, drückte
einen Kuß auf seine Brust und sprach: „Kind,
du bist jetzt eine Wohnung des h. Geistes; o möge
diese Wohnung nie durch eine Sünde entweihet
werden!“ Als er heranwuchs, suchte sie ihm einen
großen Haß gegen die Sünde einzuprägen und
sprach gar oft wiederholentlich zu ihm: „Mein
Sohn, lieber wollte ich dich des Thrones, ja des
Lebens beraubt, als mit einer Todsünde befleckt
sehen.“ Wir kennen die Frucht dieser heiligen
Mutterliebe: Der Sohn wurde ein Heiliger.
Kein Leid, kein Schmerz, kein Uebel, – das
ist die Ueberzeugung der christlichen Mutterliebe -
kann auch nur von fern sich messen mit dem Leid,
dem Schmerze, dem Uebel, welche Sünde und
Verkehrtheit über das Kind bringen würde. Daher
liegt dieser wahren Mutterliebe nichts so fern, als
unzeitige Zärtlichkeit und Schonung, da, wo es sich
um die Verhütung oder Forträumung der Sünde
handelt. Daher nimmt die christliche Mutter nicht
Anstand, an ihrem Kinde eine strenge Zucht zu
üben, ihm Manches vorzuenthalten, es zu strafen,
ja selbst körperliche Züchtigung an ihm zu voll-
führen, so oft sie darin das einzige Mittel erkennt,
das Kind vor Sünde zu bewahren oder es zu
bessern. Ist ja ihre Liebe zum Kinde ein Aus-
fluß jener Liebe, die im Herzen Gottes gegen die
Menschen waltet. Hält dieselbe den Herrn ab,
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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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