Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XVII. Betrachtung. so reiste er doch mit seinen Schülern dahin, um esnach der Vorschrift des Gesetzes zu feyern. Konnte er gleich im ganzen genommen, den durch so viele abergläubische Menschensatzungen verunstalteten Got- tesdienst dieses Volkes nicht billigen, fand er gleich dabey tausend anstößige Dinge, so machte er doch manche Gebräuche mit, deren Werth an sich sehr geringe war, so bequemte er sich doch nach der sinn- lichen Denkungsart seiner Nation, so viel es ohne Verletzung der Wahrheit möglich war, und wollte dadurch seinen Schülern und auch uns die große Wahrheit einprägen: daß man manches dulden müsse, was wirklich besser seyn könnte, sollte es auch nur seyn, um der Schwachen zu schonen. Entzog nun er, unser Herr, sich dem öffentli- über-
XVII. Betrachtung. ſo reiſte er doch mit ſeinen Schülern dahin, um esnach der Vorſchrift des Geſetzes zu feyern. Konnte er gleich im ganzen genommen, den durch ſo viele abergläubiſche Menſchenſatzungen verunſtalteten Got- tesdienſt dieſes Volkes nicht billigen, fand er gleich dabey tauſend anſtößige Dinge, ſo machte er doch manche Gebräuche mit, deren Werth an ſich ſehr geringe war, ſo bequemte er ſich doch nach der ſinn- lichen Denkungsart ſeiner Nation, ſo viel es ohne Verletzung der Wahrheit möglich war, und wollte dadurch ſeinen Schülern und auch uns die große Wahrheit einprägen: daß man manches dulden müſſe, was wirklich beſſer ſeyn könnte, ſollte es auch nur ſeyn, um der Schwachen zu ſchonen. Entzog nun er, unſer Herr, ſich dem öffentli- über-
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XVII. Betrachtung.
ſo reiſte er doch mit ſeinen Schülern dahin, um es
nach der Vorſchrift des Geſetzes zu feyern. Konnte
er gleich im ganzen genommen, den durch ſo viele
abergläubiſche Menſchenſatzungen verunſtalteten Got-
tesdienſt dieſes Volkes nicht billigen, fand er gleich
dabey tauſend anſtößige Dinge, ſo machte er doch
manche Gebräuche mit, deren Werth an ſich ſehr
geringe war, ſo bequemte er ſich doch nach der ſinn-
lichen Denkungsart ſeiner Nation, ſo viel es ohne
Verletzung der Wahrheit möglich war, und wollte
dadurch ſeinen Schülern und auch uns die große
Wahrheit einprägen: daß man manches dulden
müſſe, was wirklich beſſer ſeyn könnte, ſollte es
auch nur ſeyn, um der Schwachen zu ſchonen.
Entzog nun er, unſer Herr, ſich dem öffentli-
chen Gottesdienſte nicht, machte er ſichs, beſonders
um anderer willen, zur Pflicht, ihn regelmäßig ab-
zuwarten: warum ſind denn wir oft ſo nachläßig in
dieſem Stücke, da er doch ein ſehr dringendes Be-
dürfniß für uns alle bleibt? Treten wir nicht oft ge-
nug von dem Wege der Tugend ab? wird nicht oft
unſer Eifer im Guten matt? wird nicht oft unſer
Herz lau und kalt gegen Gott? vergeſſen wir nicht
oft die heilſamſten Wahrheiten, und haben wir es nicht
immer nöthig, daß wir an unſere Pflichten erinnert,
vor dem Böſen gewarnt, und zum Eifer in der Hei-
ligung angefriſcht werden? Gewiß, wenn wir das
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