Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XVII. Betrachtung. die er am Sabbath verrichtet, tadelte: der Sab-bath ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbaths willen.*) Allein dem allen ohngeachtet ehrte er doch auch durch sein Beyspiel den äußerlichen Gottesdienst, er billigte die Versammlungen der Menschen zum Lobe Gottes; mit sichtbarer Religiosität nahm er an jedem Sab- bath, an jedem Feste Antheil, weil dadurch die Wohl- thaten Gottes und die Wahrheiten der Religion soll- ten in Andenken erhalten werden. Mit Klugheit und Gottesfurcht beobachtete er alle jene Gebräuche, die von Gott anbefohlen waren, und die zum Vor- theil der wahren Religion dienen konnten; da er sich hingegen mit unerschrockenem Muthe allen abergläu- bischen Gebräuchen widersetzte, wodurch die Religi- on verderbt und geschändet wurde.**) Oft fand er sich bey den Lehrstühlen der Priester und Schriftge- lehrten ein, und hörte ihrem Unterrichte zu, ob er gleich nichts neues hörte, ob er gleich für sich keine Ermahnung, keine Erbauung brauchte. Hatte er gleich alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß; so hielt er es doch für Pflicht, den öffentlichen Vorle- sungen oder Erklärungen der göttlichen Bücher bey- zuwohnen. War er gleich oft weit von Jerusalem entfernt, wenn die Feyer eines großen Festes einfiel, so *) Marc. 2, 27. **) Matth. 23. Marc. 7, 1-16. Luc. 11, 37-40. G 5
XVII. Betrachtung. die er am Sabbath verrichtet, tadelte: der Sab-bath iſt um des Menſchen willen gemacht, und nicht der Menſch um des Sabbaths willen.*) Allein dem allen ohngeachtet ehrte er doch auch durch ſein Beyſpiel den äußerlichen Gottesdienſt, er billigte die Verſammlungen der Menſchen zum Lobe Gottes; mit ſichtbarer Religioſität nahm er an jedem Sab- bath, an jedem Feſte Antheil, weil dadurch die Wohl- thaten Gottes und die Wahrheiten der Religion ſoll- ten in Andenken erhalten werden. Mit Klugheit und Gottesfurcht beobachtete er alle jene Gebräuche, die von Gott anbefohlen waren, und die zum Vor- theil der wahren Religion dienen konnten; da er ſich hingegen mit unerſchrockenem Muthe allen abergläu- biſchen Gebräuchen widerſetzte, wodurch die Religi- on verderbt und geſchändet wurde.**) Oft fand er ſich bey den Lehrſtühlen der Prieſter und Schriftge- lehrten ein, und hörte ihrem Unterrichte zu, ob er gleich nichts neues hörte, ob er gleich für ſich keine Ermahnung, keine Erbauung brauchte. Hatte er gleich alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß; ſo hielt er es doch für Pflicht, den öffentlichen Vorle- ſungen oder Erklärungen der göttlichen Bücher bey- zuwohnen. War er gleich oft weit von Jeruſalem entfernt, wenn die Feyer eines großen Feſtes einfiel, ſo *) Marc. 2, 27. **) Matth. 23. Marc. 7, 1-16. Luc. 11, 37-40. G 5
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XVII. Betrachtung.
die er am Sabbath verrichtet, tadelte: der Sab-
bath iſt um des Menſchen willen gemacht, und nicht
der Menſch um des Sabbaths willen. *) Allein
dem allen ohngeachtet ehrte er doch auch durch ſein
Beyſpiel den äußerlichen Gottesdienſt, er billigte die
Verſammlungen der Menſchen zum Lobe Gottes;
mit ſichtbarer Religioſität nahm er an jedem Sab-
bath, an jedem Feſte Antheil, weil dadurch die Wohl-
thaten Gottes und die Wahrheiten der Religion ſoll-
ten in Andenken erhalten werden. Mit Klugheit
und Gottesfurcht beobachtete er alle jene Gebräuche,
die von Gott anbefohlen waren, und die zum Vor-
theil der wahren Religion dienen konnten; da er ſich
hingegen mit unerſchrockenem Muthe allen abergläu-
biſchen Gebräuchen widerſetzte, wodurch die Religi-
on verderbt und geſchändet wurde. **) Oft fand er
ſich bey den Lehrſtühlen der Prieſter und Schriftge-
lehrten ein, und hörte ihrem Unterrichte zu, ob er
gleich nichts neues hörte, ob er gleich für ſich keine
Ermahnung, keine Erbauung brauchte. Hatte er
gleich alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß; ſo
hielt er es doch für Pflicht, den öffentlichen Vorle-
ſungen oder Erklärungen der göttlichen Bücher bey-
zuwohnen. War er gleich oft weit von Jeruſalem
entfernt, wenn die Feyer eines großen Feſtes einfiel,
ſo
*) Marc. 2, 27.
**) Matth. 23. Marc. 7, 1-16. Luc. 11, 37-40.
G 5
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