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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XXIV. Betrachtung.
das, was kein Weltweiser in Athen und Rom, was
kein Hoherpriester in Jerusalem that. Er ließ sich zu
dem Geringsten im Volke herab, lehrte so simpel
und so faßlich, daß er auch von dem Unwissendsten
verstanden werden konnte; er trug die erhabensten
Religionsbegriffe so vor, daß der gemeine Mann sie
fassen konnte, dahingegen jene sich gar nicht um die
niedere Volksklasse bekümmerten. Er nahm jeden
Lehrbegierigen freundlich auf, und um jedem, der sich
ihm näherte, Muth zu machen, sprach er selbst: neh-
met auf euch mein Joch, und lernet von mir, denn
ich bin sanftmüthig,
*) das ist, nehmet meine Vor-
schriften an, an mir findet ihr einen liebreichen, güti-
gen, herablassenden Lehrer, der auch dem Geringen
und Armen seinen Unterricht nicht versagt. Sein
Betragen stimmte also ganz mit jener Schilderung
überein, die der Prophet lange Zeit vor seiner An-
kunft von ihm gemacht hatte: er wird nicht zanken
und schreyen, und man wird sein Geschrey nicht hö-
ren auf den Gassen. Das zerstoßene Rohr wird er
nicht zerbrechen, und das glimmende Tocht wird er
nicht auslöschen;
**) das heißt: er wird nicht mit
Ungestüm seine Lehre ausbreiten, sondern er wird
sein Volk sehr gütig und nachsichtig behandeln. Muß-
te er Jrrende widerlegen, so geschah es mit möglich-
ster Schonung ihrer Person; er bestürmte sie nicht,

sondern
*) Matth. 11, 29.
**) Matth. 12, 19. 20.

XXIV. Betrachtung.
das, was kein Weltweiſer in Athen und Rom, was
kein Hoherprieſter in Jeruſalem that. Er ließ ſich zu
dem Geringſten im Volke herab, lehrte ſo ſimpel
und ſo faßlich, daß er auch von dem Unwiſſendſten
verſtanden werden konnte; er trug die erhabenſten
Religionsbegriffe ſo vor, daß der gemeine Mann ſie
faſſen konnte, dahingegen jene ſich gar nicht um die
niedere Volksklaſſe bekümmerten. Er nahm jeden
Lehrbegierigen freundlich auf, und um jedem, der ſich
ihm näherte, Muth zu machen, ſprach er ſelbſt: neh-
met auf euch mein Joch, und lernet von mir, denn
ich bin ſanftmüthig,
*) das iſt, nehmet meine Vor-
ſchriften an, an mir findet ihr einen liebreichen, güti-
gen, herablaſſenden Lehrer, der auch dem Geringen
und Armen ſeinen Unterricht nicht verſagt. Sein
Betragen ſtimmte alſo ganz mit jener Schilderung
überein, die der Prophet lange Zeit vor ſeiner An-
kunft von ihm gemacht hatte: er wird nicht zanken
und ſchreyen, und man wird ſein Geſchrey nicht hö-
ren auf den Gaſſen. Das zerſtoßene Rohr wird er
nicht zerbrechen, und das glimmende Tocht wird er
nicht auslöſchen;
**) das heißt: er wird nicht mit
Ungeſtüm ſeine Lehre ausbreiten, ſondern er wird
ſein Volk ſehr gütig und nachſichtig behandeln. Muß-
te er Jrrende widerlegen, ſo geſchah es mit möglich-
ſter Schonung ihrer Perſon; er beſtürmte ſie nicht,

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*) Matth. 11, 29.
**) Matth. 12, 19. 20.
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[154/0180] XXIV. Betrachtung. das, was kein Weltweiſer in Athen und Rom, was kein Hoherprieſter in Jeruſalem that. Er ließ ſich zu dem Geringſten im Volke herab, lehrte ſo ſimpel und ſo faßlich, daß er auch von dem Unwiſſendſten verſtanden werden konnte; er trug die erhabenſten Religionsbegriffe ſo vor, daß der gemeine Mann ſie faſſen konnte, dahingegen jene ſich gar nicht um die niedere Volksklaſſe bekümmerten. Er nahm jeden Lehrbegierigen freundlich auf, und um jedem, der ſich ihm näherte, Muth zu machen, ſprach er ſelbſt: neh- met auf euch mein Joch, und lernet von mir, denn ich bin ſanftmüthig, *) das iſt, nehmet meine Vor- ſchriften an, an mir findet ihr einen liebreichen, güti- gen, herablaſſenden Lehrer, der auch dem Geringen und Armen ſeinen Unterricht nicht verſagt. Sein Betragen ſtimmte alſo ganz mit jener Schilderung überein, die der Prophet lange Zeit vor ſeiner An- kunft von ihm gemacht hatte: er wird nicht zanken und ſchreyen, und man wird ſein Geſchrey nicht hö- ren auf den Gaſſen. Das zerſtoßene Rohr wird er nicht zerbrechen, und das glimmende Tocht wird er nicht auslöſchen; **) das heißt: er wird nicht mit Ungeſtüm ſeine Lehre ausbreiten, ſondern er wird ſein Volk ſehr gütig und nachſichtig behandeln. Muß- te er Jrrende widerlegen, ſo geſchah es mit möglich- ſter Schonung ihrer Perſon; er beſtürmte ſie nicht, ſondern *) Matth. 11, 29. **) Matth. 12, 19. 20.

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/180>, abgerufen am 21.11.2024.