Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXIV. Betrachtung. ihren Unterricht und durch schlecht gewählten Um-gang sind veranlaßt worden. Versagt ihnen also nicht die Achtung und Liebe, die ihr ihnen schuldig seyd; sprecht nicht das Verdammungsurtheil über sie, und schließt sie nicht gleich von der Seligkeit des Himmels aus. Jhr dürft deswegen gegen wahre und falsche Lehren nicht gleichgültig seyn; denn dies war Jesus auch nicht, ob er gleich ein liebreiches Be- tragen gegen Jrrende durch sein Beyspiel empfahl. So gut ihr den Kranken liebt, ob ihr gleich seine Krankheit verabscheuet, und euch vor derselben hütet; eben so könnt ihr auch euern irrenden Brüdern hülf- reiche Hand leisten, sie schätzen, und ihnen nützliche Dienste erweisen, ohne daß ihr nöthig habt, ihre Jrrthümer zu begünstigen, oder in Schutz zu neh- men. Könnt ihr übrigens etwas zur Belehrung eu- rer Mitmenschen beytragen, so thut es mit Vorsich- tigkeit, und wagt euch nicht an Leute, bey denen ihr vermuthet, daß es nicht angewandt ist, und denen ihr an Einsicht und Scharfsinn nicht gewachsen seyd. Sonst ist entweder eure Mühe verlohren, oder ihr müßt gewärtig seyn, daß die Religion darüber be- schimpft wird. Habt ihr Gelegenheit, Unwissende und Jrrende zu belehren, so thuts mit Nachsicht und Geduld. Laßt euch die ersten Versuche nicht ab- schrecken, sondern benutzt diejenigen Zeitpunkte, wo eure Belehrungen einen erwünschten Eingang finden können.
XXIV. Betrachtung. ihren Unterricht und durch ſchlecht gewählten Um-gang ſind veranlaßt worden. Verſagt ihnen alſo nicht die Achtung und Liebe, die ihr ihnen ſchuldig ſeyd; ſprecht nicht das Verdammungsurtheil über ſie, und ſchließt ſie nicht gleich von der Seligkeit des Himmels aus. Jhr dürft deswegen gegen wahre und falſche Lehren nicht gleichgültig ſeyn; denn dies war Jeſus auch nicht, ob er gleich ein liebreiches Be- tragen gegen Jrrende durch ſein Beyſpiel empfahl. So gut ihr den Kranken liebt, ob ihr gleich ſeine Krankheit verabſcheuet, und euch vor derſelben hütet; eben ſo könnt ihr auch euern irrenden Brüdern hülf- reiche Hand leiſten, ſie ſchätzen, und ihnen nützliche Dienſte erweiſen, ohne daß ihr nöthig habt, ihre Jrrthümer zu begünſtigen, oder in Schutz zu neh- men. Könnt ihr übrigens etwas zur Belehrung eu- rer Mitmenſchen beytragen, ſo thut es mit Vorſich- tigkeit, und wagt euch nicht an Leute, bey denen ihr vermuthet, daß es nicht angewandt iſt, und denen ihr an Einſicht und Scharfſinn nicht gewachſen ſeyd. Sonſt iſt entweder eure Mühe verlohren, oder ihr müßt gewärtig ſeyn, daß die Religion darüber be- ſchimpft wird. Habt ihr Gelegenheit, Unwiſſende und Jrrende zu belehren, ſo thuts mit Nachſicht und Geduld. Laßt euch die erſten Verſuche nicht ab- ſchrecken, ſondern benutzt diejenigen Zeitpunkte, wo eure Belehrungen einen erwünſchten Eingang finden können.
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XXIV. Betrachtung.
ihren Unterricht und durch ſchlecht gewählten Um-
gang ſind veranlaßt worden. Verſagt ihnen alſo
nicht die Achtung und Liebe, die ihr ihnen ſchuldig
ſeyd; ſprecht nicht das Verdammungsurtheil über
ſie, und ſchließt ſie nicht gleich von der Seligkeit des
Himmels aus. Jhr dürft deswegen gegen wahre
und falſche Lehren nicht gleichgültig ſeyn; denn dies
war Jeſus auch nicht, ob er gleich ein liebreiches Be-
tragen gegen Jrrende durch ſein Beyſpiel empfahl.
So gut ihr den Kranken liebt, ob ihr gleich ſeine
Krankheit verabſcheuet, und euch vor derſelben hütet;
eben ſo könnt ihr auch euern irrenden Brüdern hülf-
reiche Hand leiſten, ſie ſchätzen, und ihnen nützliche
Dienſte erweiſen, ohne daß ihr nöthig habt, ihre
Jrrthümer zu begünſtigen, oder in Schutz zu neh-
men. Könnt ihr übrigens etwas zur Belehrung eu-
rer Mitmenſchen beytragen, ſo thut es mit Vorſich-
tigkeit, und wagt euch nicht an Leute, bey denen ihr
vermuthet, daß es nicht angewandt iſt, und denen
ihr an Einſicht und Scharfſinn nicht gewachſen ſeyd.
Sonſt iſt entweder eure Mühe verlohren, oder ihr
müßt gewärtig ſeyn, daß die Religion darüber be-
ſchimpft wird. Habt ihr Gelegenheit, Unwiſſende
und Jrrende zu belehren, ſo thuts mit Nachſicht und
Geduld. Laßt euch die erſten Verſuche nicht ab-
ſchrecken, ſondern benutzt diejenigen Zeitpunkte, wo
eure Belehrungen einen erwünſchten Eingang finden
können.
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