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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XXV. Betrachtung.
legenheit hast, dem Heiland eine Seele zuzuführen.
Laß dirs eine Freude seyn, wenn du hier und da ein
Wort zur Besserung sprechen, eine böse That hin-
dern, ein gutes Werk befördern kannst. Nur mußt
du mit der gehörigen Klugheit zu Werke gehen, wenn
du mit einem erwünschten Erfolg an der Besserung
anderer arbeiten willst. Wähle den rechten und
schicklichsten Zeitpunkt, wo du deine Brüder vor Ver-
gehungen und Verführungen warnen, von Uebeltha-
ten zurückhalten, und zu ihren Pflichten erwecken
kannst. Merke die Augenblicke, wo sie etwa ihr
Gewissen rührt, wo sie durch Gottes Gnade zum
Nachdenken kommen, wo sie die Augen über ihren
traurigen Zustand öfnen, und wo sie fähig sind, die
Ermahnungen eines Freundes zu hören und zu prü-
fen. Hast du erst so viel gewonnen, daß sie dich an-
hören; sehen sie nur erst ein, daß du es gut mit ih-
nen meynst, dann wirst du bald ihr Zutrauen und
ihre Liebe gewinnen. Entdecke ihnen hierauf, mit
der Stimme eines Freundes, deine Bekümmernisse
und Unruhe; bitte sie mit liebevoller Sanftmuth,
zu überlegen, wie groß und schwer die Rechenschaft
seyn wird, der sie sich aussetzen, wenn sie in der Sün-
de beharren; zeige ihnen Gottes Vaterliebe; mache
sie aufmerksam auf die vielen Wohlthaten, die sie
täglich genießen, und auf ihren Undank, durch den sie
sich an einem so guten Gott versündigen.

Machen

XXV. Betrachtung.
legenheit haſt, dem Heiland eine Seele zuzuführen.
Laß dirs eine Freude ſeyn, wenn du hier und da ein
Wort zur Beſſerung ſprechen, eine böſe That hin-
dern, ein gutes Werk befördern kannſt. Nur mußt
du mit der gehörigen Klugheit zu Werke gehen, wenn
du mit einem erwünſchten Erfolg an der Beſſerung
anderer arbeiten willſt. Wähle den rechten und
ſchicklichſten Zeitpunkt, wo du deine Brüder vor Ver-
gehungen und Verführungen warnen, von Uebeltha-
ten zurückhalten, und zu ihren Pflichten erwecken
kannſt. Merke die Augenblicke, wo ſie etwa ihr
Gewiſſen rührt, wo ſie durch Gottes Gnade zum
Nachdenken kommen, wo ſie die Augen über ihren
traurigen Zuſtand öfnen, und wo ſie fähig ſind, die
Ermahnungen eines Freundes zu hören und zu prü-
fen. Haſt du erſt ſo viel gewonnen, daß ſie dich an-
hören; ſehen ſie nur erſt ein, daß du es gut mit ih-
nen meynſt, dann wirſt du bald ihr Zutrauen und
ihre Liebe gewinnen. Entdecke ihnen hierauf, mit
der Stimme eines Freundes, deine Bekümmerniſſe
und Unruhe; bitte ſie mit liebevoller Sanftmuth,
zu überlegen, wie groß und ſchwer die Rechenſchaft
ſeyn wird, der ſie ſich ausſetzen, wenn ſie in der Sün-
de beharren; zeige ihnen Gottes Vaterliebe; mache
ſie aufmerkſam auf die vielen Wohlthaten, die ſie
täglich genießen, und auf ihren Undank, durch den ſie
ſich an einem ſo guten Gott verſündigen.

Machen
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[166/0192] XXV. Betrachtung. legenheit haſt, dem Heiland eine Seele zuzuführen. Laß dirs eine Freude ſeyn, wenn du hier und da ein Wort zur Beſſerung ſprechen, eine böſe That hin- dern, ein gutes Werk befördern kannſt. Nur mußt du mit der gehörigen Klugheit zu Werke gehen, wenn du mit einem erwünſchten Erfolg an der Beſſerung anderer arbeiten willſt. Wähle den rechten und ſchicklichſten Zeitpunkt, wo du deine Brüder vor Ver- gehungen und Verführungen warnen, von Uebeltha- ten zurückhalten, und zu ihren Pflichten erwecken kannſt. Merke die Augenblicke, wo ſie etwa ihr Gewiſſen rührt, wo ſie durch Gottes Gnade zum Nachdenken kommen, wo ſie die Augen über ihren traurigen Zuſtand öfnen, und wo ſie fähig ſind, die Ermahnungen eines Freundes zu hören und zu prü- fen. Haſt du erſt ſo viel gewonnen, daß ſie dich an- hören; ſehen ſie nur erſt ein, daß du es gut mit ih- nen meynſt, dann wirſt du bald ihr Zutrauen und ihre Liebe gewinnen. Entdecke ihnen hierauf, mit der Stimme eines Freundes, deine Bekümmerniſſe und Unruhe; bitte ſie mit liebevoller Sanftmuth, zu überlegen, wie groß und ſchwer die Rechenſchaft ſeyn wird, der ſie ſich ausſetzen, wenn ſie in der Sün- de beharren; zeige ihnen Gottes Vaterliebe; mache ſie aufmerkſam auf die vielen Wohlthaten, die ſie täglich genießen, und auf ihren Undank, durch den ſie ſich an einem ſo guten Gott verſündigen. Machen

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/192>, abgerufen am 24.11.2024.