Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXVII. Betrachtung. Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächt-nisse, was sie gethan hat. Das heißt: in der gan- zen christlichen Welt wird diese schöne Handlung zu ihrer Ehre bekannt werden, und ein immerwährendes Denkmal ihres guten Herzens bleiben. So sehr wußte Jesus diesen Liebesdienst zu schätzen. Möchte ich doch auch so richtig von den guten so
XXVII. Betrachtung. Welt, da wird man auch ſagen zu ihrem Gedächt-niſſe, was ſie gethan hat. Das heißt: in der gan- zen chriſtlichen Welt wird dieſe ſchöne Handlung zu ihrer Ehre bekannt werden, und ein immerwährendes Denkmal ihres guten Herzens bleiben. So ſehr wußte Jeſus dieſen Liebesdienſt zu ſchätzen. Möchte ich doch auch ſo richtig von den guten ſo
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0202" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXVII.</hi> Betrachtung.</fw><lb/><hi rendition="#fr">Welt, da wird man auch ſagen zu ihrem Gedächt-<lb/> niſſe, was ſie gethan hat.</hi> Das heißt: in der gan-<lb/> zen chriſtlichen Welt wird dieſe ſchöne Handlung zu<lb/> ihrer Ehre bekannt werden, und ein immerwährendes<lb/> Denkmal ihres guten Herzens bleiben. So ſehr<lb/> wußte Jeſus dieſen Liebesdienſt zu ſchätzen.</p><lb/> <p>Möchte ich doch auch ſo richtig von den guten<lb/> Handlungen anderer urtheilen, ihnen immer Gerech-<lb/> tigkeit wiederfahren laſſen, und ſie zu ihrem Lobe be-<lb/> kannt machen! Von dir, mein Heiland, will ich ler-<lb/> nen, den Menſchen mehr nach ſeinem <hi rendition="#fr">Innern,</hi> als<lb/> nach ſeinem <hi rendition="#fr">Aeußern</hi> zu beurtheilen; ich will mehr<lb/> auf ſeine Sinnes- und Denkungsart ſehen, als auf<lb/> das Kleid, welches er an hat, und auf den Stand,<lb/> in welchem er lebt. Zwar kann ich nicht, wie du<lb/> allwiſſender Herzenskündiger, dem Menſchen ins<lb/> Herz ſehen, und ſeine geheimen Geſinnungen nicht<lb/> erforſchen; aber das iſt auch nicht nöthig, um die<lb/> Herzensgüte und Herzensfrömmigkeit meiner Mit-<lb/> chriſten überall zu bemerken und zu billigen. Oft<lb/> will ich die ſtille Tugend, die ohne alles Geräuſch im<lb/> Verborgenen recht und wohl thut, beobachten; jedes-<lb/> mal will ich mich freuen, wenn ich ſie da finde, wo<lb/> ſie der große ſinnliche Haufe der Menſchen nicht ſieht,<lb/> und doch ſehr oft ſehen könnte, wenn er ſich die Mü-<lb/> he geben wollte, ſie aufzuſuchen. Nie will ich etwas<lb/> Gutes, das andre thun, geringe ſchätzen, es ſey auch<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſo</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0202]
XXVII. Betrachtung.
Welt, da wird man auch ſagen zu ihrem Gedächt-
niſſe, was ſie gethan hat. Das heißt: in der gan-
zen chriſtlichen Welt wird dieſe ſchöne Handlung zu
ihrer Ehre bekannt werden, und ein immerwährendes
Denkmal ihres guten Herzens bleiben. So ſehr
wußte Jeſus dieſen Liebesdienſt zu ſchätzen.
Möchte ich doch auch ſo richtig von den guten
Handlungen anderer urtheilen, ihnen immer Gerech-
tigkeit wiederfahren laſſen, und ſie zu ihrem Lobe be-
kannt machen! Von dir, mein Heiland, will ich ler-
nen, den Menſchen mehr nach ſeinem Innern, als
nach ſeinem Aeußern zu beurtheilen; ich will mehr
auf ſeine Sinnes- und Denkungsart ſehen, als auf
das Kleid, welches er an hat, und auf den Stand,
in welchem er lebt. Zwar kann ich nicht, wie du
allwiſſender Herzenskündiger, dem Menſchen ins
Herz ſehen, und ſeine geheimen Geſinnungen nicht
erforſchen; aber das iſt auch nicht nöthig, um die
Herzensgüte und Herzensfrömmigkeit meiner Mit-
chriſten überall zu bemerken und zu billigen. Oft
will ich die ſtille Tugend, die ohne alles Geräuſch im
Verborgenen recht und wohl thut, beobachten; jedes-
mal will ich mich freuen, wenn ich ſie da finde, wo
ſie der große ſinnliche Haufe der Menſchen nicht ſieht,
und doch ſehr oft ſehen könnte, wenn er ſich die Mü-
he geben wollte, ſie aufzuſuchen. Nie will ich etwas
Gutes, das andre thun, geringe ſchätzen, es ſey auch
ſo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |