Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXXI. Betrachtung. fen, der leicht die Wahrheit mißbraucht. Undeben so wirst auch du immer mit sehr verschiedenen Menschen zu thun haben. Was du dem einen ohne Bedenken anvertrauen kannst, gerade das mußt du einem andern verschweigen, weil beides, sein Verstand und Herz, zu schwach sind. Sey also stets auf dei- ner Hut, und mache auch hier eine gute Anwen- dung von jener apostolischen Regel: Jeder Mensch sey langsam zu reden:*) Denn der Christ Entdeckt nicht alles, was er denkt; Verschweigt, was schadet oder kränkt, Nimmt gern des Jrrenden sich an, Wenn ihn sein Rath erleuchten kann. Er spricht mit Wahl und Vorbedacht; Scheut aber keines Menschen Macht, Wenn Wahrheit und Gerechtigkeit Der Unschuld Rettung ihm gebeut. Einunddreyßigste Betrachtung. Jesu seltne Klugheit. Ephes. 5, 15. Wandelt vorsichtig als die Weisen, und nicht als die Unweisen. Nie hat ein Mensch gelebt, der bey dem pünkt- te *) Jac. 1, 19. N 5
XXXI. Betrachtung. fen, der leicht die Wahrheit mißbraucht. Undeben ſo wirſt auch du immer mit ſehr verſchiedenen Menſchen zu thun haben. Was du dem einen ohne Bedenken anvertrauen kannſt, gerade das mußt du einem andern verſchweigen, weil beides, ſein Verſtand und Herz, zu ſchwach ſind. Sey alſo ſtets auf dei- ner Hut, und mache auch hier eine gute Anwen- dung von jener apoſtoliſchen Regel: Jeder Menſch ſey langſam zu reden:*) Denn der Chriſt Entdeckt nicht alles, was er denkt; Verſchweigt, was ſchadet oder kränkt, Nimmt gern des Jrrenden ſich an, Wenn ihn ſein Rath erleuchten kann. Er ſpricht mit Wahl und Vorbedacht; Scheut aber keines Menſchen Macht, Wenn Wahrheit und Gerechtigkeit Der Unſchuld Rettung ihm gebeut. Einunddreyßigſte Betrachtung. Jeſu ſeltne Klugheit. Epheſ. 5, 15. Wandelt vorſichtig als die Weiſen, und nicht als die Unweiſen. Nie hat ein Menſch gelebt, der bey dem pünkt- te *) Jac. 1, 19. N 5
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XXXI. Betrachtung.
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eben ſo wirſt auch du immer mit ſehr verſchiedenen
Menſchen zu thun haben. Was du dem einen ohne
Bedenken anvertrauen kannſt, gerade das mußt du
einem andern verſchweigen, weil beides, ſein Verſtand
und Herz, zu ſchwach ſind. Sey alſo ſtets auf dei-
ner Hut, und mache auch hier eine gute Anwen-
dung von jener apoſtoliſchen Regel: Jeder Menſch
ſey langſam zu reden: *) Denn der Chriſt
Entdeckt nicht alles, was er denkt;
Verſchweigt, was ſchadet oder kränkt,
Nimmt gern des Jrrenden ſich an,
Wenn ihn ſein Rath erleuchten kann.
Er ſpricht mit Wahl und Vorbedacht;
Scheut aber keines Menſchen Macht,
Wenn Wahrheit und Gerechtigkeit
Der Unſchuld Rettung ihm gebeut.
Einunddreyßigſte Betrachtung.
Jeſu ſeltne Klugheit.
Epheſ. 5, 15.
Wandelt vorſichtig als die Weiſen, und nicht als die Unweiſen.
Nie hat ein Menſch gelebt, der bey dem pünkt-
lichſten Gehorſam gegen den Willen Gottes
ſo viel Klugheit bewieſen hätte, als Jeſus. Er wuß-
te
*) Jac. 1, 19.
N 5
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