Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXXI. Betrachtung. sondern gemeine Menschen, die aber gelehriger undvon Vorurtheilen freyer waren, als jene. Denn er wußte, daß diese fähiger wären, die Wahrheit zu fas- sen; und er hofte, die Welt würde desto eher einsehn, daß die herrliche Religion, die er stiftete, nicht Men- schen-sondern Gottes Werk sey. Aus Klugheit er- laubte er dem gesund gemachten Gergesener nicht, ihm nachzufolgen, weil er ein Heyde war, und weil dieser Umstand den Juden würde anstößig gewesen seyn.*) Aus Klugheit erklärte er die gesund gemach- ten Aussätzigen nicht selbst für rein, sondern überließ das den Priestern, denen es aufgetragen war, solche Kranke zu untersuchen, und sie für rein zu erklären, damit es nicht scheinen möchte, als wollte er einen Eingrif in ihre Amtsverrichtungen thun.**) Oft entwich er seinen Gegnern, um sich ihrer Wuth zu entziehen, und verbot bey solchen Gelegenheiten de- nen, zu deren Besten er ein Wunder gethan hatte, seine Thaten öffentlich bekannt zu machen,***) um den Verfolgungsgeist seiner Widersacher nicht noch mehr zu erhitzen. Sorgfältig vermied er alles, was das Volk zum Aufruhr oder zu gewaltthätigen Un- ternehmungen hätte verleiten können. Sobald er merkte, daß sie ihn wegen seiner Wunderwerke zum König ausrufen würden; so entfernte er sich den Au- genblick und verbarg sich eine zeitlang auf einem ein- samen *) Marc. 5. 18. 19. **) Luc. 17, 14. ***) Matth. 12, 15.
XXXI. Betrachtung. ſondern gemeine Menſchen, die aber gelehriger undvon Vorurtheilen freyer waren, als jene. Denn er wußte, daß dieſe fähiger wären, die Wahrheit zu faſ- ſen; und er hofte, die Welt würde deſto eher einſehn, daß die herrliche Religion, die er ſtiftete, nicht Men- ſchen-ſondern Gottes Werk ſey. Aus Klugheit er- laubte er dem geſund gemachten Gergeſener nicht, ihm nachzufolgen, weil er ein Heyde war, und weil dieſer Umſtand den Juden würde anſtößig geweſen ſeyn.*) Aus Klugheit erklärte er die geſund gemach- ten Ausſätzigen nicht ſelbſt für rein, ſondern überließ das den Prieſtern, denen es aufgetragen war, ſolche Kranke zu unterſuchen, und ſie für rein zu erklären, damit es nicht ſcheinen möchte, als wollte er einen Eingrif in ihre Amtsverrichtungen thun.**) Oft entwich er ſeinen Gegnern, um ſich ihrer Wuth zu entziehen, und verbot bey ſolchen Gelegenheiten de- nen, zu deren Beſten er ein Wunder gethan hatte, ſeine Thaten öffentlich bekannt zu machen,***) um den Verfolgungsgeiſt ſeiner Widerſacher nicht noch mehr zu erhitzen. Sorgfältig vermied er alles, was das Volk zum Aufruhr oder zu gewaltthätigen Un- ternehmungen hätte verleiten können. Sobald er merkte, daß ſie ihn wegen ſeiner Wunderwerke zum König ausrufen würden; ſo entfernte er ſich den Au- genblick und verbarg ſich eine zeitlang auf einem ein- ſamen *) Marc. 5. 18. 19. **) Luc. 17, 14. ***) Matth. 12, 15.
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XXXI. Betrachtung.
ſondern gemeine Menſchen, die aber gelehriger und
von Vorurtheilen freyer waren, als jene. Denn er
wußte, daß dieſe fähiger wären, die Wahrheit zu faſ-
ſen; und er hofte, die Welt würde deſto eher einſehn,
daß die herrliche Religion, die er ſtiftete, nicht Men-
ſchen-ſondern Gottes Werk ſey. Aus Klugheit er-
laubte er dem geſund gemachten Gergeſener nicht,
ihm nachzufolgen, weil er ein Heyde war, und weil
dieſer Umſtand den Juden würde anſtößig geweſen
ſeyn. *) Aus Klugheit erklärte er die geſund gemach-
ten Ausſätzigen nicht ſelbſt für rein, ſondern überließ
das den Prieſtern, denen es aufgetragen war, ſolche
Kranke zu unterſuchen, und ſie für rein zu erklären,
damit es nicht ſcheinen möchte, als wollte er einen
Eingrif in ihre Amtsverrichtungen thun. **) Oft
entwich er ſeinen Gegnern, um ſich ihrer Wuth zu
entziehen, und verbot bey ſolchen Gelegenheiten de-
nen, zu deren Beſten er ein Wunder gethan hatte,
ſeine Thaten öffentlich bekannt zu machen, ***) um
den Verfolgungsgeiſt ſeiner Widerſacher nicht noch
mehr zu erhitzen. Sorgfältig vermied er alles, was
das Volk zum Aufruhr oder zu gewaltthätigen Un-
ternehmungen hätte verleiten können. Sobald er
merkte, daß ſie ihn wegen ſeiner Wunderwerke zum
König ausrufen würden; ſo entfernte er ſich den Au-
genblick und verbarg ſich eine zeitlang auf einem ein-
ſamen
*) Marc. 5. 18. 19.
**) Luc. 17, 14.
***) Matth. 12, 15.
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