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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XXXII. Betrachtung.
sehr ein Freund der Friedferdigkeit und Verträglich-
keit, als daß sie ihre gefährlichen Absichten hätten er-
reichen können. Er selbst gab nie zum Zanke und zur
Uneinigkeit Veranlassung; denn er that niemanden
Unrecht, er beleidigte kein Kind, er mischte sich nie
in Dinge, die außer seinem Berufe lagen. Frey
von aller Ehr- und Partheysucht, frey vom Neide
und vom Argwohne, welches die gewöhnlichen Quel-
len aller Zänkereyen und Streitigkeiten sind, suchte
er immer mit allen seinen Zeitgenossen in einem guten
Vernehmen zu stehen, und begegnete jedem mit Liebe
und Achtung. Denn Liebe zur Eintracht und zum
Frieden hatten ganz ihren Sitz in seiner himmli-
schen Seele. Allein von Seiten der Schriftgelehr-
ten und Pharisäer fieng man es recht darauf an, ihn
in Streitigkeiten zu verwickeln, weil sie ihn als einen
Mann haßten, der mit ihrer verkehrten Denkungsart
nicht übereinstimmte, der ihnen die Wahrheit zu of-
fenherzig sagte, der ihnen die Larve der Heucheley
muthig abzog, so daß das Volk anfieng, in die Ehr-
lichkeit dieser Männer ein Mißtrauen zu setzen, und
sie für scheinheilige Betrüger zu halten. Oft legten
sie ihm verfängliche Fragen vor; allein er beantwor-
tete sie so, daß sie beschämt und zum Stillschweigen
gebracht wurden, und wenn dieses erfolgt war,
so rühmte er sich seines Sieges nicht, so spottete er
nicht über ihre sichtbare Verlegenheit. Mit Ernst

und

XXXII. Betrachtung.
ſehr ein Freund der Friedferdigkeit und Verträglich-
keit, als daß ſie ihre gefährlichen Abſichten hätten er-
reichen können. Er ſelbſt gab nie zum Zanke und zur
Uneinigkeit Veranlaſſung; denn er that niemanden
Unrecht, er beleidigte kein Kind, er miſchte ſich nie
in Dinge, die außer ſeinem Berufe lagen. Frey
von aller Ehr- und Partheyſucht, frey vom Neide
und vom Argwohne, welches die gewöhnlichen Quel-
len aller Zänkereyen und Streitigkeiten ſind, ſuchte
er immer mit allen ſeinen Zeitgenoſſen in einem guten
Vernehmen zu ſtehen, und begegnete jedem mit Liebe
und Achtung. Denn Liebe zur Eintracht und zum
Frieden hatten ganz ihren Sitz in ſeiner himmli-
ſchen Seele. Allein von Seiten der Schriftgelehr-
ten und Phariſäer fieng man es recht darauf an, ihn
in Streitigkeiten zu verwickeln, weil ſie ihn als einen
Mann haßten, der mit ihrer verkehrten Denkungsart
nicht übereinſtimmte, der ihnen die Wahrheit zu of-
fenherzig ſagte, der ihnen die Larve der Heucheley
muthig abzog, ſo daß das Volk anfieng, in die Ehr-
lichkeit dieſer Männer ein Mißtrauen zu ſetzen, und
ſie für ſcheinheilige Betrüger zu halten. Oft legten
ſie ihm verfängliche Fragen vor; allein er beantwor-
tete ſie ſo, daß ſie beſchämt und zum Stillſchweigen
gebracht wurden, und wenn dieſes erfolgt war,
ſo rühmte er ſich ſeines Sieges nicht, ſo ſpottete er
nicht über ihre ſichtbare Verlegenheit. Mit Ernſt

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[208/0234] XXXII. Betrachtung. ſehr ein Freund der Friedferdigkeit und Verträglich- keit, als daß ſie ihre gefährlichen Abſichten hätten er- reichen können. Er ſelbſt gab nie zum Zanke und zur Uneinigkeit Veranlaſſung; denn er that niemanden Unrecht, er beleidigte kein Kind, er miſchte ſich nie in Dinge, die außer ſeinem Berufe lagen. Frey von aller Ehr- und Partheyſucht, frey vom Neide und vom Argwohne, welches die gewöhnlichen Quel- len aller Zänkereyen und Streitigkeiten ſind, ſuchte er immer mit allen ſeinen Zeitgenoſſen in einem guten Vernehmen zu ſtehen, und begegnete jedem mit Liebe und Achtung. Denn Liebe zur Eintracht und zum Frieden hatten ganz ihren Sitz in ſeiner himmli- ſchen Seele. Allein von Seiten der Schriftgelehr- ten und Phariſäer fieng man es recht darauf an, ihn in Streitigkeiten zu verwickeln, weil ſie ihn als einen Mann haßten, der mit ihrer verkehrten Denkungsart nicht übereinſtimmte, der ihnen die Wahrheit zu of- fenherzig ſagte, der ihnen die Larve der Heucheley muthig abzog, ſo daß das Volk anfieng, in die Ehr- lichkeit dieſer Männer ein Mißtrauen zu ſetzen, und ſie für ſcheinheilige Betrüger zu halten. Oft legten ſie ihm verfängliche Fragen vor; allein er beantwor- tete ſie ſo, daß ſie beſchämt und zum Stillſchweigen gebracht wurden, und wenn dieſes erfolgt war, ſo rühmte er ſich ſeines Sieges nicht, ſo ſpottete er nicht über ihre ſichtbare Verlegenheit. Mit Ernſt und

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/234>, abgerufen am 21.11.2024.