Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

XXXVI. Betrachtung.
schon bis an den Hof Herodis gedrungen, da er wuß-
te, wie unruhig dieser argwöhnische König darüber
war. Ein andermal als Jesus am Lauberhütten-
feste ungemein viel Beyfall fand, und die Zahl sei-
ner Anhänger immer größer wurde, beschloß der ho-
he Rath, ihn gefänglich einzuziehen, und man schickte
sogar Gerichtsdiener ab, die ihn greiffen sollten. Al-
lein Jesus wußte diesen Anschlag, hörte aber des-
wegen nicht auf zu lehren, sondern richtete seinen
Vortrag so ein, daß selbst die Gerichtsdiener dadurch
gerührt wurden, und es nicht wagten, Hand an ihn
zu legen, sondern vielmehr sagten: Es hat nie ein
Mensch so geredet, wie dieser Mensch.
*) Bald
darauf, als er die Juden versicherte, er habe schon
lange vor Abraham gelebt;
so brachte sie das in Hiz-
ze, sie schritten zu Gewaltthätigkeiten und wollten ihn
auf der Stelle steinigen. Allein ohne eines Men-
schen Schutz zu bedürfen, gieng er mitten durch sie
unbeschädigt aus dem Tempel;**) er drängte sich
durch das dabey stehende Volk, und so durften sie
ihn nicht mehr mit Steinen verfolgen, weil sie sonst
andere würden beschädiget haben. Auch da, als
nach der Auferweckung des Lazarus der hohe Rath
recht ernstlich darauf bedacht war, ihn zu tödten, als
der hohe Rath so gar einen Befehl gab, wodurch Je-
dermann, der seinen Aufenthalt wüßte, aufgefordert

wurde,
*) Joh. 7, 46.
**) Joh. 8, 59. Joh. 10, 39.

XXXVI. Betrachtung.
ſchon bis an den Hof Herodis gedrungen, da er wuß-
te, wie unruhig dieſer argwöhniſche König darüber
war. Ein andermal als Jeſus am Lauberhütten-
feſte ungemein viel Beyfall fand, und die Zahl ſei-
ner Anhänger immer größer wurde, beſchloß der ho-
he Rath, ihn gefänglich einzuziehen, und man ſchickte
ſogar Gerichtsdiener ab, die ihn greiffen ſollten. Al-
lein Jeſus wußte dieſen Anſchlag, hörte aber des-
wegen nicht auf zu lehren, ſondern richtete ſeinen
Vortrag ſo ein, daß ſelbſt die Gerichtsdiener dadurch
gerührt wurden, und es nicht wagten, Hand an ihn
zu legen, ſondern vielmehr ſagten: Es hat nie ein
Menſch ſo geredet, wie dieſer Menſch.
*) Bald
darauf, als er die Juden verſicherte, er habe ſchon
lange vor Abraham gelebt;
ſo brachte ſie das in Hiz-
ze, ſie ſchritten zu Gewaltthätigkeiten und wollten ihn
auf der Stelle ſteinigen. Allein ohne eines Men-
ſchen Schutz zu bedürfen, gieng er mitten durch ſie
unbeſchädigt aus dem Tempel;**) er drängte ſich
durch das dabey ſtehende Volk, und ſo durften ſie
ihn nicht mehr mit Steinen verfolgen, weil ſie ſonſt
andere würden beſchädiget haben. Auch da, als
nach der Auferweckung des Lazarus der hohe Rath
recht ernſtlich darauf bedacht war, ihn zu tödten, als
der hohe Rath ſo gar einen Befehl gab, wodurch Je-
dermann, der ſeinen Aufenthalt wüßte, aufgefordert

wurde,
*) Joh. 7, 46.
**) Joh. 8, 59. Joh. 10, 39.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0262" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXXVI.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
&#x017F;chon bis an den Hof Herodis gedrungen, da er wuß-<lb/>
te, wie unruhig die&#x017F;er argwöhni&#x017F;che König darüber<lb/>
war. Ein andermal als Je&#x017F;us am Lauberhütten-<lb/>
fe&#x017F;te ungemein viel Beyfall fand, und die Zahl &#x017F;ei-<lb/>
ner Anhänger immer größer wurde, be&#x017F;chloß der ho-<lb/>
he Rath, ihn gefänglich einzuziehen, und man &#x017F;chickte<lb/>
&#x017F;ogar Gerichtsdiener ab, die ihn greiffen &#x017F;ollten. Al-<lb/>
lein Je&#x017F;us wußte die&#x017F;en An&#x017F;chlag, hörte aber des-<lb/>
wegen nicht auf zu lehren, &#x017F;ondern richtete &#x017F;einen<lb/>
Vortrag &#x017F;o ein, daß &#x017F;elb&#x017F;t die Gerichtsdiener dadurch<lb/>
gerührt wurden, und es nicht wagten, Hand an ihn<lb/>
zu legen, &#x017F;ondern vielmehr &#x017F;agten: <hi rendition="#fr">Es hat nie ein<lb/>
Men&#x017F;ch &#x017F;o geredet, wie die&#x017F;er Men&#x017F;ch.</hi><note place="foot" n="*)">Joh. 7, 46.</note> Bald<lb/>
darauf, als er die Juden ver&#x017F;icherte, er habe <hi rendition="#fr">&#x017F;chon<lb/>
lange vor Abraham gelebt;</hi> &#x017F;o brachte &#x017F;ie das in Hiz-<lb/>
ze, &#x017F;ie &#x017F;chritten zu Gewaltthätigkeiten und wollten ihn<lb/>
auf der Stelle &#x017F;teinigen. Allein ohne eines Men-<lb/>
&#x017F;chen Schutz zu bedürfen, gieng er mitten durch &#x017F;ie<lb/>
unbe&#x017F;chädigt aus dem Tempel;<note place="foot" n="**)">Joh. 8, 59. Joh. 10, 39.</note> er drängte &#x017F;ich<lb/>
durch das dabey &#x017F;tehende Volk, und &#x017F;o durften &#x017F;ie<lb/>
ihn nicht mehr mit Steinen verfolgen, weil &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
andere würden be&#x017F;chädiget haben. Auch da, als<lb/>
nach der Auferweckung des Lazarus der hohe Rath<lb/>
recht ern&#x017F;tlich darauf bedacht war, ihn zu tödten, als<lb/>
der hohe Rath &#x017F;o gar einen Befehl gab, wodurch Je-<lb/>
dermann, der &#x017F;einen Aufenthalt wüßte, aufgefordert<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wurde,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0262] XXXVI. Betrachtung. ſchon bis an den Hof Herodis gedrungen, da er wuß- te, wie unruhig dieſer argwöhniſche König darüber war. Ein andermal als Jeſus am Lauberhütten- feſte ungemein viel Beyfall fand, und die Zahl ſei- ner Anhänger immer größer wurde, beſchloß der ho- he Rath, ihn gefänglich einzuziehen, und man ſchickte ſogar Gerichtsdiener ab, die ihn greiffen ſollten. Al- lein Jeſus wußte dieſen Anſchlag, hörte aber des- wegen nicht auf zu lehren, ſondern richtete ſeinen Vortrag ſo ein, daß ſelbſt die Gerichtsdiener dadurch gerührt wurden, und es nicht wagten, Hand an ihn zu legen, ſondern vielmehr ſagten: Es hat nie ein Menſch ſo geredet, wie dieſer Menſch. *) Bald darauf, als er die Juden verſicherte, er habe ſchon lange vor Abraham gelebt; ſo brachte ſie das in Hiz- ze, ſie ſchritten zu Gewaltthätigkeiten und wollten ihn auf der Stelle ſteinigen. Allein ohne eines Men- ſchen Schutz zu bedürfen, gieng er mitten durch ſie unbeſchädigt aus dem Tempel; **) er drängte ſich durch das dabey ſtehende Volk, und ſo durften ſie ihn nicht mehr mit Steinen verfolgen, weil ſie ſonſt andere würden beſchädiget haben. Auch da, als nach der Auferweckung des Lazarus der hohe Rath recht ernſtlich darauf bedacht war, ihn zu tödten, als der hohe Rath ſo gar einen Befehl gab, wodurch Je- dermann, der ſeinen Aufenthalt wüßte, aufgefordert wurde, *) Joh. 7, 46. **) Joh. 8, 59. Joh. 10, 39.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/262
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/262>, abgerufen am 22.11.2024.