Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXXIX. Betrachtung. und wenn wir in der Stille über die uns zugefügtenBeleidigungen seufzen, wenn wir unsre Ehre retten und unsre Unschuld vertheidigen. Ja es ist sogar Pflicht, das wir unsre Ehre mit Bescheidenheit und Sanftmuth rechtfertigen; nur müssen wir nicht zur Selbstrache und zu ähnlichen Gegenbeleidigungen unsre Zuflucht nehmen. Wenn muthwillige, bos- hafte Menschen uns verspotten und lächerlich zu machen suchen, oder sonst auf eine Art mißhandeln, so ist es uns erlaubt, unsern Beleidigern zu antwor- ten, unsre gekränkte Ehre zu vertheidigen, ihnen auf eine glimpfliche Art ihre an uns begangene Ungerech- tigkeit vorzustellen, und sie durch Gründe eines bes- sern zu belehren. Laßt uns aber auch, wie Jesus, nur nach wahrer Ehre streben! denn unverdiente Eh- re ist mehr Schande als Ehre. Schmeicheley und falsches Lob ist gar kein Lob. Wahre Ehre hingegen ist eine beständige Begleiterin der Tugend, so wie der Schatten dem Körper stets zur Seite geht. Laßt uns also dahin arbeiten, daß wir durch Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Uneigennützigkeit, Dienstfertigkeit und andere wohlthätige Werke den Frommen werth, den Lasterhaften ehrwürdig werden. Denn es ist kein sicherer Weg zur wahren Ehre zu gelangen, als dieser. Er, unser Herr, suchte nicht Ehre bey Menschen, rühmte sich nicht seiner Vorzüge; aber alles, was wahrhaftig, was ehrwürdig, was rühm- lich R 2
XXXIX. Betrachtung. und wenn wir in der Stille über die uns zugefügtenBeleidigungen ſeufzen, wenn wir unſre Ehre retten und unſre Unſchuld vertheidigen. Ja es iſt ſogar Pflicht, das wir unſre Ehre mit Beſcheidenheit und Sanftmuth rechtfertigen; nur müſſen wir nicht zur Selbſtrache und zu ähnlichen Gegenbeleidigungen unſre Zuflucht nehmen. Wenn muthwillige, bos- hafte Menſchen uns verſpotten und lächerlich zu machen ſuchen, oder ſonſt auf eine Art mißhandeln, ſo iſt es uns erlaubt, unſern Beleidigern zu antwor- ten, unſre gekränkte Ehre zu vertheidigen, ihnen auf eine glimpfliche Art ihre an uns begangene Ungerech- tigkeit vorzuſtellen, und ſie durch Gründe eines beſ- ſern zu belehren. Laßt uns aber auch, wie Jeſus, nur nach wahrer Ehre ſtreben! denn unverdiente Eh- re iſt mehr Schande als Ehre. Schmeicheley und falſches Lob iſt gar kein Lob. Wahre Ehre hingegen iſt eine beſtändige Begleiterin der Tugend, ſo wie der Schatten dem Körper ſtets zur Seite geht. Laßt uns alſo dahin arbeiten, daß wir durch Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Uneigennützigkeit, Dienſtfertigkeit und andere wohlthätige Werke den Frommen werth, den Laſterhaften ehrwürdig werden. Denn es iſt kein ſicherer Weg zur wahren Ehre zu gelangen, als dieſer. Er, unſer Herr, ſuchte nicht Ehre bey Menſchen, rühmte ſich nicht ſeiner Vorzüge; aber alles, was wahrhaftig, was ehrwürdig, was rühm- lich R 2
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XXXIX. Betrachtung.
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Beleidigungen ſeufzen, wenn wir unſre Ehre retten
und unſre Unſchuld vertheidigen. Ja es iſt ſogar
Pflicht, das wir unſre Ehre mit Beſcheidenheit und
Sanftmuth rechtfertigen; nur müſſen wir nicht zur
Selbſtrache und zu ähnlichen Gegenbeleidigungen
unſre Zuflucht nehmen. Wenn muthwillige, bos-
hafte Menſchen uns verſpotten und lächerlich zu
machen ſuchen, oder ſonſt auf eine Art mißhandeln,
ſo iſt es uns erlaubt, unſern Beleidigern zu antwor-
ten, unſre gekränkte Ehre zu vertheidigen, ihnen auf
eine glimpfliche Art ihre an uns begangene Ungerech-
tigkeit vorzuſtellen, und ſie durch Gründe eines beſ-
ſern zu belehren. Laßt uns aber auch, wie Jeſus,
nur nach wahrer Ehre ſtreben! denn unverdiente Eh-
re iſt mehr Schande als Ehre. Schmeicheley und
falſches Lob iſt gar kein Lob. Wahre Ehre hingegen
iſt eine beſtändige Begleiterin der Tugend, ſo wie
der Schatten dem Körper ſtets zur Seite geht. Laßt
uns alſo dahin arbeiten, daß wir durch Ehrlichkeit,
Wahrhaftigkeit, Uneigennützigkeit, Dienſtfertigkeit
und andere wohlthätige Werke den Frommen werth,
den Laſterhaften ehrwürdig werden. Denn es iſt
kein ſicherer Weg zur wahren Ehre zu gelangen, als
dieſer. Er, unſer Herr, ſuchte nicht Ehre bey
Menſchen, rühmte ſich nicht ſeiner Vorzüge; aber
alles, was wahrhaftig, was ehrwürdig, was rühm-
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