Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XL. Betrachtung. Ehre der Menschheit freygebig seyn, und was ich damuß geben, das will ich als ein Capital ansehn, das ich gut anlege, und das mir über lang oder kurz reich- liche Zinsen tragen wird. Jmmer will ich sorgfäl- tig meine Einnahme mit meinen Bedürfnissen verglei- chen, zufrieden will ich seyn, wenn ich nur immer das nöthigste und wichtigste mir anschaffen kann, wenn ich mir auch gleich manches versagen muß, das blos zum Ueberfluß und zur Bequemlichkeit gehört, oder das der zunehmende Luxus andern zum Bedürf- niß macht. Alle unnütze überflüßige Ausgaben will ich meiden, und mich nie der Gefahr aussetzen, Schulden zu machen, ohne zu wissen, wovon ich sie wieder abtragen will, denn sonst würde ich mich an dem rechtmäßigen Eigenthume meines Nächsten ver- greifen. Kann ich von dem, was ich auf eine er- laubte Art durch Arbeit, durch die Abwartung mei- nes Berufs und durch den Segen Gottes erwerbe, etwas zurücklegen, so will ich mirs zur Pflicht ma- chen. Denn wenn mir gleich jetzo kein Mangel droht, und ich keine Armuth fürchten darf, so kann ich doch nicht in die entfernte Zukunft hinaussehen. Oft ändern sich Zeit und Umstände gar sehr und plötzlich, oft kommen ganz unerwartete Vorfälle, oft treffen den Menschen langwierige Krankheiten, die ihn außer Stand setzen, etwas zu erwerben. Wie gut ist es dann, wenn man bey gesunden Tagen und zur Zeit des R 5
XL. Betrachtung. Ehre der Menſchheit freygebig ſeyn, und was ich damuß geben, das will ich als ein Capital anſehn, das ich gut anlege, und das mir über lang oder kurz reich- liche Zinſen tragen wird. Jmmer will ich ſorgfäl- tig meine Einnahme mit meinen Bedürfniſſen verglei- chen, zufrieden will ich ſeyn, wenn ich nur immer das nöthigſte und wichtigſte mir anſchaffen kann, wenn ich mir auch gleich manches verſagen muß, das blos zum Ueberfluß und zur Bequemlichkeit gehört, oder das der zunehmende Luxus andern zum Bedürf- niß macht. Alle unnütze überflüßige Ausgaben will ich meiden, und mich nie der Gefahr ausſetzen, Schulden zu machen, ohne zu wiſſen, wovon ich ſie wieder abtragen will, denn ſonſt würde ich mich an dem rechtmäßigen Eigenthume meines Nächſten ver- greifen. Kann ich von dem, was ich auf eine er- laubte Art durch Arbeit, durch die Abwartung mei- nes Berufs und durch den Segen Gottes erwerbe, etwas zurücklegen, ſo will ich mirs zur Pflicht ma- chen. Denn wenn mir gleich jetzo kein Mangel droht, und ich keine Armuth fürchten darf, ſo kann ich doch nicht in die entfernte Zukunft hinausſehen. Oft ändern ſich Zeit und Umſtände gar ſehr und plötzlich, oft kommen ganz unerwartete Vorfälle, oft treffen den Menſchen langwierige Krankheiten, die ihn außer Stand ſetzen, etwas zu erwerben. Wie gut iſt es dann, wenn man bey geſunden Tagen und zur Zeit des R 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0291" n="265"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XL.</hi> Betrachtung.</fw><lb/> Ehre der Menſchheit freygebig ſeyn, und was ich da<lb/> muß geben, das will ich als ein Capital anſehn, das<lb/> ich gut anlege, und das mir über lang oder kurz reich-<lb/> liche Zinſen tragen wird. Jmmer will ich ſorgfäl-<lb/> tig meine Einnahme mit meinen Bedürfniſſen verglei-<lb/> chen, zufrieden will ich ſeyn, wenn ich nur immer<lb/> das nöthigſte und wichtigſte mir anſchaffen kann,<lb/> wenn ich mir auch gleich manches verſagen muß, das<lb/> blos zum Ueberfluß und zur Bequemlichkeit gehört,<lb/> oder das der zunehmende Luxus andern zum Bedürf-<lb/> niß macht. Alle unnütze überflüßige Ausgaben will<lb/> ich meiden, und mich nie der Gefahr ausſetzen,<lb/> Schulden zu machen, ohne zu wiſſen, wovon ich ſie<lb/> wieder abtragen will, denn ſonſt würde ich mich an<lb/> dem rechtmäßigen Eigenthume meines Nächſten ver-<lb/> greifen. Kann ich von dem, was ich auf eine er-<lb/> laubte Art durch Arbeit, durch die Abwartung mei-<lb/> nes Berufs und durch den Segen Gottes erwerbe,<lb/> etwas zurücklegen, ſo will ich mirs zur Pflicht ma-<lb/> chen. Denn wenn mir gleich jetzo kein Mangel droht,<lb/> und ich keine Armuth fürchten darf, ſo kann ich doch<lb/> nicht in die entfernte Zukunft hinausſehen. Oft<lb/> ändern ſich Zeit und Umſtände gar ſehr und plötzlich,<lb/> oft kommen ganz unerwartete Vorfälle, oft treffen<lb/> den Menſchen langwierige Krankheiten, die ihn außer<lb/> Stand ſetzen, etwas zu erwerben. Wie gut iſt es<lb/> dann, wenn man bey geſunden Tagen und zur Zeit<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R 5</fw><fw place="bottom" type="catch">des</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [265/0291]
XL. Betrachtung.
Ehre der Menſchheit freygebig ſeyn, und was ich da
muß geben, das will ich als ein Capital anſehn, das
ich gut anlege, und das mir über lang oder kurz reich-
liche Zinſen tragen wird. Jmmer will ich ſorgfäl-
tig meine Einnahme mit meinen Bedürfniſſen verglei-
chen, zufrieden will ich ſeyn, wenn ich nur immer
das nöthigſte und wichtigſte mir anſchaffen kann,
wenn ich mir auch gleich manches verſagen muß, das
blos zum Ueberfluß und zur Bequemlichkeit gehört,
oder das der zunehmende Luxus andern zum Bedürf-
niß macht. Alle unnütze überflüßige Ausgaben will
ich meiden, und mich nie der Gefahr ausſetzen,
Schulden zu machen, ohne zu wiſſen, wovon ich ſie
wieder abtragen will, denn ſonſt würde ich mich an
dem rechtmäßigen Eigenthume meines Nächſten ver-
greifen. Kann ich von dem, was ich auf eine er-
laubte Art durch Arbeit, durch die Abwartung mei-
nes Berufs und durch den Segen Gottes erwerbe,
etwas zurücklegen, ſo will ich mirs zur Pflicht ma-
chen. Denn wenn mir gleich jetzo kein Mangel droht,
und ich keine Armuth fürchten darf, ſo kann ich doch
nicht in die entfernte Zukunft hinausſehen. Oft
ändern ſich Zeit und Umſtände gar ſehr und plötzlich,
oft kommen ganz unerwartete Vorfälle, oft treffen
den Menſchen langwierige Krankheiten, die ihn außer
Stand ſetzen, etwas zu erwerben. Wie gut iſt es
dann, wenn man bey geſunden Tagen und zur Zeit
des
R 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |