Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XLI. Betrachtung. heimliche Neid, wenn er andere seines gleichen glück-licher sieht als sich selbst, und er wird muthlos und verzagt, so bald es nicht nach seinen Wünschen geht, so bald ihn ein Leiden trift, das er nicht befürchtet hatte. Kein Wunder ist es daher, wenn man über- all auf Menschen stößt, denen der Unmuth und der Verdruß auf der Stirne sitzt, die durch ihre Unzu- friedenheit, durch ihre finstre und mürrische Laune jede Freude von sich scheuchen. Alle diese Unglückli- chen sind ein Spiel ihrer wilden Begierden und ihrer tobenden Leidenschaften. Jede fehlgeschlagene Hoff- nung, jede kleine Beleidigung bringt sie aus ihrer ru- higen Fassung, und die geringste Veränderung ihrer äußern Glücksumstände macht sie zur Arbeit, zum Wohlthun und zum geselligen Umgange ungeschickt, ja sie machen sich und andern das ohnedem kurze Le- ben schwer und traurig. Hüte dich also, Christ, vor dieser so schädlichen und gefährlichen Wankelmüthig- keit, und strebe, durch ächte christliche Tugend und durch stetes Vertrauen auf Gott und Jesum, nach der frohen Heiterkeit der Seele, mit der man jede Annehmlichkeit des Lebens froh, dankbar und mit weiser Mäßigung genießt, weil man gar nichts fürch- tet, was wirklich schädlich seyn könnte. Beherrsche alle heftige Leidenschaften, alle unordentlichen Affe- kten, damit sie deiner Vernunft gehorchen und dich niemals außer Stand setzen, mit völliger Ueberle- gung
XLI. Betrachtung. heimliche Neid, wenn er andere ſeines gleichen glück-licher ſieht als ſich ſelbſt, und er wird muthlos und verzagt, ſo bald es nicht nach ſeinen Wünſchen geht, ſo bald ihn ein Leiden trift, das er nicht befürchtet hatte. Kein Wunder iſt es daher, wenn man über- all auf Menſchen ſtößt, denen der Unmuth und der Verdruß auf der Stirne ſitzt, die durch ihre Unzu- friedenheit, durch ihre finſtre und mürriſche Laune jede Freude von ſich ſcheuchen. Alle dieſe Unglückli- chen ſind ein Spiel ihrer wilden Begierden und ihrer tobenden Leidenſchaften. Jede fehlgeſchlagene Hoff- nung, jede kleine Beleidigung bringt ſie aus ihrer ru- higen Faſſung, und die geringſte Veränderung ihrer äußern Glücksumſtände macht ſie zur Arbeit, zum Wohlthun und zum geſelligen Umgange ungeſchickt, ja ſie machen ſich und andern das ohnedem kurze Le- ben ſchwer und traurig. Hüte dich alſo, Chriſt, vor dieſer ſo ſchädlichen und gefährlichen Wankelmüthig- keit, und ſtrebe, durch ächte chriſtliche Tugend und durch ſtetes Vertrauen auf Gott und Jeſum, nach der frohen Heiterkeit der Seele, mit der man jede Annehmlichkeit des Lebens froh, dankbar und mit weiſer Mäßigung genießt, weil man gar nichts fürch- tet, was wirklich ſchädlich ſeyn könnte. Beherrſche alle heftige Leidenſchaften, alle unordentlichen Affe- kten, damit ſie deiner Vernunft gehorchen und dich niemals außer Stand ſetzen, mit völliger Ueberle- gung
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XLI. Betrachtung.
heimliche Neid, wenn er andere ſeines gleichen glück-
licher ſieht als ſich ſelbſt, und er wird muthlos und
verzagt, ſo bald es nicht nach ſeinen Wünſchen geht,
ſo bald ihn ein Leiden trift, das er nicht befürchtet
hatte. Kein Wunder iſt es daher, wenn man über-
all auf Menſchen ſtößt, denen der Unmuth und der
Verdruß auf der Stirne ſitzt, die durch ihre Unzu-
friedenheit, durch ihre finſtre und mürriſche Laune
jede Freude von ſich ſcheuchen. Alle dieſe Unglückli-
chen ſind ein Spiel ihrer wilden Begierden und ihrer
tobenden Leidenſchaften. Jede fehlgeſchlagene Hoff-
nung, jede kleine Beleidigung bringt ſie aus ihrer ru-
higen Faſſung, und die geringſte Veränderung ihrer
äußern Glücksumſtände macht ſie zur Arbeit, zum
Wohlthun und zum geſelligen Umgange ungeſchickt,
ja ſie machen ſich und andern das ohnedem kurze Le-
ben ſchwer und traurig. Hüte dich alſo, Chriſt, vor
dieſer ſo ſchädlichen und gefährlichen Wankelmüthig-
keit, und ſtrebe, durch ächte chriſtliche Tugend und
durch ſtetes Vertrauen auf Gott und Jeſum, nach
der frohen Heiterkeit der Seele, mit der man jede
Annehmlichkeit des Lebens froh, dankbar und mit
weiſer Mäßigung genießt, weil man gar nichts fürch-
tet, was wirklich ſchädlich ſeyn könnte. Beherrſche
alle heftige Leidenſchaften, alle unordentlichen Affe-
kten, damit ſie deiner Vernunft gehorchen und dich
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