Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

XLV. Betrachtung.
ten, die nach seinem Abschiede in der Kirche einreis-
sen würden, wobey er für diese Zeiten Nachsicht ge-
gen Jrrende und Lasterhafte empfahl; zugleich zeigte
er dabey Gottes Absichten, warum er Böse und Gu-
te vermischt unter einander leben läßt, und sagte es:
daß einst ein Tag kommen würde, wo Gott über Sa-
chen, die die Religion betreffen, ein entscheidendes
Gericht halten, und wo er selbst das Unkraut vom
Weizen, die Frommen von den Bösen auf ewig ab-
sondern würde.*) Erblickte er das wallende Ernd-
tefeld, wo alles zum Abmähen reif war; so führte
er seine Schüler auf ihr künftiges Amt, nach wel-
chem sie seine Lehre überall ausbreiten sollten, und
sprach: Die Erndte ist groß, aber der Arbeiter sind
wenig: bittet den Herrn der Erndte, daß er Arbei-
ter in seine Erndte sende.
**) Saß er am Fuße des
Tempelberges, wo seine Jünger neben ihm die Pracht
dieses Gebäudes anstaunten; so schilderte er die be-
vorstehende Verwüstung des Tempels und der Haupt-
stadt, und gab ihnen zugleich für diesen traurigen Zeit-
punkt sehr weise Rathschläge und viele väterliche Er-
innerungen.***) Sahe er die aufgehende Sonne,
die ihre Strahlen über den Tempel verbreitete; so
gab ihm das Gelegenheit zu sagen: Jch bin das Licht
der Welt,
ich bin der große Lehrer, der die Welt be-
glücken und die Menschen von ihrer Unwissenheit be-

freyen
*) Ebend. 24-30.
**) Matth. 9, 37. 38.
***) Matth. 24, 1. 2.
T 3

XLV. Betrachtung.
ten, die nach ſeinem Abſchiede in der Kirche einreiſ-
ſen würden, wobey er für dieſe Zeiten Nachſicht ge-
gen Jrrende und Laſterhafte empfahl; zugleich zeigte
er dabey Gottes Abſichten, warum er Böſe und Gu-
te vermiſcht unter einander leben läßt, und ſagte es:
daß einſt ein Tag kommen würde, wo Gott über Sa-
chen, die die Religion betreffen, ein entſcheidendes
Gericht halten, und wo er ſelbſt das Unkraut vom
Weizen, die Frommen von den Böſen auf ewig ab-
ſondern würde.*) Erblickte er das wallende Ernd-
tefeld, wo alles zum Abmähen reif war; ſo führte
er ſeine Schüler auf ihr künftiges Amt, nach wel-
chem ſie ſeine Lehre überall ausbreiten ſollten, und
ſprach: Die Erndte iſt groß, aber der Arbeiter ſind
wenig: bittet den Herrn der Erndte, daß er Arbei-
ter in ſeine Erndte ſende.
**) Saß er am Fuße des
Tempelberges, wo ſeine Jünger neben ihm die Pracht
dieſes Gebäudes anſtaunten; ſo ſchilderte er die be-
vorſtehende Verwüſtung des Tempels und der Haupt-
ſtadt, und gab ihnen zugleich für dieſen traurigen Zeit-
punkt ſehr weiſe Rathſchläge und viele väterliche Er-
innerungen.***) Sahe er die aufgehende Sonne,
die ihre Strahlen über den Tempel verbreitete; ſo
gab ihm das Gelegenheit zu ſagen: Jch bin das Licht
der Welt,
ich bin der große Lehrer, der die Welt be-
glücken und die Menſchen von ihrer Unwiſſenheit be-

freyen
*) Ebend. 24-30.
**) Matth. 9, 37. 38.
***) Matth. 24, 1. 2.
T 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0319" n="293"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XLV.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
ten, die nach &#x017F;einem Ab&#x017F;chiede in der Kirche einrei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en würden, wobey er für die&#x017F;e Zeiten Nach&#x017F;icht ge-<lb/>
gen Jrrende und La&#x017F;terhafte empfahl; zugleich zeigte<lb/>
er dabey Gottes Ab&#x017F;ichten, warum er Bö&#x017F;e und Gu-<lb/>
te vermi&#x017F;cht unter einander leben läßt, und &#x017F;agte es:<lb/>
daß ein&#x017F;t ein Tag kommen würde, wo Gott über Sa-<lb/>
chen, die die Religion betreffen, ein ent&#x017F;cheidendes<lb/>
Gericht halten, und wo er &#x017F;elb&#x017F;t das Unkraut vom<lb/>
Weizen, die Frommen von den Bö&#x017F;en auf ewig ab-<lb/>
&#x017F;ondern würde.<note place="foot" n="*)">Ebend. 24-30.</note> Erblickte er das wallende Ernd-<lb/>
tefeld, wo alles zum Abmähen reif war; &#x017F;o führte<lb/>
er &#x017F;eine Schüler auf ihr künftiges Amt, nach wel-<lb/>
chem &#x017F;ie &#x017F;eine Lehre überall ausbreiten &#x017F;ollten, und<lb/>
&#x017F;prach: <hi rendition="#fr">Die Erndte i&#x017F;t groß, aber der Arbeiter &#x017F;ind<lb/>
wenig: bittet den Herrn der Erndte, daß er Arbei-<lb/>
ter in &#x017F;eine Erndte &#x017F;ende.</hi><note place="foot" n="**)">Matth. 9, 37. 38.</note> Saß er am Fuße des<lb/>
Tempelberges, wo &#x017F;eine Jünger neben ihm die Pracht<lb/>
die&#x017F;es Gebäudes an&#x017F;taunten; &#x017F;o &#x017F;childerte er die be-<lb/>
vor&#x017F;tehende Verwü&#x017F;tung des Tempels und der Haupt-<lb/>
&#x017F;tadt, und gab ihnen zugleich für die&#x017F;en traurigen Zeit-<lb/>
punkt &#x017F;ehr wei&#x017F;e Rath&#x017F;chläge und viele väterliche Er-<lb/>
innerungen.<note place="foot" n="***)">Matth. 24, 1. 2.</note> Sahe er die aufgehende Sonne,<lb/>
die ihre Strahlen über den Tempel verbreitete; &#x017F;o<lb/>
gab ihm das Gelegenheit zu &#x017F;agen: <hi rendition="#fr">Jch bin das Licht<lb/>
der Welt,</hi> ich bin der große Lehrer, der die Welt be-<lb/>
glücken und die Men&#x017F;chen von ihrer Unwi&#x017F;&#x017F;enheit be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 3</fw><fw place="bottom" type="catch">freyen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0319] XLV. Betrachtung. ten, die nach ſeinem Abſchiede in der Kirche einreiſ- ſen würden, wobey er für dieſe Zeiten Nachſicht ge- gen Jrrende und Laſterhafte empfahl; zugleich zeigte er dabey Gottes Abſichten, warum er Böſe und Gu- te vermiſcht unter einander leben läßt, und ſagte es: daß einſt ein Tag kommen würde, wo Gott über Sa- chen, die die Religion betreffen, ein entſcheidendes Gericht halten, und wo er ſelbſt das Unkraut vom Weizen, die Frommen von den Böſen auf ewig ab- ſondern würde. *) Erblickte er das wallende Ernd- tefeld, wo alles zum Abmähen reif war; ſo führte er ſeine Schüler auf ihr künftiges Amt, nach wel- chem ſie ſeine Lehre überall ausbreiten ſollten, und ſprach: Die Erndte iſt groß, aber der Arbeiter ſind wenig: bittet den Herrn der Erndte, daß er Arbei- ter in ſeine Erndte ſende. **) Saß er am Fuße des Tempelberges, wo ſeine Jünger neben ihm die Pracht dieſes Gebäudes anſtaunten; ſo ſchilderte er die be- vorſtehende Verwüſtung des Tempels und der Haupt- ſtadt, und gab ihnen zugleich für dieſen traurigen Zeit- punkt ſehr weiſe Rathſchläge und viele väterliche Er- innerungen. ***) Sahe er die aufgehende Sonne, die ihre Strahlen über den Tempel verbreitete; ſo gab ihm das Gelegenheit zu ſagen: Jch bin das Licht der Welt, ich bin der große Lehrer, der die Welt be- glücken und die Menſchen von ihrer Unwiſſenheit be- freyen *) Ebend. 24-30. **) Matth. 9, 37. 38. ***) Matth. 24, 1. 2. T 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/319
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/319>, abgerufen am 24.11.2024.