Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

XLV. Betrachtung.
freyen soll.*) Fragte man ihn, wie groß die An-
zahl derjenigen wäre, die selig werden würden; so
gab er, anstatt diese Frage, die aus Neugier entsprun-
gen war, gradezu zu beantworten, die Ermahnung:
daß ein jeder nur für sich sorgen sollte, um an dieser
Seligkeit Antheil zu nehmen. Ringet darnach, daß
ihr durch die enge Pforte eingehet, denn viele wer-
den darnach trachten, wie sie hineinkommen, und
werdens nicht thun können,**) weil sie nicht zur rech-
ten Zeit, und nicht mit dem nöthigen Eifer darnach
streben. Bey Erblickung der Blumen auf dem Fel-
de und der Vögel in der Luft, belehrte er seine Jün-
ger von Gottes Vorsehung, die sich über alles, vom
größten bis zum kleinsten, erstreckt, und warnte sie vor
ängstlichen mißtrauischen Sorgen.***) Sprach er
mit dem Samaritanischen Weibe, die Wasser aus
dem Brunnen schöpfte, so stellte er seine Lehre als ein
lebendiges Wasser dar, als eine Lehre, die unaufhör-
liche heilsame Wirkungen hat, und die die wahre Be-
ruhigung und Glückseligkeit des Menschen beför-
dert.+) Stets suchte er seinen Schülern anzuge-
wöhnen, über alles, was sie sahen und hörten, nachzu-
denken; überall suchte er ihren Verstand zu bilden
und ihr Herz zu bessern; überall suchte er sie von
Menschen auf Gott, vom Jrdischen aufs Himmli-

sche,
*) Joh. 8, 12.
**) Luc. 13, 23. 24.
***) Matth. 6, 15-34.
+) Joh. 4, 13. 14.

XLV. Betrachtung.
freyen ſoll.*) Fragte man ihn, wie groß die An-
zahl derjenigen wäre, die ſelig werden würden; ſo
gab er, anſtatt dieſe Frage, die aus Neugier entſprun-
gen war, gradezu zu beantworten, die Ermahnung:
daß ein jeder nur für ſich ſorgen ſollte, um an dieſer
Seligkeit Antheil zu nehmen. Ringet darnach, daß
ihr durch die enge Pforte eingehet, denn viele wer-
den darnach trachten, wie ſie hineinkommen, und
werdens nicht thun können,**) weil ſie nicht zur rech-
ten Zeit, und nicht mit dem nöthigen Eifer darnach
ſtreben. Bey Erblickung der Blumen auf dem Fel-
de und der Vögel in der Luft, belehrte er ſeine Jün-
ger von Gottes Vorſehung, die ſich über alles, vom
größten bis zum kleinſten, erſtreckt, und warnte ſie vor
ängſtlichen mißtrauiſchen Sorgen.***) Sprach er
mit dem Samaritaniſchen Weibe, die Waſſer aus
dem Brunnen ſchöpfte, ſo ſtellte er ſeine Lehre als ein
lebendiges Waſſer dar, als eine Lehre, die unaufhör-
liche heilſame Wirkungen hat, und die die wahre Be-
ruhigung und Glückſeligkeit des Menſchen beför-
dert.†) Stets ſuchte er ſeinen Schülern anzuge-
wöhnen, über alles, was ſie ſahen und hörten, nachzu-
denken; überall ſuchte er ihren Verſtand zu bilden
und ihr Herz zu beſſern; überall ſuchte er ſie von
Menſchen auf Gott, vom Jrdiſchen aufs Himmli-

ſche,
*) Joh. 8, 12.
**) Luc. 13, 23. 24.
***) Matth. 6, 15-34.
†) Joh. 4, 13. 14.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0320" n="294"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XLV.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
freyen &#x017F;oll.<note place="foot" n="*)">Joh. 8, 12.</note> Fragte man ihn, wie groß die An-<lb/>
zahl derjenigen wäre, die &#x017F;elig werden würden; &#x017F;o<lb/>
gab er, an&#x017F;tatt die&#x017F;e Frage, die aus Neugier ent&#x017F;prun-<lb/>
gen war, gradezu zu beantworten, die Ermahnung:<lb/>
daß ein jeder nur für &#x017F;ich &#x017F;orgen &#x017F;ollte, um an die&#x017F;er<lb/>
Seligkeit Antheil zu nehmen. <hi rendition="#fr">Ringet darnach, daß<lb/>
ihr durch die enge Pforte eingehet, denn viele wer-<lb/>
den darnach trachten, wie &#x017F;ie hineinkommen, und<lb/>
werdens nicht thun können,</hi><note place="foot" n="**)">Luc. 13, 23. 24.</note> weil &#x017F;ie nicht zur rech-<lb/>
ten Zeit, und nicht mit dem nöthigen Eifer darnach<lb/>
&#x017F;treben. Bey Erblickung der Blumen auf dem Fel-<lb/>
de und der Vögel in der Luft, belehrte er &#x017F;eine Jün-<lb/>
ger von Gottes Vor&#x017F;ehung, die &#x017F;ich über alles, vom<lb/>
größten bis zum klein&#x017F;ten, er&#x017F;treckt, und warnte &#x017F;ie vor<lb/>
äng&#x017F;tlichen mißtraui&#x017F;chen Sorgen.<note place="foot" n="***)">Matth. 6, 15-34.</note> Sprach er<lb/>
mit dem Samaritani&#x017F;chen Weibe, die Wa&#x017F;&#x017F;er aus<lb/>
dem Brunnen &#x017F;chöpfte, &#x017F;o &#x017F;tellte er &#x017F;eine Lehre als ein<lb/>
lebendiges Wa&#x017F;&#x017F;er dar, als eine Lehre, die unaufhör-<lb/>
liche heil&#x017F;ame Wirkungen hat, und die die wahre Be-<lb/>
ruhigung und Glück&#x017F;eligkeit des Men&#x017F;chen beför-<lb/>
dert.<note place="foot" n="&#x2020;)">Joh. 4, 13. 14.</note> Stets &#x017F;uchte er &#x017F;einen Schülern anzuge-<lb/>
wöhnen, über alles, was &#x017F;ie &#x017F;ahen und hörten, nachzu-<lb/>
denken; überall &#x017F;uchte er ihren Ver&#x017F;tand zu bilden<lb/>
und ihr Herz zu be&#x017F;&#x017F;ern; überall &#x017F;uchte er &#x017F;ie von<lb/>
Men&#x017F;chen auf Gott, vom Jrdi&#x017F;chen aufs Himmli-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;che,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0320] XLV. Betrachtung. freyen ſoll. *) Fragte man ihn, wie groß die An- zahl derjenigen wäre, die ſelig werden würden; ſo gab er, anſtatt dieſe Frage, die aus Neugier entſprun- gen war, gradezu zu beantworten, die Ermahnung: daß ein jeder nur für ſich ſorgen ſollte, um an dieſer Seligkeit Antheil zu nehmen. Ringet darnach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet, denn viele wer- den darnach trachten, wie ſie hineinkommen, und werdens nicht thun können, **) weil ſie nicht zur rech- ten Zeit, und nicht mit dem nöthigen Eifer darnach ſtreben. Bey Erblickung der Blumen auf dem Fel- de und der Vögel in der Luft, belehrte er ſeine Jün- ger von Gottes Vorſehung, die ſich über alles, vom größten bis zum kleinſten, erſtreckt, und warnte ſie vor ängſtlichen mißtrauiſchen Sorgen. ***) Sprach er mit dem Samaritaniſchen Weibe, die Waſſer aus dem Brunnen ſchöpfte, ſo ſtellte er ſeine Lehre als ein lebendiges Waſſer dar, als eine Lehre, die unaufhör- liche heilſame Wirkungen hat, und die die wahre Be- ruhigung und Glückſeligkeit des Menſchen beför- dert. †) Stets ſuchte er ſeinen Schülern anzuge- wöhnen, über alles, was ſie ſahen und hörten, nachzu- denken; überall ſuchte er ihren Verſtand zu bilden und ihr Herz zu beſſern; überall ſuchte er ſie von Menſchen auf Gott, vom Jrdiſchen aufs Himmli- ſche, *) Joh. 8, 12. **) Luc. 13, 23. 24. ***) Matth. 6, 15-34. †) Joh. 4, 13. 14.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/320
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/320>, abgerufen am 24.11.2024.