Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.LVIII. Betrachtung. mußte er die Vorgesetzten der Juden wegen ihrerschlechten Grundsätze und wegen ihrer schändlichen Handlungen tadeln, dennoch schonte er sie, und re- spectirte in den meisten Fällen ihren öffentlichen Cha- rakter; ja er ermahnte sogar, ihren Lehren und Vor- schriften zu gehorchen.*) Eben so wenig mißbilligte er die Abgaben, welche damals die Juden dem Rö- mischen Kaiser, unter dessen Oberherrschaft sie stun- den, entrichten mußten. Gerne hätten ihn seine Fein- de von dieser Seite verdächtig gemacht, da sie sonst keinen schicklichen Vorwand zu seiner Gefangenneh- mung finden konnten. Jn dieser Absicht beredeten sich verschiedene Pharisäer mit einigen Anhängern des Herodes, um von ihm ein nachtheiliges Urtheil über die Römischen Auflagen heraus zu locken, da sie die- selben als ein Joch betrachteten, das sie gerne ab- schütteln möchten. Sie befragten ihn daher, unter den schmeichelhaftesten Lobeserhebungen seiner Recht- schaffenheit und Unpartheylichkeit, die ihn aber nicht vertraulicher und sicherer machten, obs recht wäre, einem ausländischen abgöttischen Regenten Zölle und Abgaben zu entrichten, da sie doch eigentlich nur Un- terthanen Gottes wären. So verfänglich nun diese Frage war, so faßte sie Jesus doch aus dem rechten Gesichtspunkte, und beantwortete sie mit der größ- ten Weisheit. Er deckte ihre Heucheley recht sicht- bar auf, und fertigte sie mit der Antwort ab: gebet dem *) Matth. 23, 1. 2.
LVIII. Betrachtung. mußte er die Vorgeſetzten der Juden wegen ihrerſchlechten Grundſätze und wegen ihrer ſchändlichen Handlungen tadeln, dennoch ſchonte er ſie, und re- ſpectirte in den meiſten Fällen ihren öffentlichen Cha- rakter; ja er ermahnte ſogar, ihren Lehren und Vor- ſchriften zu gehorchen.*) Eben ſo wenig mißbilligte er die Abgaben, welche damals die Juden dem Rö- miſchen Kaiſer, unter deſſen Oberherrſchaft ſie ſtun- den, entrichten mußten. Gerne hätten ihn ſeine Fein- de von dieſer Seite verdächtig gemacht, da ſie ſonſt keinen ſchicklichen Vorwand zu ſeiner Gefangenneh- mung finden konnten. Jn dieſer Abſicht beredeten ſich verſchiedene Phariſäer mit einigen Anhängern des Herodes, um von ihm ein nachtheiliges Urtheil über die Römiſchen Auflagen heraus zu locken, da ſie die- ſelben als ein Joch betrachteten, das ſie gerne ab- ſchütteln möchten. Sie befragten ihn daher, unter den ſchmeichelhafteſten Lobeserhebungen ſeiner Recht- ſchaffenheit und Unpartheylichkeit, die ihn aber nicht vertraulicher und ſicherer machten, obs recht wäre, einem ausländiſchen abgöttiſchen Regenten Zölle und Abgaben zu entrichten, da ſie doch eigentlich nur Un- terthanen Gottes wären. So verfänglich nun dieſe Frage war, ſo faßte ſie Jeſus doch aus dem rechten Geſichtspunkte, und beantwortete ſie mit der größ- ten Weisheit. Er deckte ihre Heucheley recht ſicht- bar auf, und fertigte ſie mit der Antwort ab: gebet dem *) Matth. 23, 1. 2.
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LVIII. Betrachtung.
mußte er die Vorgeſetzten der Juden wegen ihrer
ſchlechten Grundſätze und wegen ihrer ſchändlichen
Handlungen tadeln, dennoch ſchonte er ſie, und re-
ſpectirte in den meiſten Fällen ihren öffentlichen Cha-
rakter; ja er ermahnte ſogar, ihren Lehren und Vor-
ſchriften zu gehorchen. *) Eben ſo wenig mißbilligte
er die Abgaben, welche damals die Juden dem Rö-
miſchen Kaiſer, unter deſſen Oberherrſchaft ſie ſtun-
den, entrichten mußten. Gerne hätten ihn ſeine Fein-
de von dieſer Seite verdächtig gemacht, da ſie ſonſt
keinen ſchicklichen Vorwand zu ſeiner Gefangenneh-
mung finden konnten. Jn dieſer Abſicht beredeten
ſich verſchiedene Phariſäer mit einigen Anhängern des
Herodes, um von ihm ein nachtheiliges Urtheil über
die Römiſchen Auflagen heraus zu locken, da ſie die-
ſelben als ein Joch betrachteten, das ſie gerne ab-
ſchütteln möchten. Sie befragten ihn daher, unter
den ſchmeichelhafteſten Lobeserhebungen ſeiner Recht-
ſchaffenheit und Unpartheylichkeit, die ihn aber nicht
vertraulicher und ſicherer machten, obs recht wäre,
einem ausländiſchen abgöttiſchen Regenten Zölle und
Abgaben zu entrichten, da ſie doch eigentlich nur Un-
terthanen Gottes wären. So verfänglich nun dieſe
Frage war, ſo faßte ſie Jeſus doch aus dem rechten
Geſichtspunkte, und beantwortete ſie mit der größ-
ten Weisheit. Er deckte ihre Heucheley recht ſicht-
bar auf, und fertigte ſie mit der Antwort ab: gebet
dem
*) Matth. 23, 1. 2.
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