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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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LX. Betrachtung.
sich nun mit diesen Kindern, umarmte sie, drückte sie
an seine Brust, legte jedem die Hand auf, und ent-
ließ sie mit seinen Segenswünschen. Man kann
leicht denken, mit welcher Jnbrunst er für sie gebetet,
wie viel Gutes er ihnen gewünscht, und welche tiefe
Eindrücke sein herablassendes Betragen sowohl auf
die Eltern als auf die Kinder müsse gehabt haben.
So beschämt seine Jünger dadurch wurden, eben so
erfreut waren die Eltern, daß er ihnen ihre Bitte
nicht versagt hatte. Kann wohl ein rührenderes
Beyspiel seiner menschenfreundlichen Herablassung
und seiner Liebe zur Unschuld gedacht werden, als die-
ses war? Muß nicht jeder das liebreiche Herz Jesu
bewundern, wenn er sieht, wie er selbst die kleinen
unschuldigen Geschöpfe nicht aus der Acht lässet, son-
dern sie seiner Aufmerksamkeit würdiget.

Auch Kinder sind also ein Gegenstand unserer
Achtung und Werthschätzung, wenn sie gleich im ge-
sellschaftlichen Leben noch unthätig sind; und sich bis
zu ihnen herab zu lassen, ist für den Christen keine
Schande. Denn Kinder sind es ja, die einst unsre
Nachfolger werden, die einst unsre Stelle einnehmen
sollen; sie sind es ja, die einst sehr nützliche und
brauchbare Mitglieder der Gesellschaft und Mitge-
nossen der künftigen Seligkeit werden sollen. Sie,
die wegen ihrer Unschuld Jesu so lieb waren, will ich
schätzen und hochachten. Jn ihrer Gegenwart will

ich

LX. Betrachtung.
ſich nun mit dieſen Kindern, umarmte ſie, drückte ſie
an ſeine Bruſt, legte jedem die Hand auf, und ent-
ließ ſie mit ſeinen Segenswünſchen. Man kann
leicht denken, mit welcher Jnbrunſt er für ſie gebetet,
wie viel Gutes er ihnen gewünſcht, und welche tiefe
Eindrücke ſein herablaſſendes Betragen ſowohl auf
die Eltern als auf die Kinder müſſe gehabt haben.
So beſchämt ſeine Jünger dadurch wurden, eben ſo
erfreut waren die Eltern, daß er ihnen ihre Bitte
nicht verſagt hatte. Kann wohl ein rührenderes
Beyſpiel ſeiner menſchenfreundlichen Herablaſſung
und ſeiner Liebe zur Unſchuld gedacht werden, als die-
ſes war? Muß nicht jeder das liebreiche Herz Jeſu
bewundern, wenn er ſieht, wie er ſelbſt die kleinen
unſchuldigen Geſchöpfe nicht aus der Acht läſſet, ſon-
dern ſie ſeiner Aufmerkſamkeit würdiget.

Auch Kinder ſind alſo ein Gegenſtand unſerer
Achtung und Werthſchätzung, wenn ſie gleich im ge-
ſellſchaftlichen Leben noch unthätig ſind; und ſich bis
zu ihnen herab zu laſſen, iſt für den Chriſten keine
Schande. Denn Kinder ſind es ja, die einſt unſre
Nachfolger werden, die einſt unſre Stelle einnehmen
ſollen; ſie ſind es ja, die einſt ſehr nützliche und
brauchbare Mitglieder der Geſellſchaft und Mitge-
noſſen der künftigen Seligkeit werden ſollen. Sie,
die wegen ihrer Unſchuld Jeſu ſo lieb waren, will ich
ſchätzen und hochachten. Jn ihrer Gegenwart will

ich
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[400/0426] LX. Betrachtung. ſich nun mit dieſen Kindern, umarmte ſie, drückte ſie an ſeine Bruſt, legte jedem die Hand auf, und ent- ließ ſie mit ſeinen Segenswünſchen. Man kann leicht denken, mit welcher Jnbrunſt er für ſie gebetet, wie viel Gutes er ihnen gewünſcht, und welche tiefe Eindrücke ſein herablaſſendes Betragen ſowohl auf die Eltern als auf die Kinder müſſe gehabt haben. So beſchämt ſeine Jünger dadurch wurden, eben ſo erfreut waren die Eltern, daß er ihnen ihre Bitte nicht verſagt hatte. Kann wohl ein rührenderes Beyſpiel ſeiner menſchenfreundlichen Herablaſſung und ſeiner Liebe zur Unſchuld gedacht werden, als die- ſes war? Muß nicht jeder das liebreiche Herz Jeſu bewundern, wenn er ſieht, wie er ſelbſt die kleinen unſchuldigen Geſchöpfe nicht aus der Acht läſſet, ſon- dern ſie ſeiner Aufmerkſamkeit würdiget. Auch Kinder ſind alſo ein Gegenſtand unſerer Achtung und Werthſchätzung, wenn ſie gleich im ge- ſellſchaftlichen Leben noch unthätig ſind; und ſich bis zu ihnen herab zu laſſen, iſt für den Chriſten keine Schande. Denn Kinder ſind es ja, die einſt unſre Nachfolger werden, die einſt unſre Stelle einnehmen ſollen; ſie ſind es ja, die einſt ſehr nützliche und brauchbare Mitglieder der Geſellſchaft und Mitge- noſſen der künftigen Seligkeit werden ſollen. Sie, die wegen ihrer Unſchuld Jeſu ſo lieb waren, will ich ſchätzen und hochachten. Jn ihrer Gegenwart will ich

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/426>, abgerufen am 24.11.2024.