Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.LXII. Betrachtung. klügsten Anschläge vereiteln! Wer ist mir Bürgedafür, daß ich dann von Mangel und Dürftigkeit ganz werde verschont bleiben? Jtzt lebe ich noch un- ter Freunden, die meinem Herzen so werth sind, in deren Umgange ich täglich Erholung finde, die mich durch ihr Beyspiel belehren, durch ihren guten Rath unterstützen. Aber sind diese Freunde nicht sterbli- che, schwache Menschen? kann es nicht leicht gesche- hen, daß ich sie alle zum Grabe begleiten muß? Jtzt erweisen mir meine Mitmenschen Achtung und Ehre, und ich kann dadurch viel Gutes stiften. Aber leicht können Verläumdung und üble Nachrede mein An- sehn verdunkeln, und meine Achtung vermindern. Denn das sehe ich wohl ein, daß ich in diesem Lande der Unvollkommenheit schlechterdings auf kein unge- störtes Glück rechnen darf, woferne ich mich nicht selbst durch leere Einbildungen täuschen will, da mich täglich so viel Auftritte von allen Seiten an die Hin- fälligkeit des menschlichen Wohlstandes erinnern. Doch ich will nicht blos an diesen oft plötzlichen Wechsel des Glücks und Unglücks denken; ich will mich auch in Zeiten recht lebhaft davon überzeugen, daß mich keine Veränderung ohne Gottes Willen und Zulassung treffen kann. Mag es seyn, daß die Unglücksfälle mannigfaltig sind, die mir auf dem Wege des Lebens begegnen können, werden sie doch alle von einem eben so weisen als gütigen Gott mir auf-
LXII. Betrachtung. klügſten Anſchläge vereiteln! Wer iſt mir Bürgedafür, daß ich dann von Mangel und Dürftigkeit ganz werde verſchont bleiben? Jtzt lebe ich noch un- ter Freunden, die meinem Herzen ſo werth ſind, in deren Umgange ich täglich Erholung finde, die mich durch ihr Beyſpiel belehren, durch ihren guten Rath unterſtützen. Aber ſind dieſe Freunde nicht ſterbli- che, ſchwache Menſchen? kann es nicht leicht geſche- hen, daß ich ſie alle zum Grabe begleiten muß? Jtzt erweiſen mir meine Mitmenſchen Achtung und Ehre, und ich kann dadurch viel Gutes ſtiften. Aber leicht können Verläumdung und üble Nachrede mein An- ſehn verdunkeln, und meine Achtung vermindern. Denn das ſehe ich wohl ein, daß ich in dieſem Lande der Unvollkommenheit ſchlechterdings auf kein unge- ſtörtes Glück rechnen darf, woferne ich mich nicht ſelbſt durch leere Einbildungen täuſchen will, da mich täglich ſo viel Auftritte von allen Seiten an die Hin- fälligkeit des menſchlichen Wohlſtandes erinnern. Doch ich will nicht blos an dieſen oft plötzlichen Wechſel des Glücks und Unglücks denken; ich will mich auch in Zeiten recht lebhaft davon überzeugen, daß mich keine Veränderung ohne Gottes Willen und Zulaſſung treffen kann. Mag es ſeyn, daß die Unglücksfälle mannigfaltig ſind, die mir auf dem Wege des Lebens begegnen können, werden ſie doch alle von einem eben ſo weiſen als gütigen Gott mir auf-
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LXII. Betrachtung.
klügſten Anſchläge vereiteln! Wer iſt mir Bürge
dafür, daß ich dann von Mangel und Dürftigkeit
ganz werde verſchont bleiben? Jtzt lebe ich noch un-
ter Freunden, die meinem Herzen ſo werth ſind, in
deren Umgange ich täglich Erholung finde, die mich
durch ihr Beyſpiel belehren, durch ihren guten Rath
unterſtützen. Aber ſind dieſe Freunde nicht ſterbli-
che, ſchwache Menſchen? kann es nicht leicht geſche-
hen, daß ich ſie alle zum Grabe begleiten muß? Jtzt
erweiſen mir meine Mitmenſchen Achtung und Ehre,
und ich kann dadurch viel Gutes ſtiften. Aber leicht
können Verläumdung und üble Nachrede mein An-
ſehn verdunkeln, und meine Achtung vermindern.
Denn das ſehe ich wohl ein, daß ich in dieſem Lande
der Unvollkommenheit ſchlechterdings auf kein unge-
ſtörtes Glück rechnen darf, woferne ich mich nicht
ſelbſt durch leere Einbildungen täuſchen will, da mich
täglich ſo viel Auftritte von allen Seiten an die Hin-
fälligkeit des menſchlichen Wohlſtandes erinnern.
Doch ich will nicht blos an dieſen oft plötzlichen
Wechſel des Glücks und Unglücks denken; ich will
mich auch in Zeiten recht lebhaft davon überzeugen,
daß mich keine Veränderung ohne Gottes Willen
und Zulaſſung treffen kann. Mag es ſeyn, daß die
Unglücksfälle mannigfaltig ſind, die mir auf dem
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