Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.LXIII. Betrachtung. mehr, wenn dich Gott so wie seinen Sohn, durchTrübsale vollendet und durch schwere Prüfungen zur Vollkommenheit führt. Wird es dir schwer, christ- liche Geduld zu beweisen, so denke an jene Ermah- nung: Lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf der uns verordnet ist; und aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens; welcher, da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete er das Kreuz und achtete der Schande nicht, und ist ge- sessen zur Rechten auf dem Stuhle Gottes.*) Sie- he auch darauf, daß Angst und Noth dich nicht ver- härten, dich nicht gleichgültig und kaltsinnig gegen das Wohl deiner Brüder machen; höre nicht auf, dich über das Glück andrer zu freuen, wenn du es gleich selbst entbehren mußt; höre nicht auf, für an- dre zu sorgen, und deine Pflicht zu beobachten, wenn dirs gleich sauer wird; Wohlwollen und Wohlthun müssen dich auch da noch auszeichnen, wo du selbst mit Leiden kämpfen mußt. Lerne endlich selbst ge- häufte und lang anhaltende Widerwärtigkeiten ertra- gen, und schreibe deinen himmlischen Vater nie eigen- mächtig die Zeit, die Art und Weise vor, wie er dich davon befreyen soll. Halte standhaft aus im Kam- pfe, den er dir zu kämpfen verordnet hat, und laß den Muth nicht sinken, wenn die Stunde der Erlö- sung länger, als du hofst, aussen bleibt. Denn je länger du duldest und leidest; desto herrlicher wird die Sieges- *) Ebr. 12, 1. 2.
LXIII. Betrachtung. mehr, wenn dich Gott ſo wie ſeinen Sohn, durchTrübſale vollendet und durch ſchwere Prüfungen zur Vollkommenheit führt. Wird es dir ſchwer, chriſt- liche Geduld zu beweiſen, ſo denke an jene Ermah- nung: Laſſet uns laufen durch Geduld in dem Kampf der uns verordnet iſt; und aufſehen auf Jeſum, den Anfänger und Vollender des Glaubens; welcher, da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete er das Kreuz und achtete der Schande nicht, und iſt ge- ſeſſen zur Rechten auf dem Stuhle Gottes.*) Sie- he auch darauf, daß Angſt und Noth dich nicht ver- härten, dich nicht gleichgültig und kaltſinnig gegen das Wohl deiner Brüder machen; höre nicht auf, dich über das Glück andrer zu freuen, wenn du es gleich ſelbſt entbehren mußt; höre nicht auf, für an- dre zu ſorgen, und deine Pflicht zu beobachten, wenn dirs gleich ſauer wird; Wohlwollen und Wohlthun müſſen dich auch da noch auszeichnen, wo du ſelbſt mit Leiden kämpfen mußt. Lerne endlich ſelbſt ge- häufte und lang anhaltende Widerwärtigkeiten ertra- gen, und ſchreibe deinen himmliſchen Vater nie eigen- mächtig die Zeit, die Art und Weiſe vor, wie er dich davon befreyen ſoll. Halte ſtandhaft aus im Kam- pfe, den er dir zu kämpfen verordnet hat, und laß den Muth nicht ſinken, wenn die Stunde der Erlö- ſung länger, als du hofſt, auſſen bleibt. Denn je länger du duldeſt und leideſt; deſto herrlicher wird die Sieges- *) Ebr. 12, 1. 2.
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LXIII. Betrachtung.
mehr, wenn dich Gott ſo wie ſeinen Sohn, durch
Trübſale vollendet und durch ſchwere Prüfungen zur
Vollkommenheit führt. Wird es dir ſchwer, chriſt-
liche Geduld zu beweiſen, ſo denke an jene Ermah-
nung: Laſſet uns laufen durch Geduld in dem Kampf
der uns verordnet iſt; und aufſehen auf Jeſum, den
Anfänger und Vollender des Glaubens; welcher,
da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete er
das Kreuz und achtete der Schande nicht, und iſt ge-
ſeſſen zur Rechten auf dem Stuhle Gottes. *) Sie-
he auch darauf, daß Angſt und Noth dich nicht ver-
härten, dich nicht gleichgültig und kaltſinnig gegen
das Wohl deiner Brüder machen; höre nicht auf,
dich über das Glück andrer zu freuen, wenn du es
gleich ſelbſt entbehren mußt; höre nicht auf, für an-
dre zu ſorgen, und deine Pflicht zu beobachten, wenn
dirs gleich ſauer wird; Wohlwollen und Wohlthun
müſſen dich auch da noch auszeichnen, wo du ſelbſt
mit Leiden kämpfen mußt. Lerne endlich ſelbſt ge-
häufte und lang anhaltende Widerwärtigkeiten ertra-
gen, und ſchreibe deinen himmliſchen Vater nie eigen-
mächtig die Zeit, die Art und Weiſe vor, wie er dich
davon befreyen ſoll. Halte ſtandhaft aus im Kam-
pfe, den er dir zu kämpfen verordnet hat, und laß
den Muth nicht ſinken, wenn die Stunde der Erlö-
ſung länger, als du hofſt, auſſen bleibt. Denn je
länger du duldeſt und leideſt; deſto herrlicher wird die
Sieges-
*) Ebr. 12, 1. 2.
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