Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.LXV. Betrachtung. Todes, als von seinem Tode selbst, und von den trau-rigen Umständen, unter welchen er ihn dulden sollte. Er sagte voraus, daß er bald wieder auferstehen, und dann nach einem kurzen Aufenthalte in den Him- mel, in den Sitz seiner Herrlichkeit, zurück kehren würde; um nach und nach alle seine Verehrer zu sich zu sammlen. Jn dieser Rücksicht sprach er: ich ver- lasse die Welt, und gehe zum Vater. Jch sterbe zwar, wollte er sagen, aber mit dem frohen Bewußt- seyn, daß ich das Werk, welches mir mein Vater an- vertraut hat, zu seiner Zufriedenheit vollendet habe: nun wird mir mein Vater die höchsten Beweise sei- ner Liebe und Zufriedenheit geben; und nach über- standenem Leiden wird er mich mit Preis und Ehre krönen. Jch werde die Angelegenheiten des mensch- lichen Geschlechts bis ans Ende der Welt als Herr und Oberhaupt aller vernünftigen Wesen besorgen; ich werde dann über alle Kränkungen und Leiden, über alle Widerwärtigkeiten und Beleidigungen weit erhaben seyn. Jhm, dem göttlichen Erlöser, war also der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang des rechten Lebens; nicht blos ein Scheiden aus der Welt, sondern ein Hingang in die allerherrlichste Welt Gottes. Auch für uns ist nun der Tod ein Hingang zum Gehor-
LXV. Betrachtung. Todes, als von ſeinem Tode ſelbſt, und von den trau-rigen Umſtänden, unter welchen er ihn dulden ſollte. Er ſagte voraus, daß er bald wieder auferſtehen, und dann nach einem kurzen Aufenthalte in den Him- mel, in den Sitz ſeiner Herrlichkeit, zurück kehren würde; um nach und nach alle ſeine Verehrer zu ſich zu ſammlen. Jn dieſer Rückſicht ſprach er: ich ver- laſſe die Welt, und gehe zum Vater. Jch ſterbe zwar, wollte er ſagen, aber mit dem frohen Bewußt- ſeyn, daß ich das Werk, welches mir mein Vater an- vertraut hat, zu ſeiner Zufriedenheit vollendet habe: nun wird mir mein Vater die höchſten Beweiſe ſei- ner Liebe und Zufriedenheit geben; und nach über- ſtandenem Leiden wird er mich mit Preis und Ehre krönen. Jch werde die Angelegenheiten des menſch- lichen Geſchlechts bis ans Ende der Welt als Herr und Oberhaupt aller vernünftigen Weſen beſorgen; ich werde dann über alle Kränkungen und Leiden, über alle Widerwärtigkeiten und Beleidigungen weit erhaben ſeyn. Jhm, dem göttlichen Erlöſer, war alſo der Tod nicht das Ende, ſondern der Anfang des rechten Lebens; nicht blos ein Scheiden aus der Welt, ſondern ein Hingang in die allerherrlichſte Welt Gottes. Auch für uns iſt nun der Tod ein Hingang zum Gehor-
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LXV. Betrachtung.
Todes, als von ſeinem Tode ſelbſt, und von den trau-
rigen Umſtänden, unter welchen er ihn dulden ſollte.
Er ſagte voraus, daß er bald wieder auferſtehen,
und dann nach einem kurzen Aufenthalte in den Him-
mel, in den Sitz ſeiner Herrlichkeit, zurück kehren
würde; um nach und nach alle ſeine Verehrer zu ſich
zu ſammlen. Jn dieſer Rückſicht ſprach er: ich ver-
laſſe die Welt, und gehe zum Vater. Jch ſterbe
zwar, wollte er ſagen, aber mit dem frohen Bewußt-
ſeyn, daß ich das Werk, welches mir mein Vater an-
vertraut hat, zu ſeiner Zufriedenheit vollendet habe:
nun wird mir mein Vater die höchſten Beweiſe ſei-
ner Liebe und Zufriedenheit geben; und nach über-
ſtandenem Leiden wird er mich mit Preis und Ehre
krönen. Jch werde die Angelegenheiten des menſch-
lichen Geſchlechts bis ans Ende der Welt als Herr
und Oberhaupt aller vernünftigen Weſen beſorgen;
ich werde dann über alle Kränkungen und Leiden,
über alle Widerwärtigkeiten und Beleidigungen weit
erhaben ſeyn. Jhm, dem göttlichen Erlöſer, war
alſo der Tod nicht das Ende, ſondern der Anfang
des rechten Lebens; nicht blos ein Scheiden aus der
Welt, ſondern ein Hingang in die allerherrlichſte
Welt Gottes.
Auch für uns iſt nun der Tod ein Hingang zum
Vater, wenn wir an ihn glauben, ſeine Sinnesart
annehmen, ihm in treuer Liebe und mit redlichem
Gehor-
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