Fünfundsechszigste Betrachtung. Jesu richtige Vorstellung vom Tode.
Philip. 1, 21.
Sterben ist mein Gewinn.
Schön und angenehm ist die Vorstellung, die sich Jesus von seinem bevorstehenden Tode machte, und rührend sind die Beschreibungen, welche wir in seiner Lebensgeschichte davon finden. Jch verlasse die Welt und gehe zum Vater. Nun gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat.*) Dies waren die Ausdrücke, womit er seinen Tod von einer angeneh- men Seite darstellte. Er gab durch diese Aussprü- che zwar seinen Schülern zu erkennen, daß er bald sterben und sich von ihnen trennen würde; er ver- sicherte sie aber auch zugleich, daß sein Tod der Weg zu seiner Erhöhung seyn werde. Jhm war es wohl- bekannt, daß seinen Freunden nichts so schrecklich sey, als die Vorstellung von einer schmerzhaften Tren- nung, die zwischen ihm und ihnen vorgehen sollte, und er wußte, daß sie ihnen desto empfindlicher werden würde je weniger sie dieselbe noch immer befürchteten. Um sie nun an diese unvermeidliche Trennung immer mehr zu gewöhnen; so sprach er in den letzten Tagen seines Lebens mehr von den erfreulichen Folgen seines
Todes,
*) Joh. 16, 5. 28.
Fünfundſechszigſte Betrachtung. Jeſu richtige Vorſtellung vom Tode.
Philip. 1, 21.
Sterben iſt mein Gewinn.
Schön und angenehm iſt die Vorſtellung, die ſich Jeſus von ſeinem bevorſtehenden Tode machte, und rührend ſind die Beſchreibungen, welche wir in ſeiner Lebensgeſchichte davon finden. Jch verlaſſe die Welt und gehe zum Vater. Nun gehe ich hin zu dem, der mich geſandt hat.*) Dies waren die Ausdrücke, womit er ſeinen Tod von einer angeneh- men Seite darſtellte. Er gab durch dieſe Ausſprü- che zwar ſeinen Schülern zu erkennen, daß er bald ſterben und ſich von ihnen trennen würde; er ver- ſicherte ſie aber auch zugleich, daß ſein Tod der Weg zu ſeiner Erhöhung ſeyn werde. Jhm war es wohl- bekannt, daß ſeinen Freunden nichts ſo ſchrecklich ſey, als die Vorſtellung von einer ſchmerzhaften Tren- nung, die zwiſchen ihm und ihnen vorgehen ſollte, und er wußte, daß ſie ihnen deſto empfindlicher werden würde je weniger ſie dieſelbe noch immer befürchteten. Um ſie nun an dieſe unvermeidliche Trennung immer mehr zu gewöhnen; ſo ſprach er in den letzten Tagen ſeines Lebens mehr von den erfreulichen Folgen ſeines
Todes,
*) Joh. 16, 5. 28.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0453"n="427"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head>Fünfundſechszigſte Betrachtung.<lb/><hirendition="#g">Jeſu richtige Vorſtellung vom Tode.</hi></head><lb/><p><hirendition="#c">Philip. 1, 21.</hi></p><lb/><p><hirendition="#g">Sterben iſt mein Gewinn.</hi></p><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>chön und angenehm iſt die Vorſtellung, die ſich<lb/>
Jeſus von ſeinem bevorſtehenden Tode machte,<lb/>
und rührend ſind die Beſchreibungen, welche wir in<lb/>ſeiner Lebensgeſchichte davon finden. <hirendition="#fr">Jch verlaſſe<lb/>
die Welt und gehe zum Vater. Nun gehe ich hin<lb/>
zu dem, der mich geſandt hat.</hi><noteplace="foot"n="*)">Joh. 16, 5. 28.</note> Dies waren die<lb/>
Ausdrücke, womit er ſeinen Tod von einer angeneh-<lb/>
men Seite darſtellte. Er gab durch dieſe Ausſprü-<lb/>
che zwar ſeinen Schülern zu erkennen, daß er bald<lb/>ſterben und ſich von ihnen trennen würde; er ver-<lb/>ſicherte ſie aber auch zugleich, daß ſein Tod der Weg<lb/>
zu ſeiner Erhöhung ſeyn werde. Jhm war es wohl-<lb/>
bekannt, daß ſeinen Freunden nichts ſo ſchrecklich ſey,<lb/>
als die Vorſtellung von einer ſchmerzhaften Tren-<lb/>
nung, die zwiſchen ihm und ihnen vorgehen ſollte, und<lb/>
er wußte, daß ſie ihnen deſto empfindlicher werden<lb/>
würde je weniger ſie dieſelbe noch immer befürchteten.<lb/>
Um ſie nun an dieſe unvermeidliche Trennung immer<lb/>
mehr zu gewöhnen; ſo ſprach er in den letzten Tagen<lb/>ſeines Lebens mehr von den erfreulichen Folgen ſeines<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Todes,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[427/0453]
Fünfundſechszigſte Betrachtung.
Jeſu richtige Vorſtellung vom Tode.
Philip. 1, 21.
Sterben iſt mein Gewinn.
Schön und angenehm iſt die Vorſtellung, die ſich
Jeſus von ſeinem bevorſtehenden Tode machte,
und rührend ſind die Beſchreibungen, welche wir in
ſeiner Lebensgeſchichte davon finden. Jch verlaſſe
die Welt und gehe zum Vater. Nun gehe ich hin
zu dem, der mich geſandt hat. *) Dies waren die
Ausdrücke, womit er ſeinen Tod von einer angeneh-
men Seite darſtellte. Er gab durch dieſe Ausſprü-
che zwar ſeinen Schülern zu erkennen, daß er bald
ſterben und ſich von ihnen trennen würde; er ver-
ſicherte ſie aber auch zugleich, daß ſein Tod der Weg
zu ſeiner Erhöhung ſeyn werde. Jhm war es wohl-
bekannt, daß ſeinen Freunden nichts ſo ſchrecklich ſey,
als die Vorſtellung von einer ſchmerzhaften Tren-
nung, die zwiſchen ihm und ihnen vorgehen ſollte, und
er wußte, daß ſie ihnen deſto empfindlicher werden
würde je weniger ſie dieſelbe noch immer befürchteten.
Um ſie nun an dieſe unvermeidliche Trennung immer
mehr zu gewöhnen; ſo ſprach er in den letzten Tagen
ſeines Lebens mehr von den erfreulichen Folgen ſeines
Todes,
*) Joh. 16, 5. 28.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/453>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.