Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.VIII. Betrachtung. von aller eitlen Ruhmsucht entfernt war, eben sowar auch seine Frömmigkeit ganz uneigennützig. Er suchte keinen Vortheil, keine Bequemlichkeit, sondern entsagte diesem allen mit williger Entschlossenheit. Jhm war kein Opfer, das er den Menschen brach- te, zu theuer; ihm war kein Leiden zu schmerzhaft, das ihnen Trost und Beruhigung verschaffen konnte. Seine Frömmigkeit war die kindliche Herzensfröm- migkeit; denn der Gedanke an Gott erfüllte ihn nie mit Schrecken und Furcht, sondern mit Freude und Zuversicht. Er that alles in Rücksicht auf Gott, und litte alles aus Gehorsam gegen Gott. Seine Speise, sein Vergnügen war, den Willen Gottes zu thun.*) Nichts konnte ihn in seiner Frömmig- keit wankelmüthig machen, sondern sie war immer standhaft und unveränderlich; sie hielt die härte- sten Proben aus, sie überwand alle Hindernisse und Schwierigkeiten. Weder die Uebereilungen und Schwachheiten seiner Schüler, noch die Bosheiten und Lästerungen seiner Feinde; weder die Unarten seiner Zeitgenossen, noch der Kaltsinn seiner Freun- de; weder die Geringschätzung seiner Wohlthaten, noch der Undank, womit man ihm lohnte, konnten seine Frömmigkeit schwächen, und selbst unter den härtesten Verfolgungen und Bedrückungen wurde sie nicht erschüttert. Frömmigkeit war also die Seele seines *) Joh. 4, 34.
VIII. Betrachtung. von aller eitlen Ruhmſucht entfernt war, eben ſowar auch ſeine Frömmigkeit ganz uneigennützig. Er ſuchte keinen Vortheil, keine Bequemlichkeit, ſondern entſagte dieſem allen mit williger Entſchloſſenheit. Jhm war kein Opfer, das er den Menſchen brach- te, zu theuer; ihm war kein Leiden zu ſchmerzhaft, das ihnen Troſt und Beruhigung verſchaffen konnte. Seine Frömmigkeit war die kindliche Herzensfröm- migkeit; denn der Gedanke an Gott erfüllte ihn nie mit Schrecken und Furcht, ſondern mit Freude und Zuverſicht. Er that alles in Rückſicht auf Gott, und litte alles aus Gehorſam gegen Gott. Seine Speiſe, ſein Vergnügen war, den Willen Gottes zu thun.*) Nichts konnte ihn in ſeiner Frömmig- keit wankelmüthig machen, ſondern ſie war immer ſtandhaft und unveränderlich; ſie hielt die härte- ſten Proben aus, ſie überwand alle Hinderniſſe und Schwierigkeiten. Weder die Uebereilungen und Schwachheiten ſeiner Schüler, noch die Bosheiten und Läſterungen ſeiner Feinde; weder die Unarten ſeiner Zeitgenoſſen, noch der Kaltſinn ſeiner Freun- de; weder die Geringſchätzung ſeiner Wohlthaten, noch der Undank, womit man ihm lohnte, konnten ſeine Frömmigkeit ſchwächen, und ſelbſt unter den härteſten Verfolgungen und Bedrückungen wurde ſie nicht erſchüttert. Frömmigkeit war alſo die Seele ſeines *) Joh. 4, 34.
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VIII. Betrachtung.
von aller eitlen Ruhmſucht entfernt war, eben ſo
war auch ſeine Frömmigkeit ganz uneigennützig. Er
ſuchte keinen Vortheil, keine Bequemlichkeit, ſondern
entſagte dieſem allen mit williger Entſchloſſenheit.
Jhm war kein Opfer, das er den Menſchen brach-
te, zu theuer; ihm war kein Leiden zu ſchmerzhaft,
das ihnen Troſt und Beruhigung verſchaffen konnte.
Seine Frömmigkeit war die kindliche Herzensfröm-
migkeit; denn der Gedanke an Gott erfüllte ihn nie
mit Schrecken und Furcht, ſondern mit Freude und
Zuverſicht. Er that alles in Rückſicht auf Gott,
und litte alles aus Gehorſam gegen Gott. Seine
Speiſe, ſein Vergnügen war, den Willen Gottes
zu thun. *) Nichts konnte ihn in ſeiner Frömmig-
keit wankelmüthig machen, ſondern ſie war immer
ſtandhaft und unveränderlich; ſie hielt die härte-
ſten Proben aus, ſie überwand alle Hinderniſſe und
Schwierigkeiten. Weder die Uebereilungen und
Schwachheiten ſeiner Schüler, noch die Bosheiten
und Läſterungen ſeiner Feinde; weder die Unarten
ſeiner Zeitgenoſſen, noch der Kaltſinn ſeiner Freun-
de; weder die Geringſchätzung ſeiner Wohlthaten,
noch der Undank, womit man ihm lohnte, konnten
ſeine Frömmigkeit ſchwächen, und ſelbſt unter den
härteſten Verfolgungen und Bedrückungen wurde ſie
nicht erſchüttert. Frömmigkeit war alſo die Seele
ſeines
*) Joh. 4, 34.
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