Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.VIII. Betrachtung. liche Besserung des Herzens und Lebens aus. Glau-be ja nicht, daß du fromm seyst, wenn du einzelne gute Handlungen und einzelne Tugenden ausübst, dagegen aber viel andere Pflichten leichtsinnig verab- säumest. Denn das Christenthum duldet an seinen Bekennern kein Laster, keine Sünde, es spricht sie von keiner Pflicht, von keiner Tugend los! Hüte dich also vor solchen falschen Vorstellungen von der wahren Frömmigkeit, sonst würdest du zu denen ge- hören, von welchen einst Jesus sagte:*) Sie ver- maßen sich selbst, daß sie fromm wären, und ver- achteten die andern. Lerne vielmehr, daß die Frömmigkeit einen viel größern Umfang hat; daß mehr dazu gehört, als Beten und Singen, in die Kirche, zur Beichte und zum Abendmal gehen. Denn so nöthig und nützlich diese Uebungen sind, so wenig du sie ohne großen Nachtheil unterlassen darfst: so sind sie doch nur die äußere Schale, und die Beförderungsmittel der Frömmigkeit. Befrie- dige dich nicht damit, daß du keine groben Ver- brechen begehest, daß du einen unanstößigen Wan- del führest, daß du deinen Brüdern nicht offen- bar Unrecht und Gewalt anthust. Deine Fröm- migkeit muß in einem Zusammenhange von lauter guten Gesinnungen und Thaten bestehen, und du mußt nach einer Fertigkeit streben, stets so zu den- ken *) Luc. 18, 9.
VIII. Betrachtung. liche Beſſerung des Herzens und Lebens aus. Glau-be ja nicht, daß du fromm ſeyſt, wenn du einzelne gute Handlungen und einzelne Tugenden ausübſt, dagegen aber viel andere Pflichten leichtſinnig verab- ſäumeſt. Denn das Chriſtenthum duldet an ſeinen Bekennern kein Laſter, keine Sünde, es ſpricht ſie von keiner Pflicht, von keiner Tugend los! Hüte dich alſo vor ſolchen falſchen Vorſtellungen von der wahren Frömmigkeit, ſonſt würdeſt du zu denen ge- hören, von welchen einſt Jeſus ſagte:*) Sie ver- maßen ſich ſelbſt, daß ſie fromm wären, und ver- achteten die andern. Lerne vielmehr, daß die Frömmigkeit einen viel größern Umfang hat; daß mehr dazu gehört, als Beten und Singen, in die Kirche, zur Beichte und zum Abendmal gehen. Denn ſo nöthig und nützlich dieſe Uebungen ſind, ſo wenig du ſie ohne großen Nachtheil unterlaſſen darfſt: ſo ſind ſie doch nur die äußere Schale, und die Beförderungsmittel der Frömmigkeit. Befrie- dige dich nicht damit, daß du keine groben Ver- brechen begeheſt, daß du einen unanſtößigen Wan- del führeſt, daß du deinen Brüdern nicht offen- bar Unrecht und Gewalt anthuſt. Deine Fröm- migkeit muß in einem Zuſammenhange von lauter guten Geſinnungen und Thaten beſtehen, und du mußt nach einer Fertigkeit ſtreben, ſtets ſo zu den- ken *) Luc. 18, 9.
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VIII. Betrachtung.
liche Beſſerung des Herzens und Lebens aus. Glau-
be ja nicht, daß du fromm ſeyſt, wenn du einzelne
gute Handlungen und einzelne Tugenden ausübſt,
dagegen aber viel andere Pflichten leichtſinnig verab-
ſäumeſt. Denn das Chriſtenthum duldet an ſeinen
Bekennern kein Laſter, keine Sünde, es ſpricht ſie
von keiner Pflicht, von keiner Tugend los! Hüte
dich alſo vor ſolchen falſchen Vorſtellungen von der
wahren Frömmigkeit, ſonſt würdeſt du zu denen ge-
hören, von welchen einſt Jeſus ſagte: *) Sie ver-
maßen ſich ſelbſt, daß ſie fromm wären, und ver-
achteten die andern. Lerne vielmehr, daß die
Frömmigkeit einen viel größern Umfang hat; daß
mehr dazu gehört, als Beten und Singen, in die
Kirche, zur Beichte und zum Abendmal gehen.
Denn ſo nöthig und nützlich dieſe Uebungen ſind,
ſo wenig du ſie ohne großen Nachtheil unterlaſſen
darfſt: ſo ſind ſie doch nur die äußere Schale, und
die Beförderungsmittel der Frömmigkeit. Befrie-
dige dich nicht damit, daß du keine groben Ver-
brechen begeheſt, daß du einen unanſtößigen Wan-
del führeſt, daß du deinen Brüdern nicht offen-
bar Unrecht und Gewalt anthuſt. Deine Fröm-
migkeit muß in einem Zuſammenhange von lauter
guten Geſinnungen und Thaten beſtehen, und du
mußt nach einer Fertigkeit ſtreben, ſtets ſo zu den-
ken
*) Luc. 18, 9.
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