Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.IX. Betrachtung. wahre Liebe zu Gott sey, wenn du aus Furcht vorder Strafe die Sünde meidest, oder wenn du die Pflichten deines Standes blos darum erfüllest, weil Menschen dich beobachten, oder wenn du blos die Gebote ausübest, die sehr leicht sind, und keine An- strengung und Ueberwindung kosten. Klagst du noch, daß Gottes Gebote deinen Neigungen wider- sprechen, sind sie dir noch eine beschwerliche Last, die du gern abschütteln möchtest, thust du noch alles Gu- te mit Verdruß und Widerwillen; o! dann fehlt dir, mein Christ, noch wahre Liebe zu Gott. Warlich, dann bist du noch kalt in Gottes Liebe, wenn dich jede kleine Reizung zur Sünde mit fortreißt, wenn du noch täglich deinen Gott durch Ungehorsam be- trübst, der es doch so gut mit dir meynt, und dich stündlich mit Wohlthaten überhäuft. Kannst du aber wie Jesus sagen: deinen Willen, mein Gott, thue ich gerne, und dein Gebot habe ich in meinem Herzen; bist du bereit, lieber Unrecht zu leiden, als Unrecht zu thun, lieber Verlust und Schaden zu er- dulden, als durch Sünde dir Gewinn und Vortheil zu erkaufen; dann sieht es die Welt, daß du Gott liebst, dann machst du dich ihm, wie der Erlöser, wohlgefällig; dann kannst du sagen: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe.*) Dann wirst du so treu und vest, wie Gott selbst, in deiner *) Joh. 21, 17
IX. Betrachtung. wahre Liebe zu Gott ſey, wenn du aus Furcht vorder Strafe die Sünde meideſt, oder wenn du die Pflichten deines Standes blos darum erfülleſt, weil Menſchen dich beobachten, oder wenn du blos die Gebote ausübeſt, die ſehr leicht ſind, und keine An- ſtrengung und Ueberwindung koſten. Klagſt du noch, daß Gottes Gebote deinen Neigungen wider- ſprechen, ſind ſie dir noch eine beſchwerliche Laſt, die du gern abſchütteln möchteſt, thuſt du noch alles Gu- te mit Verdruß und Widerwillen; o! dann fehlt dir, mein Chriſt, noch wahre Liebe zu Gott. Warlich, dann biſt du noch kalt in Gottes Liebe, wenn dich jede kleine Reizung zur Sünde mit fortreißt, wenn du noch täglich deinen Gott durch Ungehorſam be- trübſt, der es doch ſo gut mit dir meynt, und dich ſtündlich mit Wohlthaten überhäuft. Kannſt du aber wie Jeſus ſagen: deinen Willen, mein Gott, thue ich gerne, und dein Gebot habe ich in meinem Herzen; biſt du bereit, lieber Unrecht zu leiden, als Unrecht zu thun, lieber Verluſt und Schaden zu er- dulden, als durch Sünde dir Gewinn und Vortheil zu erkaufen; dann ſieht es die Welt, daß du Gott liebſt, dann machſt du dich ihm, wie der Erlöſer, wohlgefällig; dann kannſt du ſagen: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe.*) Dann wirſt du ſo treu und veſt, wie Gott ſelbſt, in deiner *) Joh. 21, 17
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IX. Betrachtung.
wahre Liebe zu Gott ſey, wenn du aus Furcht vor
der Strafe die Sünde meideſt, oder wenn du die
Pflichten deines Standes blos darum erfülleſt, weil
Menſchen dich beobachten, oder wenn du blos die
Gebote ausübeſt, die ſehr leicht ſind, und keine An-
ſtrengung und Ueberwindung koſten. Klagſt du
noch, daß Gottes Gebote deinen Neigungen wider-
ſprechen, ſind ſie dir noch eine beſchwerliche Laſt, die
du gern abſchütteln möchteſt, thuſt du noch alles Gu-
te mit Verdruß und Widerwillen; o! dann fehlt dir,
mein Chriſt, noch wahre Liebe zu Gott. Warlich,
dann biſt du noch kalt in Gottes Liebe, wenn dich
jede kleine Reizung zur Sünde mit fortreißt, wenn
du noch täglich deinen Gott durch Ungehorſam be-
trübſt, der es doch ſo gut mit dir meynt, und dich
ſtündlich mit Wohlthaten überhäuft. Kannſt du
aber wie Jeſus ſagen: deinen Willen, mein Gott,
thue ich gerne, und dein Gebot habe ich in meinem
Herzen; biſt du bereit, lieber Unrecht zu leiden, als
Unrecht zu thun, lieber Verluſt und Schaden zu er-
dulden, als durch Sünde dir Gewinn und Vortheil
zu erkaufen; dann ſieht es die Welt, daß du Gott
liebſt, dann machſt du dich ihm, wie der Erlöſer,
wohlgefällig; dann kannſt du ſagen: Herr, du weißt
alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe. *)
Dann wirſt du ſo treu und veſt, wie Gott ſelbſt, in
deiner
*) Joh. 21, 17
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